Obama trifft Castro
Barack Obama hat am Montag in Havanna Kubas Staatschef Raúl Castro getroffen. Mit seinem historischen Besuch will der US-Präsident den Prozess der Annäherung an den Karibikstaat forcieren. Einige Kommentatoren loben Obamas Diplomatie in den höchsten Tönen. Andere prophezeien, dass sich Kuba nur wirtschaftlich, aber nicht politisch wandeln wird.
Hoffnung auf Freiheit für Kuba
Kuba ist nach dem Besuch Barack Obamas auf einem guten Weg, meint die christlich-soziale Tageszeitung Trouw:
„Es sind hoffnungsvolle Zeichen von einem Tauwetter zwischen beiden Ländern und ein Signal, dass sich Kuba nach 50 Jahren der Isolation der Welt öffnet. Hoffentlich war der Besuch von Obama eine endgültige Bestätigung, dass das Land sich auf dem Weg zu einem demokratischen Übergang befindet, bei dem Respekt vor den Menschenrechten zentral ist. ... Eine allmähliche Transformation zu einer offenen Wirtschaft und mehr Demokratie geben der Bevölkerung und dem Regime Zeit, um sich vorzubereiten. Dafür müssen allerdings Dissidenten freigelassen werden. Dem kommunistischen Regime bleibt auch nichts anderes übrig. Wirtschaftlich ist das Land am Boden, während die Bevölkerung zunimmt. ... Wenn das Regime sich nicht für einen Übergang entscheidet, dann ist nicht ausgeschlossen, dass die Kubaner das Recht in die eigenen Hände nehmen. “
Obama kümmert sich sehr wohl um Freiheitsrechte
Barack Obama hat sich am Dienstag mit Regierungskritikern in der wieder eröffneten US-Botschaft in Havanna getroffen und sie für ihren "außerordentlichen Mut" gelobt. Damit ist der Vorwurf, Obama biedere sich dem kubanischen Regime an, wohl endgültig widerlegt, jubelt die linksliberale Tageszeitung La Repubblica:
„Der Besuch von Obama fand somit doch nicht nur im Namen der Realpolitik statt. Obama dementiert diejenigen, die ihn beschuldigen, er sei nach Havanna gekommen, um das Castro-Regime zu stärken. Wohlweislich bewegt er sich auf zwei Kommunikationsebenen: Mit der Regierung, denn der Weg der Normalisierung nach 55 Jahren diplomatischer Eiszeit geht nicht an ihr vorbei. ... Doch zugleich sucht er den Dialog mit der Zivilgesellschaft, auch dem Teil der Bevölkerung, der - obgleich er nicht den Weg des Exils gewählt hat - die Freiheitsbeschränkungen und die Zentralverwaltungswirtschaft beklagt.“
Annäherung von Nord- und Südamerika
Barack Obama geht es bei seinem Besuch auf Kuba nicht nur um eine Verbesserung der Beziehungen zu dem Inselstaat, beobachtet die Regionalzeitung Ouest-France:
„Obama verfolgt umfassendere Ziele: Es geht ihm um eine Befriedung der Beziehungen zwischen Nord- und Südamerika. Dies bezeugen die Friedensverhandlungen für Kolumbien, die auf Kuba stattfinden [und von den USA unterstützt werden]. Laut einem chilenischen Meinungsforschungsinstitut haben 65 Prozent der Lateinamerikaner heute ein positives Bild von den USA. 1996 waren es nur 38 Prozent. Nach dem Chavez-Jahrzehnt, verliert die antikapitalistische Linke in Lateinamerika an Rückhalt. Für den großen nordamerikanischen Nachbarn ist das eine Gelegenheit, in dieses Gebiet zurückzukehren, das ein Viertel seiner Exporte schluckt und aus dem 56 Millionen US-Amerikaner stammen. Sollte Donald Trump an die Macht kommen und seine Mauer entlang der mexikanischen Grenze errichten, würde diese Gelegenheit allerdings verpuffen!“
Ein Handschlag ist noch kein Durchbruch
Obamas diplomatischer Erfolg bleibt ein außenpolitisches Wagnis, analysiert die liberale Tageszeitung NRC Handelsblad:
„Es wird sich zeigen, ob Obamas Logik aufgeht, wonach wirtschaftliche Beziehungen zur politischen Souplesse der sozialistischen Castros führen werden. ... Amerika geht das Risiko ein, dass in Kuba dieselbe Situation entsteht wie in China nach dem Besuch von Präsident Nixon 1972. Der führte zu wirtschaftlicher Öffnung für US-Firmen und andere westliche Unternehmen, doch die politische Repression blieb. Kuba ist schon länger ein Urlaubsland für westliche Touristen, die die Idylle von Rum, Zigarren und dem Buena Vista Social Club genießen. Aber es bleibt vorläufig auch ein Gefängnis mit seinem eigenen Drama um Bootsflüchtlinge. Obamas Besuch bietet Hoffnung. Aber wir erleben keinen 'Fall der Berliner Mauer', den manche darin sehen wollen.“
Politische Gegner werden weiter verfolgt
Kubas Regierung unterdrückt seine Bevölkerung trotz des Obama-Besuchs weiter wie bisher, kritisiert die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung die Öffnungspolitik des US-Präsidenten:
„Das 'Wall Street Journal' rechnete in seiner Montagsausgabe vor, dass es 2015 - also nach Beginn der 'Obama-Offensive' - zu 8.600 Verhaftungen aus politischen Gründen kam, in den ersten zwei Monaten dieses Jahres zu mehr als 2.500. Von den 53 politischen Gefangenen, deren Freilassung Washington 2014 ausgehandelt hatte, sei die Hälfte wieder verhaftet worden. ... Man wünschte es der kubanischen Bevölkerung von ganzem Herzen, dass sie wegen der Öffnung den Wind des Wandels und der Freiheit spüren und auf der Basis einer Modernisierung ihrer Wirtschaft die Früchte ihrer harten Arbeit verstärkt geniessen könnte. Doch Worte werden sie nicht an diesen Punkt bringen, nur Taten.“
Strategie basiert auf Wunschdenken
Der historische Besuch von US-Präsidenten Obama wird nach Ansicht der liberalen Tageszeitung Dagens Nyheter kaum zu Reformen auf Kuba führen:
„Eine Diplomatie ohne Ultimatum, wie auf Kuba, ist ein Teil der Methode Obamas - wie sein Vorbehalt gegenüber einem militärischen Eingreifen. ... Obamas Nachdenklichkeit hat seine Vorteile - in Kuba und andernorts. Gleichzeitig basiert seine Strategie aber oft auf Wunschdenken. Der Islamische Staat ist kein Problem, das leicht zu lösen ist. Doch seine Strategie, wie diese terroristische Bewegung zerstört werden soll (wie er es versprochen hat), ist äußerst diffus. Raúl Castro hat angekündigt, dass er 2018 seinen Präsidentenposten verlassen wird. Das ist sicher eine notwendige Voraussetzung für ein freieres Kuba, aber keine Garantie. … Im besten Fall ist es der Beginn von etwas Neuem.“
Obama erobert Herzen der Kubaner
Die kubanische Menschenrechtsaktivistin Miriam Leiva würdigt Obamas Kubapolitik auf dem linksliberalen Portal El Huffington Post:
„Die Bewunderung für Obama verwandelte sich in Dank, als kurz nach Obamas Einzug ins Weiße Haus im Jahr 2009 US-kubanische-Besuche erleichtert wurden und auf diese Weise Umarmungen zwischen seit 50 Jahren getrennten Familien und Freunden und Geldsendungen möglich waren, die die Not und Armut eines großen Teils der Bevölkerung linderten. Obama befreite die Kubaner von der permanenten Anti-Yankee-Propaganda samt der Treffen, Reden und Militäraufmärsche. Aber vor allem nahm er der kubanischen Regierung die Ausrede, mit der sie versuchte, der US-Regierung die Schuld anzuhängen für wirtschaftliche Probleme, die aus der gescheiterten Politik auf Kuba resultierten.“
Pragmatismus führt zum Erfolg
Die neue Strategie des US-Präsidenten in der Kuba-Politik verspricht Erfolg, betont die liberal-konservative Tageszeitung Diário de Notícias:
„Die Wiederherstellung der Handelsbeziehungen und neue ausländische Investitionen auf Kuba - Google kündigte bereits die Ausweitung von Breitband-Internetverbindungen an - können den entscheidenden Anstoß liefern, damit die Kubaner selbst handeln und weitere Veränderungen fordern. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern ist Obama ein Pragmatiker: Er hat erkannt, dass die USA besser beraten sind, wenn sie vermittelnd für Transformation und Wandel eintreten, anstatt sich illegitim in die Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen. ... Nur die Zukunft wird zeigen, ob dieser erste Kuba-Besuch eines US-Präsidenten seit fast 90 Jahren mehr als eine Fußnote der Geschichte sein wird. Die Zeit spielt aber eindeutig für Obama.“
Auf Kuba wird Geschichte geschrieben
Der US-Präsident hatte einen guten Grund, die Beziehungen zu Kuba zu verbessern, glaubt die linksliberale Tageszeitung Delo:
„Es ist ohne Zweifel zum größten Teil Obamas Verdienst, dass es zur Öffnung eines neuen Kapitels in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern kam. Wollte er doch zu Ende seiner zweiten Amtszeit wenigstens einen historischen Erfolg vorweisen können. Auch das Regime in Havanna ist weicher geworden und bei den geheimen Verhandlungen zwischen beiden Ländern haben offensichtlich auch der Vatikan und der Papst persönlich eine wichtige Rolle gespielt. ... Noch vor zwei Jahren hat Barack Obama versichert, dass er keine Pläne hat, Kuba zu besuchen, doch die Umstände haben sich in der Zwischenzeit geändert. Sie sind reifer geworden und nicht zuletzt verabschieden sich die beiden Hauptakteure, Obama und Castro, so oder so langsam von der politischen Bühne. Auf Kuba wird derzeit Geschichte geschrieben.“
Touristen dürften frohlocken
Die Öffnung Kubas wird wohl insbesondere für Touristen attraktiv sein, glaubt das linksliberale Nachrichtenmagazin Polityka:
„Bereits im vergangenen Jahr haben rund 160.000 US-Touristen das Land besucht, obwohl sie noch nicht vollkommen unbeschränkt dort herumreisen durften. Insgesamt waren es [im Jahr 2015] 3,5 Millionen. Die meisten von ihnen interessieren sich nicht nur für die Strände. Sie wollen dort vielmehr eine Art sozialistisches Freiluftmuseum in den Tropen besichtigen, das sich in den kommenden Jahren bis Jahrzehnten in ein modernes und teures Urlaubs-Mekka verwandeln dürfte, das Unterhaltungen für alle anbietet.“
In Havanna bleibt alles beim Alten
Hinter Kubas Wende steckt bislang nichts als wirtschaftliches Kalkül, warnt die konservative Tageszeitung ABC:
„Das Castro-Regime hat sich im Wesen nicht verändert und hat es auch nicht vor. Man tut nicht einmal so als ob: Wenige Stunden vor Obamas Ankunft in Havanna wurden Dutzende Dissidenten verhaftet. ... Es ist der drohende Kollaps der Wirtschaft, der Castro dazu bewegt hat, seinen Blick in Richtung USA zu richten. Nach dieser Wende wird er es nicht mehr auf die 'imperialistischen Feinde' schieben können, wenn die Dinge auf der Insel nicht funktionieren. Es ist wahrscheinlich, dass die Öffnung des Handels die Mittelklasse stärken und die Diktatur schwächen wird. Aber damit das auch wirklich geschieht, muss man an erster Stelle die Demokraten im Land unterstützen, nicht die Diktatur.“