Ist der harte Brexit ausgemacht?
Premierministerin Theresa May will Großbritannien offenbar aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion führen. Dies würde dem Land ermöglichen, seine Einwanderungspolitik künftig allein zu gestalten. Vorstellen will May die Brexit-Strategie erst am Dienstag, doch Inhalte ihrer Rede sickerten durch und werden von den Medien bereits jetzt kritisch bewertet.
Zuwanderung brennt May unter den Nägeln
Das alles bestimmende politische Ziel von Regierungschefin Theresa May ist es, die Zuwanderung nach Großbritannien zu reduzieren, und das ist nur mit einem harten Brexit zu erreichen, analysiert Financial Times:
„Was wir bisher von der Regierung in London gehört haben, bedeutet, dass Großbritannien Kurs nimmt Richtung 'saubere Trennung' von der EU. Das wäre ein 'harter Brexit', auch wenn May diesen Ausdruck nicht anerkennt. ... Der Brexit-Strategie der Regierung liegt eine einfache Überlegung zugrunde: Wenn es den gemäßigten Rechten nicht gelingt, die britische Zuwanderungspolitik zu reformieren, um die Zahl der Einwanderer zu reduzieren, dann wird das die extreme Rechte tun. May bemühte sich als Innenministerin jahrelang vergeblich, die Nettozuwanderung zu verringern. Nun sieht sie den Brexit als einmalige Chance, das zu erreichen. Zuwanderung ist daher das mit Abstand wichtigste politische Thema.“
Königreich droht auseinanderzubrechen
Die Einheit des Königreichs sieht der Tages-Anzeiger mit dem Sieg der Brexit-Hardliner bedroht:
„Das knappe Pro-Brexit-Votum beim Referendum hat [May] stets als Ausdruck generellen Volkszorns über Immigration interpretiert. Führt dies zur scharfen Absetzung von Europa, bedeutet es eine bittere Niederlage für alle, die - auch im Regierungslager - für eine sanftere Gangart, für weitere Verbundenheit mit den Nachbarn plädierten. … [N]och lässt sich gar nicht ermessen, was ein 'harter' Brexit für den weiteren Zusammenhalt des Königreichs bedeutet. Nachdem Schottlands Nationalisten für den Fall eines 'weichen' Brexits Stillhalten anboten, kommt jetzt die Forderung nach schottischer Unabhängigkeit notgedrungen wieder auf die Tagesordnung. In Irland herrscht bereits pure Verzweiflung - zumal in Nordirland just alles ins Rutschen kommt.“
Irland darf sich nicht zu sehr an Brüssel binden
Wegen seiner engen Beziehung zu Großbritannien muss Irland zukünftig darauf achten, keine blinde Pro-EU-Politik zu betreiben, warnt Ökonom David McWilliams auf seinem Blog:
„Wir Iren sind aus historischen, geografischen und kulturellen Gründen sehr eng mit den Briten verflochten. ... Es ist in Irlands Interesse, allen Seiten gegenüber so offen wie möglich zu bleiben. ... Das bedeutet, dass wir eine weitere Integration auf EU-Ebene ablehnen müssen. Wenn uns unsere politische Klasse allzu sehr an die Europafreunde in Brüssel bindet, werden das die Menschen nicht akzeptieren. Die irische Bevölkerung ist viel weniger proeuropäisch als die politische, mediale und bürokratische Elite. Wenn uns die vorherrschende Meinung zu sehr in eine Richtung zieht, in diesem Fall die europäische, wird das Pendel in die andere Richtung schwingen. Und am anderen Ende dieses Spektrums steht der 'Irexit', der irische EU-Austritt. Und wer will den?“