Flynn-Affäre: Reicht Moskaus Arm ins Weiße Haus?
Der Skandal um mögliche Verbindungen von Trump nach Russland dehnt sich aus. Weil er vor Amtsantritt mit Russlands Botschafter über die Aufhebung der Sanktionen geredet und diesbezüglich gelogen haben soll, musste Sicherheitsberater Michael Flynn zurücktreten. Außerdem berichten Medien, dass Trumps Wahlkampfteam regelmäßig Kontakt zum russischen Geheimdienst hatte. Was bedeuten diese Vorwürfe für Trumps Präsidentschaft?
Moskaus Einmischung ging nach hinten los
Die Financial Times sieht die Affäre als Beleg dafür, dass es Russland letztlich mehr schadet als nutzt, wenn es versucht, auf Wahlen im Westen Einfluss zu nehmen:
„Moskau sollte sich gut überlegen, was es will. Es mag attraktiv erscheinen, einen vom Kreml gewünschten Kandidaten in einer Machtposition zu haben. ... Doch ein Kandidat muss sich, sobald er sein Amt angetreten hat, nicht unbedingt so verhalten, wie Moskau das gerne hätte. Das gilt auch für eine Kandidatin. Wenn die Öffentlichkeit den Eindruck gewinnt, dass Moskau einem politischen Führer zur Machtübernahme verholfen hat, kann sich das als kontraproduktiv erweisen – insbesondere dann, wenn es sich um einen Nationalisten handelt, der das Ziel hat, die politische Unabhängigkeit des Staates zu stärken. Das könnte neue politische Führer dazu ermutigen, auf Distanz zum Kreml zu gehen. Wenn sich Russland in ausländische Wahlen einmischt, bringt das Chaos - aber nicht notwendigerweise Einfluss.“
Das Establishment bläst zum Gegenangriff
Trumps Regierung ist eine populistische Rebellion gegen das Washingtoner Establishment - und das wehrt sich jetzt, analysiert Lidové noviny:
„Das Establishment kann Präsident Trump und seinen Vize Pence nicht absetzen, weil die ihr Mandat durch die Wahl der Bürger bekommen haben. Also attackiert es einzelne Mitglieder des Regierungsteams. Ist dem tatsächlich so, dann wird es bald weitere Angriffe geben. Wenn die Telefonate Flynns mit dem russischen Botschafter illegal und außerhalb seiner Kompetenzen waren, kann er froh sein, dass das alles mit seiner Abberufung endete und nicht mit einer Strafanzeige. Flynns Abgang ist eine schlechte Nachricht für Putin und eine gute für die Vertreter einer harten Linie gegenüber Russland. Und Trump steht nun vor der Aufgabe, einen Unangreifbaren als seinen nächsten Sicherheitsberater auszuwählen.“
Im Weißen Haus stinkt es nach Watergate
Dass der Skandal Trump bedroht wie Watergate in den 1970er Jahren Nixon, glaubt De Volkskrant:
„Die Republikaner können sich kaum noch gegen eine umfassende Untersuchung stellen. Vielen Republikanern schaudert es bei dem Gedanken an eine Wiederholung der Watergate-Anhörungen, die die Amerikaner tagelang an die Bildschirme fesselte. ... Am Ende wird es - das ist völlig klar - um die eine entscheidende Frage gehen. War Trump selbst involviert oder wusste er von unangebrachten Kontakten mit den Russen? ... Wie stark die Untersuchung Trump in Bedrängnis bringen wird, ist noch ungewiss. Aber eins ist sicher: Trumps erste Monate im Weißen Haus werden den letzten Monaten von Nixon ähneln: Ein verzweifelter Kampf gegen Leaks und Enthüllungen und zwischendurch Versuche, ein bisschen zu regieren.“
Wer führt hier was im Schilde?
Für Sydsvenskan drängt sich die Frage auf, inwieweit auf die von Präsident Donald Trump geführten USA noch Verlass sein kann:
„Laut New York Times belegen Listen von Telefonverbindungen und aufgezeichnete Gespräche, dass Mitglieder von Trumps Wahlkampfteam im Jahr vor der Präsidentschaftswahl mehrfach Kontakte mit hohen Beamten des russischen Geheimdiensts hatten. … Der Verdacht, dass Personen im Umfeld Trumps unter russischem Einfluss stehen, scheint sich nun bestätigt zu haben. ... Für Schweden und Europa ist die Haltung der US-Administration zur Nato die wohl wichtigste Frage. Trumps Haltung zur Nato variiert indes abhängig von seiner Tagesform. ... Unterdessen legt Chefstratege Steve Bannon die Richtlinien der Politik fest. Wer ist eigentlich der mächtigste Mann der Welt? Ist es wirklich Trump? Oder ist es Bannon, der einst den Wunsch äußerte, 'das gesamte Establishment zu zerstören'?“
USA unter Trump eine tickende Zeitbombe
Sehr beunruhigt darüber, was der Fall Flynn über Trumps Führungsstil aussagt, ist Jutarnji list:
„Trump hat grandiose Unfähigkeit bewiesen. Michael Flynn war von der ersten Sekunde an fragwürdig und alle wussten um seine Kontakte zu Russland. ... Trump hat in den ersten drei Wochen eine Reihe politischer Fehler gemacht, doch der Fall Flynn kompromittiert am meisten. Er bestätigt, dass es ihn überhaupt nicht interessiert, was die Leute machen, deren Entscheidungen die Sicherheitslage des Landes bestimmen. Es ist ihm egal, denn er fällt seine Entscheidungen eh allein, ohne Rücksicht auf Gesetze und Folgen für Land und Leute. Dieses Chaos passt zu Trump, es entspricht seinem Führungsstil - aber es entrinnt allmählich seiner Kontrolle. Eine Weltmacht ist ohne Führung - die Bombe tickt.“
Handelte Flynn im Auftrag seines Chefs?
Weit mehr als eine banale Personalaffäre in der neuen US-Administration vermutet Hospodářské noviny hinter dem Fall:
„Sprach Flynn auf Anweisung Trumps mit dem Russland-Botschafter? Kannte Trump von Beginn an alle Details und konnte er wegen seines chaotischen Stils nur nicht verhindern, dass sich Flynn so dreist gegenüber Vizepräsident Pence verhielt [und ihn belog, indem er behauptete, im Gespräch mit dem Botschafter sei es nicht um Sanktionen gegangen]? Mit anderen Worten: Ist Trump Putin in irgendeiner Weise verpflichtet? Etwa wegen der 'E-Mail-Hilfe' im Wahlkampf? Wollte er wirklich nicht nur Obamas Entscheidung zur Ausweisung russischer Diplomaten zurücknehmen, sondern vielleicht auch die Wirtschaftssanktionen wegen des brutalen Vorgehens Russlands in der Ukraine? Das ist des Pudels Kern. Dieser Fall betrifft letztlich auch uns in Mittelosteuropa. Ein Abkommen zwischen Trump und Putin würde mit Sicherheit auch die Ausdehnung des russischen Einflusses auf unseren Teil Europas beinhalten. Genau darum geht es dem Kreml.“
Doch empfänglich für öffentlichen Druck
Die Welt hält den Rücktritt Flynns für eine gute Nachricht:
„Flynn war von Anfang an eine problematische Wahl. Wer seine Rede auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner gehört hatte, war entsetzt über das manichäische Schwarz-Weiß-Weltbild, das Flynn da verbreitete. ... Trump hätte Flynn gerne gehalten, weil dessen Weltsicht der eigenen sehr nahe steht. Aber die Zweifel der Sicherheitsdienste plus öffentlicher und politischer Druck haben das unmöglich gemacht. ... Der politische Preis für ein Festhalten an Flynn schien einfach zu hoch, weil Trump sich derzeit an vielen unterschiedlichen Fronten verkämpft und angreifbar gemacht hat. Das zeigt: Trump ist durchaus empfänglich für öffentlichen Druck. Er ist nicht mehr der Teflon-Kandidat, an dem alle Skandale und Einwürfe spurlos abprallen. Es ist gut für Amerika und für eine über den neuen Präsidenten beunruhigte Welt, wenn Trump nun Stück für Stück auf Normalmaß zurückgestutzt wird.“
Medien ließen sich nicht einschüchtern
Mit ihren Recherchen im Fall Flynn haben die Journalisten der Washington Post und anderer Medien bewiesen, dass sie ihre so wichtige Kontrollfunktion weiter ausüben, freut sich The Independent:
„Der Rücktritt Michael Flynns als Nationaler Sicherheitsberater ist ein willkommener Beweis dafür, dass die neue US-Regierung gegen die Auswirkungen intensiver medialer Kontrolle nicht immun ist - auch wenn sie selbst vielleicht gerne das Gegenteil geglaubt hätte. Ausnahmsweise hat Trump einmal nicht über 'Fake News' geklagt, zumindest noch nicht. ... Die Hartnäckigkeit der US-Nachrichtenmedien hat sich bezahlt gemacht und verdient Applaus. Die Journalisten ließen sich von der schikanösen Haltung des Präsidenten und seiner Handlanger nicht einschüchtern. Stattdessen verdoppelten sie ihre Anstrengungen, um die Wahrheit über Flynns Gespräch mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak ans Tageslicht zu bringen. ... Davon können Journalisten in aller Welt lernen.“
Ende der Romanze mit Moskau
Russische Politiker werten den Rücktritt von Michael Flynn als schlechtes Zeichen für die bilateralen Beziehungen. Auch La Repubblica glaubt, dass der neue Kuschelkurs mit Moskau vorerst passé ist:
„Der Sturz des Generals reißt eine neue Wunde in das Idyll zwischen Trump und Putin. ... Der Rücktritt des US-Sicherheitsberaters reicht nicht, um die Wogen im Fall Flynn zu glätten. Nicht nur die Demokraten, sondern auch die Republikaner wollen der Sache auf den Grund gehen. ... Die Gewichtigkeit der Vorwürfe zwingt das Weiße Haus zudem, seine Pläne einer Entspannung mit Moskau zu überdenken. Der Pressesprecher des Präsidenten, Sean Spicer, stimmte gestern urplötzlich mit der Position Obamas bezüglich der Ukraine und der Krim überein. Washington erwarte, dass die russische Regierung deeskalierend auf die Gewalt in der Ukraine einwirke und die Krim zurückgebe. Im Wahlkampf hatte sich Trump diesbezüglich eher nachsichtig gezeigt.“