Welche Konsequenzen aus dem Fipronil-Skandal?
Millionen Eier wurden bereits vernichtet, aber der Skandal um Fipronil-verseuchte Eier zieht immer weitere Kreise. Auch in Österreich und Rumänien wurden nun mit dem Nervengift belastete Eier gefunden. Europas Journalisten diskutieren, was der Vorfall lehrt und wer für Fehlinformationen büßen sollte.
Wir Konsumenten sind schizophren
Der Fipronil-Skandal ist auch ein Fingerzeig auf die Schizophrenie der Verbraucher, findet Libération:
„Spiegelei, so heißt ein leckeres Gericht. Sein Name beschreibt auch unsere Beziehung zum Nahrungsmittel selbst. Denn im Ei spiegelt sich das Beste und Schlimmste, zu dem wir fähig sind. Das Schlimmste: Millionen von Hühnern in schrecklichen Legebatterien, Opfer der Agrar- und Lebensmittelindustrie und eines ultra-konsumorientierten Lebensstils. ... Das Beste: verzärtelte, auf Wiesen herumpickende Freilandhühner, deren Eier von Sterneköchen wie kleine Heiligtümer behandelt werden. ... Zwischen den beiden Extremen steht der Wirrwarr unserer eigenen Widersprüchlichkeit. Wir bringen es fertig, zum Bauern zu gehen, um dort 'gute frische Eier' zu kaufen, nur um uns als Wegzehrung mit industriell hergestelltem Kuchen vollzustopfen.“
EU ist kein Garant für Sicherheit
Selbst EU-Regularien können vor solchen Skandalen nicht schützen, bilanziert Jutarnji list:
„Nur weil irgendwo steht, dass ein Insektizid oder Pestizid in der EU verboten ist, heißt das noch lange nicht, dass alle EU-Landwirte auch ethisch und moralisch handeln. Mancher wird sicher trotzdem versuchen, diese zu nutzen, weil er meint, es könne sowieso nicht alles kontrolliert werden oder die Einfuhrkontrollen in den Abnehmer-Ländern seien nicht so streng. ... Die Affären um niederländische Fipronil-Eier, um mit E.coli infizierte deutsche Gurken, Salate und Tomaten und um mit Salmonellen verseuchte Eier aus Polen zeigen: Genügend Kontrollen gibt es nie.“
Skandalöses Schweigen der Minister
Nach belgischen Angaben waren die Niederlande bereits im November 2016 über den Einsatz von Fipronil informiert. De Telegraaf fordert Konsequenzen:
„Die Nahrungsmittelkontrollbehörde NVWA war offenbar schon im November 2016 gewarnt worden. In einem Schreiben an das Parlament stand darüber aber nichts. [Gesundheitsministerin Edith] Schippers und [Staatssekretär für Wirtschaft Martijn] van Dam schieben einander den Schwarzen Peter zu und spielen die Bedeutung der früheren Fipronil-Meldung herunter. Auch schwiegen sie tagelang nachdem das Geflügeldrama ans Licht kam und die NVWA widersprüchliche Warnungen gab. ... Es geht hier um eine akute Gefahr für die Volksgesundheit und wichtige wirtschaftliche Interessen. Beide Regierungsmitglieder sollten daher eine gute Erklärung für ihr falsches Verhalten haben. Sonst bleibt nur eins: Zurücktreten.“
Auf dem Boden bleiben!
Die derzeitige Aufregung geht über jedes vernünftige Maß hinaus, findet Die Welt:
„Selbstverständlich gehört Fipronil nicht in Hühnereier, selbstverständlich muss geklärt werden, wie das rein chemische Insektizid in ein angeblich rein pflanzliches Reinigungsmittel gelangen konnte, wer panschte, wer schwieg. Pestizide gehören nicht in Futter- oder Lebensmittel. Egal, ob giftig oder nicht. Aber Fipronil ist eines der wichtigsten Pestizide überhaupt, es tötet unter anderem die Sandfliege, die sich mit der Erwärmung der Erde auch in Deutschland ausbreitet. Die Sandfliege ist gefürchtet, weil sie Leishmaniose verbreitet, nach Malaria die gefährlichste von Parasiten übertragene Krankheit. Die EU hat den Einsatz des Mittels streng reguliert - jedoch nicht wegen vermeintlicher Gesundheitsgefahren für Menschen, sondern aus Sorge um die Honigbienen.“
Tierwohl ist eben Nebensache
Der Skandal zeigt vor allem, dass die moderne Landwirtschaft reformiert werden muss, mahnt De Volkskrant:
„Die intensive Viehzucht ist so intensiv geworden, dass das Wohl der Tiere und die Volksgesundheit allzu oft nur eine Nebenrolle spielen. Tiere sind zu Gebrauchsgegenständen geworden. ... Bauern, die auf eine tierfreundlichere Produktion umsteigen wollen, können die erforderlichen Investitionen oft nicht aufbringen. Sie werden ihren Kampf verlieren, solange die meisten Verbraucher im Land mehr auf den Preis schauen als auf Nachhaltigkeit. Für eine echte Wende ist die Politik gefordert und eine gezielte Steuerpolitik könnte der Impuls in die richtige Richtung sein.“