Afghanistan: Trump hört auf seine Generäle
US-Präsident Trump hat den Weg für eine Truppenverstärkung in Afghanistan frei gemacht. Seine militärischen Berater hätten ihn überzeugt, dass ein Abzug ein gefährliches Machtvakuum bedeutet hätte. Er betonte aber, man wolle kein Nation Building betreiben, sondern Terroristen töten. Ist das die richtige Strategie?
Im Weißen Haus regiert wieder die Vernunft
Erleichtert über Trumps Kurswechsel zeigt sich The Times:
„Entscheidend ist, dass sich Trump bei einem heiklen internationalen Problem, das ohne US-Beteiligung nicht gelöst werden kann, für Engagement und gegen Isolation entschieden hat. Damit haben militärischer Rat und ein moderater außenpolitischer Kurs sich gegen die eigenwilligen und isolationistischen Ansichten des früheren Chefstrategen im Weißen Haus, Steve Bannon, durchgesetzt. Mit etwas Glück ist dies ein Signal dafür, dass die USA sich auch an anderen Fronten wieder engagieren werden. Trumps Rede vor Militärangehörigen am Montagabend wirkte bedächtiger als alle Reden, die er seit seinem Amtsantritt gehalten hat. Sie zeigte einen Sinneswandel, und diesen gestand Trump auch ein.“
Terroristen töten ist noch keine Strategie
Dass es Trump zufolge fortan in erster Linie darum gehen soll "Terroristen zu töten", lässt die taz das Schlimmste befürchten:
„Denn während schon die Entsendung von mehr US-Soldaten zu einer Eskalation des Krieges und damit zu mehr Opfern auch in der Zivilbevölkerung führen dürfte, erhöhen die Abkehr vom Nation Building sowie Trumps rambohafte Rhetorik die Gefahr für die Menschen in Afghanistan weiter. Trump verspricht in seiner von patriotischen Sprüchen gespickten Rede den Sieg. Dabei bleibt völlig unklar, wie er den überhaupt erreichen will. Bestenfalls wird er jetzt mit seiner Strategie, die diesen Namen nicht verdient, die militärische Niederlage hinauszögern können und damit das Problem des Afghanistankonflikts seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin hinterlassen. Schlimmstenfalls werden die USA unter Trump nach Tausenden weiteren Opfern am Hindukusch verhasster sein denn je.“
Jahrzehntelange Versäumnisse
Die von US-Präsident Trump angekündigte Truppenverstärkung reicht längst nicht aus, um den Krieg zu beenden, warnt Die Presse:
„Für eine positive Entwicklung wäre ein friedlicher Ausgleich zwischen den Interessengruppen nötig, ein Abbau von Korruption und Vetternwirtschaft und ein Aufbau funktionierender Strukturen. Das ist etwas, an dem auch die Afghanen selbst arbeiten müssen. Doch durch Jahrzehnte von Krieg und Chaos kamen in vielen Teilen des Landes Personen an die Macht, die dafür nicht sorgen werden. Die internationale Hilfe brachte keinen nachhaltigen Erfolg. Dafür blieben die Anstrengungen für das sogenannte State Building in vielen Regionen zu gering. Und nicht wenige internationale Gelder verschwanden in den Taschen korrupter Regierungsvertreter – die der Westen aber als Verbündete gegen die Taliban unterstützte.“
Am Hindukusch nichts Neues
Die neue US-Strategie wird wenig ändern, ist Dagens Nyheter sicher:
„Im Grunde ähnelt Trumps Plan dem seines Vorgängers zum Verwechseln. ... Die Taliban haben militärisch Boden gutgemacht. Sie haben Russlandkontakte, während der Iran versucht, einen Brückenkopf in Afghanistan zu schaffen. Trumps USA könnten sich gezwungen sehen, auf unabsehbare Zeit zu bleiben. Ein Rückzug würde die Machtübergabe an die Taliban bedeuten. ... Die afghanische Armee kommt alleine nicht klar, die USA können nichts entscheiden, die Taliban müssen also nur Geduld haben. Einen Fahrplan für den Sieg hat niemand. Allein Gespräche zwischen Kabul und den Taliban könnten den Krieg beenden. Aber noch steht nicht einmal der Verhandlungstisch.“