Brüssel bekämpft Steuerdeals mit Tech-Firmen
Die EU-Kommission verlangt von Luxemburg, 250 Millionen Euro an Steuervergünstigungen von Amazon zurückzufordern. Zudem will sie Irland vor den EuGH bringen, weil es sich weigert, 13 Milliarden Euro Steuern von Apple einzutreiben. In Europas Presse findet der Vorstoß viel Zuspruch - und auch irische Kommentatoren glauben, dass nationale Alleingänge in der Angelegenheit keine gute Idee sind.
EU-Regeln gelten auch für Irland
Dass Dublin auf die Anordnung der EU nicht reagiert hat, war ein Fehler, klagt The Irish Examiner:
„Das irische Finanzministerium hat den Prozess [der Steuerrückforderung von Apple] als komplex beschrieben. Doch ein Treuhandkonto einzurichten, auf dem das Geld vorübergehend geparkt werden kann, ist nicht wirklich schwierig - ganz gleich wie viel eingezahlt werden soll. ... Das Vorgehen der EU gegen Irland mag prinzipiell falsch sein. Es einfach zu ignorieren, kann aber nicht die Antwort sein. Die Einzahlungen auf ein Treuhandkonto müssen umgehend beginnen. Gleichzeitig gilt es, eine Berufung gegen die ursprüngliche Entscheidung der EU-Kommission vorzubereiten. Das irische Finanzministerium ließ verlauten, dass 'Irland das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit in der EU voll respektiert'. Das müssen wir jetzt beweisen.“
Einfache Steuerzahler werden es Brüssel danken
Endlich schiebt die EU-Kommission der ausgetüftelten Steuervermeidung der Großkonzerne einen Riegel vor, lobt The Times:
„Wenn einzelne Länder unterschiedliche Steuerregelungen haben, schieben multinationale Konzerne ihr Geld in der ganzen Welt hin und her, um diese Situation auszunutzen. Daher ist es entscheidend, dass internationale Organisationen wie die EU hart gegen Privilegien für einzelne Unternehmen vorgehen. ... Steuerzahler von Danzig bis Glasgow haben allen Grund, EU-Kommissarin Margrethe Vestager für ihre Bemühungen zu danken. Die Steuerbescheide für einige dieser Konzerne sind lachhaft. Apple zahlte im vergangenen Jahr in Großbritannien nur acht Millionen Pfund [rund 8,9 Millionen Euro] Unternehmenssteuern - und das bei einem Umsatz von über einer Milliarde Pfund.“
Europa springt wieder für Nationalstaaten ein
Es ist nicht das erste Mal, dass EU-Institutionen dort handeln, wo die Nationalstaaten versagen, bemerkt La Stampa:
„Schon während der Euro-Krise gab die EZB den entscheidenden Impuls, um die Einheitswährung zu retten. Die Szene wiederholt sich nun im verzweifelten Kampf gegen die Steuerflucht, bei dem es um Milliarden Euro an Steuerverlusten pro Jahr geht. Doch während die Regierungen der EU-Staaten sich nur mit Worten beteiligen, handelt die EU-Kommission, indem sie Strafen gegen die Unternehmen verhängt, die Steuerflucht begehen. ... Diese letzte Instanz tritt an die Stelle der säumigen Politik. Das ist tröstlich, doch damit Europa funktioniert, bedürfte es weitaus mehr. Vor allem mutigere und kohärentere Regierungen, die sich geschlossen hinter eine vernünftige Wirtschaftsethik stellen.“
Jedes Land denkt nur an sich
Das aktuelle Vorgehen der EU-Kommission gegen steuerliche Begünstigungen von Weltkonzernen reicht nicht aus, kritisiert Der Standard:
„Auf der einen Seite dauert es viel zu lange, bis aufgedeckte Fälle von illegitimer Steuerbegünstigung abgeklärt und einer Exekution zugeführt werden. 'Luxleaks' etwa, wie das genannt wurde, ist schon wieder drei Jahre her, Amazon startete das 'Steuersparen' bereits 2003. Auf der anderen Seite ist es unbefriedigend, dass die EU-Ebene in Steuerfragen fast keine Kompetenz hat. Die Kommission kann juristisch nur indirekt über die Wettbewerbsregeln vorgehen. Die, die es in der Hand hätten, Steuerpolitik EU-weit gerechter zu machen, verhalten sich träge: die Regierungen der Mitgliedsstaaten nämlich. Jeder ist auf seinen Vorteil bedacht.“
Nicht Gewinne, sondern Umsätze besteuern
Einen Pakt aller EU-Staaten gegen unfairen Steuerwettbewerb mahnt die Süddeutsche Zeitung an:
„Am gerechtesten wäre es, wenn nicht die Gewinne, sondern die Umsätze der multinationalen Konzerne besteuert würden. Genau das fordert eine Gruppe von zehn EU-Staaten, darunter Frankreich, Deutschland und Italien. Doch daran haben die Steuerenklaven der Europäischen Union kein Interesse. Sie schützen lieber ihr nationales Geschäftsmodell und verstecken sich hinter dem Argument, dass auch sie gerne eine Übereinkunft mit allen Staaten der G20 hätten. Solange es die nicht gebe, müsse man eben für Wettbewerb sorgen. Diese dreiste Ausrede sollte die anderen EU-Länder nicht entmutigen. Sie müssen weiter darauf dringen, die Kontrolle über die Konzerne zurückzugewinnen. Und sei es erst einmal nur in Europa.“
Konzerne für Daten zahlen lassen
Da eine Besteuerung der Tech-Konzerne sehr kompliziert ist, rät der Ökonom und Unternehmer Xavier Fontanet in Les Echos zu einer anderen Lösung:
„Im Tausch gegen seine Daten würde jedem von uns ein Betrag angeboten und gleichzeitig müssten wir für die erhaltenen Dienste bezahlen. … Diese neue Vertragsform, die jedes Land verpflichtend einführen könnte, würde es erlauben, auf all diese Transaktionen lokal Steuern zu erheben. Es würde dadurch auch mehr für die Datensicherheit unternommen werden. ... Selbstverständlich wäre dies eine Umstellung für die Gafa-Konzerne [Google, Apple, Facebook, Amazon], sie haben jedoch schon ganz andere Neuerungen erlebt (!). Würde der immense Tauschhandel, auf dem diese Industrie beruht, korrekt umgemünzt, könnten Steuerstreitereien und Frustrationen verhindert werden.“