Wie KP-Chef Xi seine Macht zementiert
Chinas Kommunistische Partei hat ihren Parteichef Xi Jinping einstimmig als politischen Denker namentlich in ihre Parteiverfassung aufgenommen. Damit steht er auf einer Stufe mit Mao Zedong. Das Zentralkomitee bestätigte den 64-Jährigen erwartungsgemäß für weitere fünf Jahre im Amt. Was sind die größten Herausforderungen für Chinas "starken Mann"?
Xi ist kein Ideologe
Xi wird derzeit immer wieder mit Mao verglichen, doch der Vergleich hinkt, meint die taz:
„Mao war ein überzeugter Kommunist. Er hatte die Lehren Marxens und Lenins tief verinnerlicht und sie dann weiterentwickelt. Mao setzte auf die Zwangskollektivierung der gesamten Wirtschaft und wollte sogar Familien in Kommunen auflösen. Von einer solchen Ideologie ist Xi weit entfernt. Vielmehr hält er am Kurs der marktwirtschaftlichen Öffnung fest - will zugleich aber so viel Kontrolle über den politischen Apparat, die Wirtschaft, das Internet und die gesamte Gesellschaft behalten wie möglich. Für ihn ist die KP vor allem eins: ein Instrument zum Machterhalt.“
Wovor sich der Parteichef fürchten muss
Zwei Dinge werden Chinas mächtiger Parteiführung noch auf die Füße fallen, prophezeit der Politikexperte Valentin Naumescu im Blogportal Contributors:
„Die größte Falle, in die das Land tappen kann, lauert im Inneren - angesichts des riesigen Spannungspotenzials, das zwischen dem reichen und armen China existiert. Ungefähr 900 Millionen Menschen sollen an oder unter der Armutsgrenze leben. ... Soziale und wirtschaftliche Gleichheit, das gesamte Volk besitzt die Produktionsmittel - alles leere Worte. Was China essentiell von einer liberalen Demokratie unterscheidet: Es mangelt am Pluralismus politischer Meinungen, Menschenrechte und Redefreiheit werden nicht anerkannt. Früher oder später wird der Moment kommen, wo das Fehlen dieser demokratischen Aspekte das chinesische System in eine große strukturelle Krise stürzen wird.“
China braucht politische Reformen
Ohne politische Reformen wird Peking seine wirtschaftliche Vormachtstellung nicht halten können, analysiert Finanz und Wirtschaft:
„In China muss lokales Kapital offensichtlich effizienter angelegt werden als bisher. Das setzt voraus, dass das Wirtschaftswachstum - anders, als dies in den vergangenen vier Jahrzehnten der Fall war - nicht mehr primär vom Angebot, sondern von der Nachfrage getrieben wird. Um das zu bewerkstelligen, muss jedoch mehr Rechtssicherheit geschaffen werden, Unternehmen müssen größere Mitsprache in der Gesetzgebung erhalten, und es sind vermehrt kreative Kräfte an Schulen und am Arbeitsplatz freizusetzen. All dies lässt sich nur schwer mit dem vorherrschenden autoritären Staatsmodell vereinbaren. Wenn China in der jetzt von Xi eingeleiteten 'neuen Ära' wirklich innerhalb von drei Jahrzehnten eine reiche Nation werden will, so setzt das politische Reformen voraus.“
Der neue Mao
Wie die chinesische KP die Gunst der Stunde nutzt, erklärt der britische Journalist Bill Emmott in La Stampa:
„Die Rückkehr zur strengen Zentralkontrolle spiegelt ein Gefühl wider, das sich innerhalb der Kommunistischen Partei und der Militärspitze verbreitet hat: dass Korruption, Dissens und Disziplinlosigkeit in den vergangenen zehn Jahre das Überleben der Einheitspartei gefährdet haben. Zugleich verdeutlicht der Schritt, dass China wieder Vertrauen in seine Rolle in der Welt hat. Und das hat wiederum vermutlich auch mit Donald Trump zu tun, von dessen Präsenz im Weißen Haus China am meisten profitiert. Eine Gelegenheit, die nicht versäumt werden darf. Eine klar definierte und mächtige Führungskraft wiederum ist das beste Mittel, um diese Chance zu nutzen.“
Bruch mit alten Prinzipien
Die Machtkonzentration in China erreicht einen traurigen Höhepunkt, klagt der Tages-Anzeiger:
„Deng Xiaoping hatte einst nach Maos Tod die Übel von Personenkult und Machtkonzentration als grösste Gefahren für das System identifiziert und China Dezentralisierung, Öffnung, Experimentierfreude und eine kollektive Führung verschrieben. Diese Prinzipien bildeten die Grundlage für den sagenhaften Erfolg des Wirtschaftswunders - und Xi Jinping bricht gerade mit jedem Einzelnen von ihnen. Die KP mag nun demonstrativ selbstbewusst auftreten, sie ist aber auch paranoid und nervös. Xi schneidert alles auf sich zu: das Land, die Partei. Was aber, wenn er einmal ausfällt?“
Gut verkaufte Einparteiherrschaft
Mit schönen Worten sichert Xi sich die Macht, stellt Corriere della Sera nach der Rede des chinesischen Staatspräsidenten fest:
„Welche Führungskraft der Welt kann derzeit seinem Volk ein besseres und glücklicheres Leben versprechen? Ein schöneres und harmonischeres Land? Xi Jinping. ... Dreieinhalb Stunden sprach er, mit sanfterer Stimme als gewöhnlich, erfüllt von einem Vertrauen, das auf Zahlen aufbaut. Unter seiner Regierung, darauf verwies der Generalsekretär und Präsident der Volksrepublik ausdrücklich, ist das chinesische BIP von 8,2 auf 12 Billionen Dollar gestiegen ist. Dann steckte Xi die Ziele ab für 2020, das Vorjahr des hundertjährigen Bestehens der Partei, für 2025 und für 2049, in dem die Hundertjahrfeier der Volksrepublik ansteht. … Wie können die Jubiläumsziele erreicht werden? Mit mehr Macht für die Partei und für ihren unumstrittenen und unbestreitbaren Chef.“
Peking wird zur Gefahr für unseren Planeten
Welche Risiken der Erfolg Chinas birgt, erklärt Libération:
„Der unaufhaltbare Aufstieg einer beängstigenden Regional-, aber auch Weltmacht bringt die globale Ordnung ins Wanken. Diese Macht ähnelt einem Stern mit idealer Masse, dessen Nachbarn allein durch seine Anziehungskraft in seinen Orbit geraten. Auf den maoistischen Messianismus folgt nun ein vorsichtiger, aber unerbittlicher Imperialismus mit unzähligen Einflusskanälen, der sich auf einen immer effizienteren und aggressiveren Produktionsapparat sowie auf unerschöpfliche Finanzquellen stützt. Eine Gefahr für die Menschenrechte, eine Gefahr für unseren immer anfälligeren Planeten. Die sowohl faszinierten als auch erschütterten Demokratien müssen dem nunmehr in vollem Umfang Rechnung tragen.“
Chinas Vasallen in Europa
Europa sollte sich nicht über Chinas Stärke wundern, schimpft Der Standard:
„In Europa werfen sich Staaten - auch EU-Mitglieder - den Chinesen leichtfertig an den Hals, wenn diese ihnen über die 'Neue Seidenstraße'-Initiative Geld und das Blaue vom Himmel versprechen. Südosteuropäische Regierungschefs sitzen jedes Jahr im sogenannten 16+1-Format wie Ministranten auf großen Sesseln in Peking und machen ihren Kotau. Vielleicht liegt Xi tatsächlich richtig, wenn er wie ein chinesischer Kaiser denkt: Das Reich der Mitte beherrscht die Welt. Alle anderen sind tributpflichtige Vasallen, auch wenn einige das noch nicht begriffen haben.“
Demokratisches Europa kein Vorbild
Warum Xi das chinesische System nicht demokratisieren wird, weiß Delo:
„Je mehr Demokratie - umso weniger Autorität. ... Je stärker die Alleinherrschaft im Land ist, umso größer ist auch das Wirtschaftswachstum. ... Asien spürt schon lange die Angst Europas vor der eigenen Demokratie, die sich immer häufiger in Hochmut, Chauvinismus und sogar Faschismus zeigt. Deshalb bleibt China entschlossen auf seinem Weg. Die Tatsache, dass China bereit ist, wegen des Rechts auf Entwicklung auf Freiheit zu verzichten, ist teils auch die Schuld Europas, was vor allem etwas über uns aussagt. Wo haben wir nur auf so tragische Weise unser Ziel verfehlt?“
Peking profitiert von Krise des Westens
Chinas Präsident Xi kann sich auf dem Parteitag als Staatsmann von Weltformat präsentieren, beobachtet Le Figaro:
„Der chinesische Präsident kann sich sogar den Luxus gönnen, als Sieger des Liberalismus und Multilateralismus aufzutreten. Zudem kann er zeigen, dass er eine langfristige Vision hat, wie die der Seidenstraßen, während der Westen kurzfristige Politik betreibt. ... Die regionalen und wirtschaftlichen Ambitionen des Reichs der Mitte beunruhigen. Besonders ärgerlich ist es mitzuerleben, wie erfolgreich das so wenig demokratische chinesische Gegenmodell ist. Die 'neuen Kleider' von Präsident Xi sind jedoch genau aus dem Stoff unserer Schwächen geschnitten. Die Krise unserer Demokratien ist ein Segen für ihn. Statt uns zu fragen, ob wir Angst vor China haben sollten, sollten wir aufhören, uns in sterilen Zickzackkursen zu verlieren, und lieber auf unsere Werte setzen.“