Entscheidung über Atomabkommen mit Iran
US-Präsident Trump will bis Mitte Mai bekannt geben, ob die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran aussteigen. Vergangene Woche warf Israels Premier Netanjahu dem Iran vor, beim Abschluss des Atomabkommens gelogen zu haben und sein Atomwaffenprogramm zu einem späteren Zeitpunkt reaktivieren zu wollen. Kommentatoren beschäftigen sich mit den Interessen der verschiedenen Akteure.
Putin ist der große Profiteur
Von der Unsicherheit in Folge einer Aufkündigung des Iran-Atomabkommens würde vor allem ein Land profitieren, erklärt der Journalist Iwan Jakowyna in Nowoje Wremja:
„Eine Folge ist genau bekannt: Die Erdölpreise werden durch die Decke gehen. Bereits jetzt springen sie wie verrückt. Die Erdölhändler begreifen, dass im Fall eines Lieferstopps von Öl aus der Persischen Golfregion die Welt ein Drittel weniger Erdöl hat. Das verursacht ein gigantisches Defizit und einen Preissprung. Doch wem würde das nützen? Allen anderen Treibstofflieferanten - in erster Linie natürlich Russland. Wenn das Erdöl das zwei- oder dreifache des jetzigen Preises kosten wird, dann kann das Regime Putins noch gut 20 Jahre problemlos weiter existieren. Mir scheint manchmal, dass Moskau Trump bezahlt, damit er zumindest dem Iran droht.“
Wer welche Interessen im Iran hat
Im Streit um das Atomabkommen handeln die Akteure aus ganz unterschiedlichem Interesse, zählt der US-Korrespondent Federico Rampini in La Repubblica auf:
„US-Präsident Trump hält zu Israel, weil dies zum Glaubensbekenntnis der rechten Republikaner gehört (protestantische Fundamentalisten inbegriffen). Israels Premier Netanjahu lenkt die Aufmerksamkeit auf eine ausländische Krise, weil er im eigenen Land aufgrund von Skandalen unter Druck steht. ... Und die Europäer interessiert vor allem die Möglichkeit, mit dem Iran wieder Geschäfte machen zu können - zumal viele deutsche, französische und italienische Unternehmen dort schon in früheren, besseren Zeiten Wurzeln geschlagen haben.“
Ungewollte Werbung für den Nukleardeal
Mit seiner Präsentation angeblicher Beweise gegen den Iran unterstreicht Netanjahu nur, dass der Atomdeal mit dem Iran funktioniert, meint The Irish Times:
„Das Zielpublikum von Netanjahus Präsentation war eine einzige Person. Donald Trump muss am 12. Mai entscheiden, ob er Sanktionen wieder in Kraft setzt, die als Teil des Atomabkommens mit dem Iran aufgehoben worden waren. ... Netanjahus Präsentation sollte wohl der letzte Anstoß sein, den US-Präsidenten dazu zu bringen, das Abkommen auszusetzen, das dieser selbst schon lange ablehnt. Doch indem Netanjahu betonte, dass der Iran sein Atomprogramm nach Abschluss des Nuklearabkommens auf Eis gelegt habe, machte der israelische Premier gute Werbung dafür, an diesem festzuhalten.“
Iran angreifen, um Kurdistan zu schaffen
Die USA und Israel wollen Iran angreifen, um doch noch einen kurdischen Staat zu schaffen, glaubt die regierungsnahe Tageszeitung Milliyet:
„Israel und Trump haben verstanden, dass sie mit dem Syrienkrieg nicht die gewünschten Ergebnisse erreichen. Die Türkei, Russland und Iran haben mit den Astana-Gesprächen eine Möglichkeit gefunden, dass regionale Feuer (vorläufig) zu löschen, mit dem ein Kurdistan aus Teilen Syriens, Iraks, der Türkei und Irans geschaffen werden sollte. ... Netanjahu glaubt, dieses Feuer nur mit der Bombardierung Irans entfachen zu können. Seine gesamten Anstrengungen, das letzte Theater inklusive, gelten diesem Ziel. Die israelischen und US-amerikanischen Kriegsbefürworter wollen, dass zwischen der Türkei, ... Iran und Israel noch ein Staat entsteht.“
Der Deal war sowieso mangelhaft
Für die Tageszeitung Die Welt zeigen die Enthüllungen, dass die Kritiker des Atomabkommens richtig lagen:
„Der Deal enthält gravierende Mängel. Und wenn die Europäer das Abkommen erhalten wollen, dann müssen sie der Trump-Regierung mehr bieten als altbekannte Verkäuferfloskeln. Der Iran muss gezwungen werden, seine militärischen Nuklearaktivitäten ganz aufzudecken, auch über den Zeitraum, der nicht von den Archivdokumenten erfasst ist. Das Ablaufdatum für die Einschränkungen des iranischen Atomprogramms muss fallen. Und auch das Programm zur Entwicklung von Langstreckenraketen, ein integraler Bestandteil der iranischen Atombombenbemühungen, muss gestoppt werden. Die israelischen Enthüllungen bieten einen Hebel, den Deal aufzuschnüren und neu zu verhandeln. Die Chance auf ein besseres Abkommen sollten die Europäer nicht ungenutzt lassen.“
Show erreicht ihren Adressaten
Netanjahus Show zur Präsentation angeblicher Beweise hat ihre Wirkung entfaltet, beobachtet Der Standard:
„Die Präsentation des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu, deren Aufmachung zum Teil auch in Israel selbst belächelt wurde, hatte im Grunde einen einzigen Adressaten. Netanjahu wusste dem drohenden Einfluss des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel bei Donald Trump etwas Besonderes entgegenzusetzen. Sie hatten versucht, den US-Präsidenten bei ihren Besuchen dazu zu bewegen, am 12. Mai den Atomdeal mit dem Iran nicht aufzukündigen. Trump ist ohne Zweifel empfänglich für eine solche Show. Ob es inhaltlich irgendetwas Neues gibt, das werden die Experten beurteilen.“
Israel sucht keinen Frieden
Die Achse Trump-Netanjahu wird noch großes Unheil bringen, fürchtet El Periódico de Catalunya:
„Israel, das Erfinderland der Doktrin der atomaren Vagheit (es weiß nichts, antwortet nicht auf Fragen zum eigenen Arsenal und lässt keine fremden Inspektoren in die Kraftwerke), hat den Iran beschuldigt, ein geheimes Nuklearprogramm durchzuführen und die internationale Staatengemeinschaft zu belügen. ... Mit diesem Vorwurf, den Israel eigentlich schon seit Jahren erhebt, will Netanjahu weder den Weltfrieden fördern noch die atomare Gefahr bannen. ... Alles weist darauf hin, dass Trump entscheidet, das Iran-Abkommen aufzukündigen, was die Region in eine unsichere und sehr gefährliche Situation bringt. Die Achse Trump-Netanjahu ist ein weltweiter Unsicherheitsfaktor.“
Passt USA gut in den Kram
Netanjahus Ausführungen kommen Washington auf jeden Fall gelegen, glaubt Habertürk:
„Es geht nicht darum, ob der Iran betrogen oder gegen das Abkommen verstoßen hat. Die Falken und Iran-Feinde in den USA haben das Abkommen sowieso nie akzeptiert. Trump hat es als das schlechteste unterschriebene Abkommen bezeichnet. Seit seinem Amtsantritt stehen im Zentrum der amerikanischen Nahostpolitik die Bedenken der arabischen Golfstaaten und Israels, wonach die regionale Macht Irans zu brechen ist. Deshalb wird erwartet, dass Trump am 12. Mai seine Unterschrift zurückzieht.“
Die Folgen wird Syrien spüren
Neben der erneuten Isolation des Irans wird der Vorstoß Israels eine weitere Verschärfung der Lage in Syrien mit sich bringen, vermutet der Politologe Kostjantyn Matwijenko in Ukrajinska Prawda:
„In zwei Wochen soll der US-Präsident entscheiden, ob auf der Basis des Atomabkommens wieder für ein halbes Jahr der Großteil der Sanktionen gegen den Iran ausgesetzt wird. ... Die Veröffentlichung des Archivmaterials führt beinahe garantiert zum Aufkünden des Vertrags und daher kehrt der Iran in den Status eines isolierten Lands zurück, mit weitreichenden Folgen. ... Vor allem wird sich die Situation in Syrien verschärfen, wo die Möglichkeiten des Irans, gemeinsam mit Russland das Assad-Regime zu stützen, sich merklich verringern.“