Polens Rechtsstaatlichkeit: EU in der Zwickmühle
Polen hat am Dienstag erstmals vor den Außenministern der anderen EU-Mitgliedstaaten Rede und Antwort über seine Justizreformen stehen müssen. Die Anhörung war Teil des von der EU-Kommission eingeleiteten Verfahrens gegen die Regierung in Warschau. Kommentatoren beschreiben, wie schwierig es für die EU ist, in dieser Sache die richtigen Schritte zu unternehmen.
Polen jetzt nicht verprellen
Die Stimmung in Polen gegenüber der EU könnte weiter kippen, wenn diese zu hart gegen das Land vorgeht, warnt Rzeczpospolita:
„In den vergangenen Jahren hat die EU mit ihrem Verhalten eine recht große Gruppe traditionell pro-europäischer Länder zu Staaten gemacht, die einer weiteren Integration kritisch gegenüberstehen. ... Vor dem Referendum über den Brexit im Juni 2016 hat die EU auf Druck von Angela Merkel alle Forderungen von David Cameron abgelehnt, die die Begrenzung der Zuwanderung betrafen, was letztlich zum Sieg der Befürworter des Brexit geführt hat. ... Die EU sollte aus dieser schmerzlichen Erfahrung ihre Schlüsse ziehen und sich im Streit mit Polen möglichst flexibel zeigen. Das ist nicht der Moment, in dem man ohne absolute Notwendigkeit einen weiteren EU-Staat gegen sich aufbringen sollte, schon gar nicht so einen wichtigen wie Polen.“
Fragile Demokratien in Osteuropa
Warum Brüssel sich so lange vor einer härteren Gangart gegenüber Warschau gescheut hat, erklärt Radio Europa Liberă:
„Wegen der Flüchtlingskrise und der anhaltenden Wirtschaftskrise hätte die EU-Kommission die Regierung des größten osteuropäischen Landes am liebsten gar nicht verprellt, schließlich ist eine Kooperation mit Polen essentiell, was die Beziehungen zu Russland angeht. Wenn man dazu noch das autoritäre Abdriften von Viktor Orbáns Ungarn zählt und den Fakt, dass auch die rumänische Regierungspartei (PSD) versucht, die Justiz ähnlich zu kontrollieren, dann zeigt all das, wie fragil die osteuropäischen Demokratien sind - fast drei Jahrzehnten, nachdem dort der Kommunismus gestürzt wurde.“