EU erhält neues Urheberrecht

Das EU-Parlament hat sich für ein neues Leistungsschutzrecht ausgesprochen, das Rechte von Verlagen, Künstlern und Journalisten stärken soll. Internetplattformen müssen künftig verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Werke hochgeladen werden. Im Frühjahr soll die Reform von den Mitgliedsstaaten verabschiedet werden. Wie sinnvoll sind die neuen Regelungen?

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Süddeutsche Zeitung (DE) /

Endlich dem Digitalkapitalismus Grenzen gesetzt

Dass die Urheber von Online-Inhalten künftig von Google und anderen Unternehmen Geld für deren Nutzung verlangen können, feiert die Süddeutsche Zeitung:

„Das ist aus drei Gründen wichtig und richtig. Zum einen stärkt es die freie Presse, eine der Stützen der Demokratie, die im Zuge der Digitalisierung und der damit einhergehenden Kostenlos-Mentalität ins Wackeln geraten ist. Zum Zweiten schützt es jene, ohne deren kreativen Leistungen wir nicht leben können und wollen. Der dritte Punkt ist vielleicht der wichtigste: Mit diesem Votum beweist die europäische Politik zum ersten Mal, dass sie in der Lage ist, dem Digitalkapitalismus Grenzen zu setzen.“

Der Standard (AT) /

Filter siebt auch Start-ups aus

Die Verschärfung des Urheberrechts fördert die Vormacht großer Konzerne im Internet, kritisiert Der Standard:

„[D]ie Implementierung eines Uploadfilters [ist] auch ein kostspieliges Unterfangen. Ein Milliardenkonzern wie Google, der mit Youtubes Content-ID schon über solche Mechanismen verfügt, kann sich das leisten. Ein europäisches Start-up, das in Europas IT-Wüste gegenüber Riesen wie Alphabet und Facebook ohnehin um sein Überleben kämpft, eher nicht. Selbst wenn man die demokratiepolitischen Probleme, die daraus entstehen, außer Acht lässt und einem privaten Unternehmen wie Google eine solche Verantwortung in die Hand drückt, ... ist nicht zu erwarten, dass die Firma ihre Konkurrenz dabei unterstützen wird, Fuß zu fassen.“

wPolityce.pl (PL) /

Das Ende des freien Internets

Die Urheberrechtsreform bedeutet das Ende des freien Internets, fürchtet der Mitherausgeber des rechten Internetportals wPolityce.pl, Michał Karnowski:

„Von der Reform profitieren vor allem riesige - vor allem deutsche - Medienkonzerne, die sich seit vielen Monaten für die Reform eingesetzt haben. ... Wir stehen vor einem gewaltigen Wandel, dessen Ausmaß die gewöhnlichen Internetnutzer noch nicht ausmalen können. Er wird dazu führen, dass das bislang freie, diskussionsfreudige und kompromisslose Internet, wie wir es kennen, bald Geschichte sein wird.“

Libération (FR) /

Algorithmen können das Problem nicht lösen

Philosoph Eric Guichard und Informatiker Nicolas Schabanel halten die Reform in Libération für gefährlich:

„Wie setzt man ein solches Gesetz um? Mit gigantischen Algorithmen. Artikel 13 legt fest, dass die Serviceprovider in enger Zusammenarbeit mit den Inhabern der Urheberrechte Techniken zur Erkennung der Inhalte entwickeln werden. Nutzer, die nicht Facebook, Sacem oder anderen Autorenrechtsorganisationen angehören, werden zensiert und aus dem Web entfernt. ... Die Idee, dass Maschinen moralische Probleme (die mit Diebstahl und geistigem Eigentum zu tun haben) lösen könnten, zeigt vor allem, dass die Politik sich aus der Verantwortung stiehlt. Sie wälzt Fragen an diese Maschinen ab, die wir eigentlich gemeinsam demokratisch diskutieren müssten.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Verlage noch stärker in die Pflicht nehmen

Der Europaabgeordnete Michał Boni (PO/EVP) warnt in Gazeta Wyborcza davor, dass Artikel 13 der Urheberrechtsreform die Freiheit des Internets zu stark einschränkt:

„Ich bin dafür, dass das neue Urheberrecht eingeführt wird. Aber nur unter der Bedingung, dass es eine Einigung über den Artikel 13 gibt: Die Rechte der Autoren müssen mit den Rechten der Nutzer in Einklang gebracht werden. Sonst droht die Gefahr unkontrollierter Filterung und Löschung von Inhalten. Die Verantwortlichkeit von Internetportalen darf nicht größer sein - und so ist es in dem Entwurf vorgesehen - als die Pflichten der Verlage. Diese sollten von sich aus darüber informieren, für welchen Inhalt es eine Lizenz braucht und für welchen nicht. Auf diese Weise findet man im Europaparlament eine Mehrheit für die Autorenrechte - und nicht gegen uns, die Nutzer.“

Corriere della Sera (IT) /

Demokratie braucht informierte Bürger

Die Kampagne der Internet-Lobby gegen die Reform des Urheberrechts basiert auf einer vorsätzlichen Verfälschung der Realität, wettert Corriere della Sera:

„Die Kampagne ist nicht davor zurückgescheut, von einem Maulkorb zu sprechen. Ein Knebel für die Nutzer, die der Freiheit der Veröffentlichung von Inhalten im Netz beraubt würden. Mit der Folge, dass die öffentliche Debatte versiegen würde. Die Wahrheit ist, dass wir genau das umgekehrte Risiko eingehen. Die kontinuierliche Plünderung hochwertiger Inhalte macht die Produktion immer schwieriger und teurer. Dies zeigt sich am Sterben von Zeitungen jenseits des Atlantiks und in Europa. … Es bedarf nicht eines Jürgen Habermas, um zu begreifen, wie wichtig eine 'informierte öffentliche Debatte' ist. Sie ist die Basis der bewussten öffentlichen Meinung – und damit der Demokratie.“

Verslo žinios (LT) /

Für die Zukunft der Medien stimmen

Auch die Wirtschaftszeitung Verslo žinios will die Richtlinie unbedingt unterstützt sehen:

„Die fake news über irgendwelche angeblichen zukünftigen Beschränkungen des Zugangs zu Informationen für normale Internetnutzer, die derzeit verbreitet und nicht schlecht finanziert werden, zeigen genau, was für eine Zukunft uns ohne unabhängige und untereinander konkurrierende Medien erwarten würde. Die Inhaltsenteignung, über die sich zurzeit die großen Internetunternehmen freuen, führt sicher zum Niedergang von Redaktionen und Verlagen. … Die Arbeit von Inhaltsschaffenden - Journalisten, Kommentatoren, Schriftstellern - muss vergütet werden. … Das Europäische Parlament wird über die Zukunftschancen der Medien abstimmen. Deswegen fordert Verslo žinios die von litauischen Bürgern delegierten Abgeordneten auf, ihre Stimmen für diese Zukunftsschancen abzugeben.“

Corriere del Ticino (CH) /

Freiheit hat immer ihren Preis

Die Reform ist unbedingt notwendig, mahnt Kolumnist Ferruccio de Bortoli in Corriere del Ticino:

„Die Gegner der Richtlinie appellieren an die Freiheit des Internets, die ihrer Meinung nach eingeschränkt würde. Jemand sprach sogar von einem Knebel. Doch ohne Regeln, die die Arbeit der Autoren anerkennen, gibt es keine Freiheit. Vor allem gibt es dann keine Freiheit für den Bürger, angemessen informiert zu werden und Zugang zu hochwertigen Inhalten zu erhalten, die naturgemäß Kosten verursachen. Wenn alle Inhalte kostenlos sind, zahlt der Nutzer selbst einen 'unsichtbaren Preis': Er wird seiner Daten beraubt und ist im Konsum der Inhalte nicht mehr frei.“

Le Journal du Dimanche (FR) /

Verteidigung gemeinsamer Werte

Eine Reform des Urheberrechts ist dringend nötig, meinen Frankreichs Kulturministerin Françoise Nyssen und mehr als 200 Persönlichkeiten aus dem Kulturbereich in Le Journal du Dimanche:

„Frankreich ist das Land der Autorenrechte. Sie wurden hier erfunden und mit größter Leidenschaft und größtem Einfallsreichtum über 200 Jahre lang erweitert, um sie gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen. ... Heute sind die Autorenrechte in Frankreich und überall auf der Welt bedroht - und mit ihnen unser gesamtes Modell. Wir führenden Vertreter des Kulturbetriebs sind davon überzeugt, dass es am besten ist, auf europäischer Ebene zu agieren. ... Es ist eine historische Wende. Mit dieser Abstimmung zeigt sich Europas Fähigkeit, gemeinsame Interessen und Werte im digitalen Umfeld weltweit zu verteidigen.“

Večernji list (HR) /

Memes werden eine Zukunft haben

Die Reform des Urheberrechts wird keine negativen Konsequenzen für das Internetphänomen der "Memes" haben, glaubt Večernji list:

„Gegner der Reform fürchten, dass es eine 'Link-Steuer' geben wird, sollte die Reform angenommen werden, wodurch die als Memes bekannten viralen Foto-Video-Text-Witze verboten wären. Sie fürchten auch, dass neue automatische Filter auf großen Internet-Plattformen zur Zensur führen werden. Doch die EU erklärt, dass diese Kritik nicht auf Fakten basiert. Memes würden nicht verboten werden, denn schon bei der jetzt geltenden Direktive zum Urheberrecht besagt eine Ausnahme, dass Satire das Urheberrecht nicht verletzt. Dies wird sich auch im neuen Vorschlag nicht ändern, so die Europäische Kommission.“