Häusliche Gewalt - was können wir tun?
Für Millionen Frauen in Europa ist ihr Zuhause ein gefährlicher Ort. Häusliche Gewalt trifft vor allem Frauen und das Problem zieht sich quer durch alle Gesellschaftsschichten. Sei es als Reaktion auf aktuelle Statistiken, sei es aus Anlass des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November - in vielen Ländern thematisieren die Medien in diesen Tagen dieses Problem.
Gleichberechtigung ist unverzichtbar
Obwohl der Vertrag des Europarats für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen 'Istanbul-Konvention' heißt, ist es mit dem Kampf gegen häusliche Gewalt in der Türkei nicht weit her, bedauert der ehemalige Diplomat Oğuz Demiralp auf T24:
„Gewalt gegen Frauen ist in unserem Land weiterhin ein sehr ernstes Problem. Laut Medienberichten stiegen die Morde an Frauen in der Türkei 2017 um 25 Prozent an: 409 Frauen wurden ermordet, 332 Frauen erfuhren sexuelle Gewalt. ... Wir haben einmal versucht, durch den EU-Prozess eine Gleichstellungskommission im Parlament zu schaffen. Die Kommission wurde schließlich gebildet, aber sie trug den Namen Chancengleichheit. Wie bitte? Frauen und Männer seien verschieden, nicht gleich. Natürlich sind Frauen nicht wie Männer und umgekehrt. Physiologisch sind sie verschieden. Doch vor dem Gesetz sind Männer und Frauen gleichberechtigt.“
Problem betrifft Mitte der Gesellschaft
Die Medizinerin und Frauenrechtlerin Effi Basdra widerlegt in einem Gastkommentar in der Tageszeitung Liberal einige Mythen:
„Die Statistiken in Griechenland belegen, dass 68 Prozent der Frauen, die Opfer von Gewalt werden, verheiratet sind. ... Sieben von zehn Gewaltopfern sind Frauen mit Sekundarschulabschluss und höherer Bildung, während sechs von zehn auf einem mäßigen bis guten finanziellen Niveau leben. Die Beziehung zwischen häuslicher Gewalt und niedrigem Bildungsniveau sowie schlechter wirtschaftlicher Lage von Frauen ist ein Mythos. Gleiches gilt für Männer. ... Es bedarf der ständigen Unterstützung von staatlicher Seite mit Informationen an Schulen, für Eltern, für alle. Das ist die eine Seite. Die andere hat damit zu tun, das Schweigen zu brechen. ... Nur wenn Angst und Scham überwunden sind, können Frauen mit dem Problem umgehen, indem sie darüber sprechen.“
Öffentlich ganz viel darüber reden
In Deutschland wurden 2017 knapp 140.000 Fälle von Gewalt durch Partner oder Ex-Partner angezeigt, 147 Menschen sind dadurch gestorben. Das Problem liegt tief, analysiert der Deutschlandfunk:
„[Es] hat sehr viel damit zu tun, dass wir eben doch noch keine moderne Gesellschaft sind. Dass es immer noch an der vermeintlichen 'Ehre' des Mannes kratzt, wenn ihn seine Frau verlässt. Dass er um einen veralteten Machtanspruch fürchtet. ... Es liegt auch an den Frauen, die das oft auch aus nachvollziehbaren Gründen zu lange schweigend ertragen, bis es zu spät ist. Und es liegt auch an den Gerichten. Viel zu oft wird dem Mann die Tat nachgesehen, weil seine Emotionen, seine Eifersucht vor Gericht als strafmildernd angesehen werden. ... Das muss sich ändern - und wir alle sollten unseren Teil dazu beitragen. Darüber sprechen, viel öffentlich sprechen, das Problem zu einem großen Thema machen.“
Gleichberechtigung von der Wiege bis zum Grab
In Spanien sind seit 2003 nicht nur 959 Frauen durch häusliche Gewalt gestorben, auch Kinder werden immer wieder Opfer. Seit 2013 wurden 25 von ihren eigenen Vätern ermordet. El Diario de Sevilla fordert weitgreifende Maßnahmen:
„Nötigung, Vergewaltigung, Missbrauch, Prostitution und Frauenhandel tauchen in diesen Zahlen noch gar nicht auf - all das, was das Patriarchat normalisiert hat. Wie viel Angst, wie viel Leid halten Frauen tagtäglich aus, ohne dass wir davon erfahren? ... Wir müssen mehr tun, als eine Schweigeminute abzuhalten. Richter müssen zu Genderthemen spezifisch ausgebildet werden und genügend Ressourcen haben und die Gesellschaft muss einen Pakt gegen häusliche Gewalt schließen. Damit dann endlich, von der Wiege bis zum Grab, Gleichberechtigung herrscht und es mit der häuslichen Gewalt ein Ende hat.“
Litauen braucht Hilfe
Delfi bedauert, dass die Gesellschaft in Litauen sich dem Problem der häuslichen Gewalt noch immer nicht stellen will:
„In dem Bericht des EU-Parlaments zu den Kinderrechten in der EU in 2014 war Litauen ein dunkler Fleck. Pro 100.000 Einwohner wurden acht Jungen und zwei Mädchen zu Opfern tödlicher Gewalt. Was häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder angeht, steht Litauen an der Spitze in der EU. Man kann es drehen und wenden, wie man will, Tatsache bleibt, dass unsere Gesellschaft zur Gewalt neigt. Es gibt haufenweise Dissertationen zu diesem Thema, aber die Gesellschaft lehnt diese Kritik größtenteils ab. ... Die nüchterne, aber schmerzhafte Statistik spricht allerdings ebenfalls für sich. Leider brauchen wir, was die Liebe zu unseren Kindern betrifft, wohl am meisten Hilfe in Europa.“