May präsentiert Plan B für den Brexit
Nach dem Scheitern des Brexit-Abkommens im britischen Parlament hat Theresa May am Montag ihren Plan B für den EU-Austritt vorgestellt. Demnach will sie mit Brüssel die im Austrittsvertrag festgeschriebene Auffanglösung für Irland neu verhandeln, was die EU ablehnt. Kommentatoren haben kein Verständnis für Mays Starrsinn.
Haltung ist halsstarrig
Maßlos enttäuscht von Mays Auftritt ist tagesschau.de:
„Niemand hat erwartet, dass May tatsächlich einen komplett neuen Plan aus der Tasche zieht und ruft: Hurra, ich habe da etwas, woran noch niemand vorher gedacht hat. Aber sie hätte durchaus sagen können: Wir nehmen uns jetzt noch etwas Zeit, ich vereinbare mit der EU eine Verschiebung des Austrittstermins, und dann schauen wir mal, dass wir in den nächsten Monaten hier im Land eine Linie finden, über die wir dann mit Brüssel verhandeln können. Stattdessen folgt May dem altvertrauten Muster: Ich habe den einzigen vernünftigen Plan, und die anderen brauchen nur ein bisschen lange, um ihn endlich zu verstehen. Das ist nicht hartnäckig, sondern halsstarrig: nämlich ohne die Einsicht, dass ein nationales Monsterprojekt wie der Brexit nicht im Alleingang durchgezogen werden kann.“
Blutvergießen unbedingt verhindern
Dass ihre Vorschläge mehr einem Plan A plus ähneln, ist kein Zufall, meint De Morgen:
„May will keinen Applaus, sondern lässt ihrem zähen Parlament keine Wahl: Ihr Deal oder kein Deal. Dieses Pokerspiel ist riskant. Je näher der harte Brexit rückt, desto mehr spielt sie in Nordirland mit dem Feuer. ... Auf beiden Seiten der irischen Grenze besteht die berechtigte Sorge, dass kleinste Splittergruppen das No-Deal-Szenario einer 'harten' irischen Grenze missbrauchen wollen, um sich selbst mit Gewalt zu profilieren. ... May muss nun alles tun, um sowohl republikanische als auch unionistische Radikale im Zaum zu halten. Oberste Priorität: Das Karfreitagsabkommens darf nicht untergraben und ein Blutvergießen muss verhindert werden. Notfalls, indem man den gesamten Brexit-Prozess verschiebt.“
London lässt sich nicht helfen
Die europäischen Partner würden der britischen Premierministerin gerne helfen, wenn sie nur wüssten wie, kommentiert der Tages-Anzeiger:
„Für die EU geht es nicht nur darum, den labilen Frieden in Nordirland nicht zu gefährden. Es geht auch um die Integrität des Binnenmarktes, des wichtigsten Trumpfs, den die EU überhaupt hat. Theresa May versucht ein letztes Mal, die EU-Staaten auseinanderzudividieren, und dürfte damit auch diesmal keinen Erfolg haben. Sonst würde Brüssel zu fast allem Hand bieten, von einer stärkeren Anbindung an die EU, wie es etwa die Opposition im Unterhaus will, bis hin zu einer Verschiebung des Austrittstermins. Theresa May müsste nur sicherstellen, dass sie dafür zu Hause diesmal auch wirklich eine Mehrheit hinter sich hat.“
Keine Chance für Plan B
Auch Mays Plan B wird Großbritannien nicht aus seiner Brexit-Sackgasse holen können, glaubt Daily Sabah:
„Mays Plan B hat keinerlei Chance von irgendwem außer ein paar Tory-Abgeordneten wirklich in Erwägung gezogen zu werden. May traf sich nicht mit [Labour-Führer] Corbyn, der es solange ablehnt, am Verhandlungstisch zu sitzen, bis eine 'No-Deal'-Lösung definitiv vom Tisch ist. Und die anderen Parteien konnten die Premierministerin nicht überzeugen, ihre Haltung zu ändern. ... Ein No-Deal-Szenario, das eine Grenze in Irland zur Folge hätte, wäre die Abkehr von einer friedlichen Lösung in Irland.“
Brexit-Gegner untergraben die Demokratie
Die Versuche EU-freundlicher britischer Abgeordneter, einen harten Austritt notfalls gesetzlich zu verhindern, empören The Daily Telegraph:
„Einen No-Deal-Brexit kategorisch auszuschließen, ist weder vernünftig noch logisch. Es würde die Verhandlungsposition Großbritanniens in genau jener Phase skandalös schwächen, in der die Regierung Zugeständnisse von Brüssel fordern sollte. Außerdem würden die Abgeordneten darüber abstimmen müssen, ob das geplante EU-Austrittsdatum, der 29. März 2019, aus dem britischen Brexit-Gesetz herausgelöst wird. Damit wäre die einzige Garantie für die Bevölkerung, dass es wirklich zum EU-Austritt kommen wird, nicht mehr gegeben. ... Militante Brexit-Gegner verpfuschen nicht nur den Brexit. Sie untergraben auch die letzten Reste an Vertrauen in das demokratische System.“
Den Backstop kann kein Brite akzeptieren
Die EU und die britische Regierung haben vereinbart, dass Nordirland notfalls in Zollunion und Binnenmarkt bleibt, um eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland zu verhindern. Dass dieser "Backstop" britischen Abgeordneten aller Parteien ein Dorn im Auge ist, versteht The Irish Independent:
„Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Übertragung von bestimmten Rechten an einen Landesteil bei Themen wie Abtreibung oder Besteuerung einerseits und der Verlegung einer ganzen Region in den Markt eines anderen Rechtssystems andererseits. Im ersten Fall gibt es keinerlei Auswirkungen auf die Grenzen, im zweiten sehr wohl. Noch wichtiger ist, dass unter dem Backstop die Gesetze, die den Handel in Nordirland regeln, in Brüssel und Straßburg gemacht werden würden. Damit würden die Wähler Nordirlands entrechtet werden, und EU-Gesetze wären in diesem Landesteil die oberste Rechtsordnung.“
So wird das nichts mit dem Machtwechsel
Jeremy Corbyn schafft es einfach nicht, aus dem Brexit-Debakel der Premierministerin Profit zu schlagen, stellt die taz fest:
„Noch bevor das Ergebnis des Misstrauensvotums am Mittwochabend feststand, wirkte der linke Labour-Oppositionsführer wie ein Getriebener. Im Parlament nach seiner eigenen Brexit-Position im Falle von Neuwahlen gefragt, konnte der ewige Zauderer lediglich antworten, dass die Partei sie entscheiden werde. ... So wird das nichts mit einem Machtwechsel an der britischen Wahlurne. Aber ohne ihn bleibt Theresa May im Amt und damit eine Premierministerin, deren pflichtbewusstes Bekenntnis zur Umsetzung des Brexit bisher jede Erschütterung überstanden hat. Damit muss und sollte Europa leben, Deal oder nicht. Viele Politiker mit Rückgrat gibt es in Europa nicht mehr.“
Kleinmütige Erbsenzähler regieren die Welt
May hätte schon nach der verlorenen Brexit-Abstimmung im Unterhaus zurücktreten müssen, meint Club Z:
„Margaret Thatcher gewann damals eine entscheidende Abstimmung, trat aber dennoch zurück, weil ihr das Ergebnis nicht reichte. Theresa May verlor katastrophal eine entscheidende Abstimmung, trat jedoch nicht zurück, obwohl sie es in dem Moment hätte tun müssen, als sie auf unerhörte Weise gedemütigt wurde. … Es ist schmerzhaft anzusehen, was für kleinmütige Erbsenzähler die Welt beherrschen. … Das schlimmste ist nicht einmal, dass sie so sind, sondern dass sie fragwürdige Werte vertreten und sich nicht zu schade sind, dreisten und prinzipienlosen Populismus zu betreiben. Den Preis dafür werden die Völker der demokratischen Welt zahlen, die tragischerweise den besten Nährboden für die giftigen Keime des Populismus bieten.“
Mays Einsatz wird verkannt
T24 bedauert, dass das Scheitern des Brexit-Abkommens von vielen Beobachtern der britischen Premierministerin zulasten gelegt wird:
„May hat in guter Absicht gehandelt. Sie hatte einerseits das Ziel, die Brexit-Entscheidung auszuführen und damit dem Demokratieprinzip Respekt zu zollen, und andererseits England nicht von der EU loszureißen. Bedauerlicherweise konnte sie es keinem recht machen. Das Parlament hat ihren Austrittsvertrag mit der EU abgelehnt. Mal sehen, was aus Plan B wird. Wird das Vereinigte Königreich einen völligen Bruch mit der EU riskieren können, oder wird es weiterhin auf der Haltung 'Wir bleiben draußen, lassen aber die Tür halb geöffnet' bestehen?“
Großbritanniens Elite in der Krise
Die Briten bräuchten jetzt eine Führungsperson, die Wunder vollbringen kann, findet die regierungsnahe Tageszeitung Magyar Hírlap:
„Aber sie haben im Moment nur Theresa May und in der Opposition, bei der Arbeiterpartei, Jeremy Corbyn. Das Problem liegt aber nicht nur bei diesen beiden, sondern es gibt eine allgemeine Eliten-Krise im Land. Das Brexit-Referendum hat die politische Elite überrascht. Und für den Austritt gibt es eine Mehrheit im Volk, aber nicht im Parlament. … Einen guten Anführer wird es dringend brauchen.“