Warum rutscht Italien in die Rezession?
Die Wirtschaftsleistung Italiens ist im vierten Quartal 2018 zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen. Damit ist das Land in die Rezession gerutscht. Für eine Reihe von Kommentatoren bekommt Italien acht Monate nach dem Antritt der Regierung aus Cinque Stelle und Lega zu Recht die Quittung.
Rom hat Misstrauen gesät
Wachstum hat mit Vertrauen zu tun, und das hat die Regierung in Rom verspielt, konstatiert Avvenire:
„Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen dem Rückgang von Investitionen und Konsum im Herbst und dem Schwinden des Vertrauens. Denn der Herbst war geprägt von einem politisch-institutionell brisanten Klima und dem Frontalzusammenstoß im Haushaltsstreit - zwischen der Regierung auf der einen und Europa und den Märkten auf der anderen Seite. Eine Konfrontation, die uns 1,7 Milliarden zusätzliche Zinsen auf die Staatsverschuldung gekostet hat. Der Spread [Risikoaufschlag für Staatsanleihen] kletterte auf 350 Basispunkte, die Börse verlor 20 Prozent und Dutzende Milliarden an Ersparnissen landeten im Ausland, weil man - glücklicherweise unbegründet - fürchtete, dass Italien den Euro verlassen könnte.“
Ohne Investitionen kein Wachstum
Schnelles Handeln mahnt Journalist Ferruccio De Bortoli in Corriere del Ticino an:
„Die Investitionen wurden gekürzt, um den von Brüssel geforderten Parametern gerecht zu werden. Eine politisch schmerzlose Möglichkeit, die Konten vorübergehend auszugleichen. Doch so sägt man still und leise am Ast, auf dem man sich mit bequemer Selbstverständlichkeit niedergelassen hat. ... Der Infrastruktur-Sektor ist extrem wichtig. Doch die Regierung ist sich über die Finanzierung von Großprojekten nicht einig, wobei Cinque Stelle mittlerweile eine gewisse Dosis Realismus zugestanden werden muss. ... Rund 400 Großprojekte warten auf ihre Umsetzung. Würden Meinungsverschiedenheiten überwunden und bürokratische Hindernisse abgebaut, würde sich das sowohl auf das Wachstum als auch auf ausländische Investitionen positiv auswirken. Und man würde eine Rezession vertreiben, die bisher nur technisch ist.“
Leider Reformkurs gestoppt
Dass Lega und Cinque Stelle die Schuld für die schlechten Wirtschaftsdaten sogleich wieder anderswo suchen - beim Abschwung in Deutschland und China -, lässt die Süddeutsche Zeitung nicht gelten:
„Schuld sind vor allem sie selbst. Sie haben den Reformkurs der Sozialdemokraten gestoppt, der erste Erfolge und moderates Wachstum brachte. Sie haben sich einen bitteren Streit mit der EU-Kommission geliefert, der viel politische Kraft und Vertrauen von Investoren kostete. Sie erhöhen die Schulden des ohnehin gefährlich hoch verschuldeten Staates. Und sie investieren viel zu wenig in Infrastruktur, Forschung oder Bildung, also in Sektoren, die stabiles Wachstum bringen könnten. Eine Weile wird sich die Regierung noch aus der Verantwortung stehlen können. Doch auf Dauer lassen sich die Italiener nicht täuschen.“
Ansatz am falschen Hebel
Dass die kürzlich vom italienischen Parlament verabschiedeten Maßnahmen zur Konjunkturbelebung kaum etwas bewirken werden, glaubt das Wirtschaftsblatt Les Echos:
„Zum einen, weil sie die Haushaltslöcher vergrößern und daher die Zinsen nach oben treiben, was sowohl öffentliche Kassen als auch Banken und Unternehmen belastet. Wahlversprechen wurden verwässert (Bürgereinkommen, Investitionsprogramm), oder aber sie haben keinen positiven Effekt auf den Privatkonsum (vorgezogene Verrentungen). Vor allem aber gehen die Maßnahmen die Schwächen der italienischen Wirtschaft nicht an: Probleme hinsichtlich Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit, die Ineffizienz der Verwaltung, die Qualität von Bildung und Ausbildung. Vor der Europawahl wird die populistische Regierung ihre Strategie nicht ändern. Früher oder später wird sie jedoch Rechenschaft ablegen müssen.“