EU lässt Nordmazedonien und Albanien warten
Der Rat der Europäischen Union hat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien auf Oktober vertagt. Das ist das Ergebnis des Treffens der EU-Europaminister in Luxemburg. Die EU sollte ihre Hinhaltetaktik nicht übertreiben und die potenziellen Beitrittskandidaten dürfen indes nicht verzagen, raten Kommentatoren.
Die EU hat ihren eigenen Rhythmus
Von solchen Verzögerungen dürfen sich die beiden Länder nicht entmutigen lassen, rät Kolumnistin Adelina Marini in Sega:
„Die EU ist ein Prozess, in dem sich langsame und schnelle Integrationsphasen abwechseln. ... Die EU-Erweiterung ist ein Teil dieses Prozesses. Darum darf man die ein oder andere Verzögerung auf keinen Fall als Katastrophe überinterpretieren. Ich bin mir sicher, dass Skopje und Tirana genau wissen, was sie zu tun haben, wenn sie wirklich Teil der EU sein wollen. Die Verschiebung der Beitrittsverhandlungen darf nicht als Rechtfertigung dienen, Reformen zu stoppen, sondern sollte vielmehr das Gegenteil bewirken.“
Versprechen müssen gehalten werden
Die EU darf das Thema keinesfalls auf die lange Bank schieben, warnt Delo:
„Die Glaubwürdigkeit der EU-Erweiterungspolitik steht auf dem Spiel. Diese kann die EU nur bewahren, indem sie das Nordmazedonien und Albanien im vergangenen Jahr gegebene Versprechen hält. Da die EU eine Gemeinschaft souveräner Staaten ist, in der nationale Interessen dominieren, hängt ihre künftige Erweiterung sowohl von der Reformfähigkeit der EU als auch von der Integrationsfähigkeit potentieller Beitrittskandidaten ab. ... Sollte die EU Nordmazedonien und Albanien im Herbst kein grünes Licht geben, verstärken sich die nationalistischen Kräfte auf dem gesamten Balkan.“
Albanien ist zum Enfant terrible geworden
In der Verhinderung großalbanischer Fantasien sieht Iswestija das wahre Motiv, Länder wie Albanien und Nordmazedonien in die EU zu integrieren:
„Die Albaner spielten bewusst und mit Erfolg die ihnen vom Westen zugeteilte Rolle eines antiserbischen und antirussischen Gegengewichts - und entwickelten sich zu einem europäisches Enfant terrible, das glaubt, es könne sich alles erlauben. Heute sind sie außer Kontrolle geraten, sie erpressen Europa und versuchen, ihr eigenes Spiel zu spielen. Sie sprechen offen von der Umsetzung der von deutschen und italienischen Faschisten im Zweiten Weltkrieg geborenen Idee eines 'Großalbaniens'. ... Offenbar hofft der Westen, dass der EU-Beitritt dieser Länder den 'albanischen Ungehorsam' wenn schon nicht verhindert, so doch in die weite Zukunft aufschiebt“
Der beste Anreiz für Reformen
Dass die EU Albanien und Nordmazedonien weiter hinhält, ist fatal, kommentiert das Handelsblatt:
„Denn: Irgendwann reißt dem Hingehaltenen der Geduldsfaden, und er wendet sich mit Ärger und Enttäuschung ab. Darauf warten Russland, China und die Golfstaaten nur, die um Einfluss in der Region buhlen. Die Argumente der Erweiterungsskeptiker sind nicht von der Hand zu weisen: Mangelnde Staatsführung und schlechte wirtschaftliche Perspektiven sind ein Problem. Und die EU hat schon genug Probleme. Aber: Dass die EU Beitrittsverhandlungen mit einem Kandidaten eröffnet, bedeutet nicht, dass dieser Kandidat im folgenden Jahr EU-Mitglied wird. Die Verhandlungen um den EU-Beitritt dauern erfahrungsgemäß viele Jahre. Dennoch sind sie eine bessere Motivation für Staatsreformen als vage Versprechen, bei denen nach und nach die Hoffnung schwindet, dass sie sich je erfüllen.“
Leere Versprechen als Köder
Die EU nutzt Hoffnungen auf eine potentielle Mitgliedschaft, um sich die Westbalkanländer gefügig zu machen, findet die serbische Tageszeitung Danas:
„Was soll man mit der Erweiterungspolitik machen? Sie hat ihren Existenzgrund verloren, aber, so scheint es, nicht ihre politische Funktion. In einer Welt des neu entstehenden Konflikts zwischen West und Ost darf man den sogenannten 'Westbalkan' nicht dem potentiellen Feind überlassen und muss man die 'Länder' (eher als Staaten) im Orbit seiner Kontrolle halten. Die Zauberformel lautet: die Länder auf den Weg zur Mitgliedschaft bringen, aber, da diese nüchtern betrachtet irreal ist, sie ewig in einer Position des Beitritts ohne Mitgliedschaft zu halten. ... Serbien ist völlig dem Einfluss der EU erlegen und heute trotzdem weiter von der Mitgliedschaft entfernt als 2003.“