Wie geht Europa mit Flüchtlingen um?
Zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni haben die Vereinten Nationen einen schockierenden Bericht vorgelegt. Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR zählte 2018 weltweit erstmals mehr als 70 Millionen Flüchtlinge. Beobachter kritisieren, dass sich die EU gleichzeitig zunehmend abschottet. Kommentatoren präsentieren Ideen, die in der Debatte über Flüchtlinge helfen könnten.
Es braucht eine Jugendbewegung für Flüchtlinge
Wie beim Thema Klima könnten junge Menschen im Westen Bewusstsein für die Nöte insbesondere minderjähriger Flüchtlinge schaffen, regt Irish Examiner an:
„Jungen Menschen ist es innerhalb sehr kurzer Zeit gelungen, den schlafenden Riesen öffentlicher Apathie zu wecken und Millionen einfache Menschen dazu zu bringen, Druck auf ihre Politiker und Vertreter in der Öffentlichkeit auszuüben, den Klimawandel endlich ernst zu nehmen. ... Die gleichen jungen Leute könnten das auch für die Flüchtlingskrise tun. Sie könnten ihre einmalige Fähigkeit einsetzen, echtes Mitgefühl mit Menschen in ihrem Alter zu empfinden und zu demonstrieren. Von diesen sind weltweit mehr als 30 Millionen vertrieben worden, weil sie vor Kriegen, Hungersnöten und Verfolgung fliehen mussten.“
Teufelskreis von Angst und Fehlinfos durchbrechen
Frankreichs Ex-Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem fordert in Le Monde mehr Anstrengungen gegen Hass und Desinformation in der Migrationsdebatte:
„Wir müssen Menschlichkeit, Empathie, Intelligenz und Wissen an den Tag legen, um den Teufelskreis zu durchbrechen, der uns in eine globale Katastrophe führt: immer mehr Angst und Feindseligkeit, aber auch die Anzweiflung von Daten und Fakten und somit die Ignoranz bei denen, die das Glück haben, in ihrer Heimat leben und bleiben, und folglich andere Menschen aufnehmen zu können. Wenn wir wollen, dass unsere Ehre dem Mut dieser Menschen ebenbürtig ist, müssen wir den in unseren postfaktischen Zeiten florierenden Höllenmechanismus besiegen und wieder die Bedingungen für eine wirklich demokratische, vernünftige, informierte, aufgeklärte, gerechte und menschliche Debatte schaffen.“
Stammtischparolen bestimmen die Agenda
Aus nationalistischen Gründen wird geltendes Recht in Europa mit Füßen getreten, beobachtet das Tageblatt:
„In Italien müssen sich zurzeit Rettungskräfte vor Gericht verantworten, denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung vorgeworfen wird. Dabei haben sie nur das getan, was das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2004 jedem vorschreibt, der auf See Menschen in Not begegnet, nämlich ihnen helfen. Parlamente können Gesetze verabschieden, Regierungen Verordnungen erlassen, doch Unrecht bleibt Unrecht. Häfen für Immigranten zu schließen, war ein Wahlkampfargument der italienischen Rechten. Nach ihrem Wahlsieg ging die Justiz gegen jene vor, denen Menschlichkeit und internationales Recht wichtiger sind als italienisches Unrecht. Erschreckend dabei ist, dass in Europa (Italien ist nur ein Beispiel) wieder Stammtischparolen die politische Agenda bestimmen.“
Europa pfeift auf Menschenrechte
Europa hat das Menschenrecht auf Asyl ausgehöhlt, kritisiert Rechtsphilosoph Javier de Lucas in El País:
„Viele EU-Staaten erlauben den Bruch des Grundsatzes des 'non refoulement', also der Nichtzurückweisung in den Schrecken, vor dem die Menschen fliehen. Sie übergeben die Menschen, die verzweifelt der libyschen Hölle entkommen, der libyschen Küstenwache. ... Und das, obwohl Uno und NGOs festgestellt haben, dass Libyen alles andere als ein sicheres Land ist und auch die Häfen diese Bezeichnung nicht verdienen. ... Das Schlimmste ist, das wir die Augen davor verschließen: Wir sprechen von 'Flüchtlingen', während wir uns darum bemühen, dass ihnen diese Flucht nicht gelingt. Aber wir sollten vielmehr von 'Asylsuchenden' sprechen - von Menschen die Schutz suchen und ihr Leben aufs Spiel setzen, um einen Asylantrag stellen zu können.“