Iraner protestieren gegen Benzinpreiserhöhung

Ausgelöst von einer drastischen Erhöhung des Benzinpreises gehen im Iran seit vergangener Woche die Menschen auf die Straßen. Die Regierung hatte beschlossen, staatliche Beihilfen aufzugeben, die den Preis niedrig hielten. Was steckt hinter den Protesten?

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Tygodnik Powszechny (PL) /

Rohani soll diskreditiert werden

Für Tygodnik Powszeczny stecken Rohanis Gegenspieler hinter den Protesten:

„Im Februar findet die iranische Parlamentswahl statt, und obwohl dies in der Mullah-Republik nicht viel bedeutet, ist die Wahl eine Art Volksabstimmung, die zeigt, in welche Richtung die Ajatollahs gehen werden. Vielleicht war es das, was die 'Falken' mit Turbanen, Rohanis Feinde, wollten: ihn vor der Wahl in den Augen seiner Landsleute diskreditieren und gleichzeitig Preiserhöhungen vorantreiben, für die sie ihn verantwortlich machen können.“

Milliyet (TR) /

USA wollen Regime schwächen

Kolumnistin Verda Özer sieht die Strippenzieher hingegen in Washington sitzen, wie sie in Milliyet schreibt:

„Weder im Irak noch im Iran sind die USA das Ziel der Proteste. Das bedeutet aber nicht, dass die USA keine Rolle spielen! Die Trump-Administration macht nicht umsonst die Demonstrationen unterstützende Aussagen. Eine vertrauensvolle Quelle aus Teheran hat mir gesagt, dass es nicht nur eine Verschwörungstheorie sei, dass die USA seit zwei Jahren planen, oppositionelle Gruppen zu organisieren. Vor allem Iraner aserischen und kurdischen Ursprungs sollen dafür eingespannt werden. Das Ziel sei aber nicht, das Regime zu stürzen, sondern es zu schwächen. Ist das nicht auch der Grund für die Sanktionen?“

newsru.com (RU) /

Bleiben die provinziellen Revolutionswächter hart?

Der Publizist Jegor Sedow sieht in den Protesten eine urbane Revolution, wie er in einem von newsru.com übernommenen Facebook-Post schreibt:

„Ihr Sieg ist unausweichlich, das ergibt sich aus der sozial-demografischen Situation. Fragt sich nur, wann es so weit ist. ... Der Iran ist heute eine städtische Gesellschaft, die nicht mehr unter den geistlich-moralischen Klammern leben kann und möchte. ... Und die Verarmung ist der Zündfunken für diese Gesellschaft. Doch auf der Seite des Regimes stehen Kräfte, die in der Provinz angeworben werden. ... Werden die Hilfspolizisten und Revolutionsgardisten ihre Herren bis zuletzt verteidigen? ... Ein Teil sicher ja. Aber seine Größe entscheidet darüber, wie die aktuelle Situation ausgeht.“

The Economist (GB) /

Beim Sprit verstehen Iraner keinen Spaß

Das iranische Regime hat seine Bürger an einer äußerst empfindlichen Stelle getroffen, analysiert The Economist:

„Die Behörden rechtfertigen die Benzinpreiserhöhung damit, dass die Mehreinnahmen als finanzielle Hilfe an 18 Millionen bedürftige Haushalte verteilt würden. Doch die Auswirkungen des Preisanstiegs auf die Inflationsrate könnten den größten Teil des Nutzens zunichte machen. Viele fürchten, dass steigende Transportkosten die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben werden. Die Inflation liegt bereits bei 40 Prozent. ... Vor zwei Jahren wurden bei Demonstrationen über 20 Iraner getötet, nachdem die Regierung den Preis für Eier erhöht hatte. Das Thema Benzin ist eine viel ernstere Angelegenheit. Iraner betrachten dessen niedrigen Preis als Geburtsrecht. Es ist billiger als Mineralwasser.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

US-Sanktionen ersticken die Wirtschaft

Gazeta Wyborcza sieht einen klaren Grund für die Schwierigkeiten des Landes:

„Der Iran ist einer der größten Ölproduzenten. Doch aufgrund der von Donald Trumps Regierung verhängten Sanktionen (mit denen er bewirken wollte, dass die Machthaber in Teheran das Atomabkommen neu verhandeln und ihren Einfluss in der gesamten Region nicht weiter ausbauen) wird es für das Land immer schwieriger, Käufer zu finden. Die Sanktionen ersticken die iranische Wirtschaft, haben Investoren abgeschreckt, die Inflation beschleunigt und die Iraner in Armut gestürzt.“

Gazete Duvar (TR) /

Reichlich innenpolitische Gründe für Frust

Für Gazete Duvar haben die Proteste im Iran nicht nur mit dem internationalen Druck zu tun:

„Auch wenn die Amerikaner, um das Regime zu Fall zu bringen, die Druckmechanismen in unglaubliche Dimensionen schrauben, gibt es zahlreiche nicht-wirtschaftliche Gründe, auf die Straße zu gehen. ... Der Preis dafür, sich in der Opposition zu betätigen, ist hoch. Politiker, die über die vom System gezogenen Grenzen hinausgehen, sitzen entweder im Hausarrest oder im Gefängnis. In Teheran zieht ein 'Folter-Museum' [der politischen Polizei] Savak aus der Zeit des Schahs Besucher an, aber in den Gefängnissen wurde mit diesem Kapitel nie abgeschlossen. ... Wenn man Feinde wie die USA und Israel hat, ist es leicht, 'ausländische Kräfte' für alle Fehlentwicklungen verantwortlich zu machen. Schlechte Regierungsführung, Unfähigkeit, Korruption und Ausbeutung sind aber die grundlegenden Probleme des Systems.“

Der Standard (AT) /

Proteste werden das Regime nicht zu Fall bringen

Die Proteste der iranischen Bevölkerung werden nicht den progressiven Kräften helfen, prophezeit Der Standard:

„Politisch könnte die Eskalation das frühe Ende der Ära des pragmatischen Präsidenten Hassan Rohani, dessen Amtszeit eigentlich noch bis 2021 laufen würde, einläuten - zugunsten der Hardliner. Die Iran-Falken in Washington mögen angesichts der Bilder aus vielen iranischen Städten bereits ihren Traum vom 'regime change' in Teheran in Erfüllung gehen sehen. Viel wahrscheinlicher ist aber eine neue repressive Wende, die auch negative Auswirkungen auf die in der Region ... laufenden Versuche haben wird, Entspannung am Golf herbeizuführen.“