Handelsabkommen China-USA: Kein Grund zur Euphorie
Die USA und China haben am Mittwoch ein Handelsabkommen unterzeichnet und ihren seit Monaten andauernden Streit zumindest teilweise beigelegt. Strafzölle auf beiden Seiten sollen gesenkt werden; außerdem verpflichtet sich die Volksrepublik dazu, in den USA gefertigte Waren in Höhe von 75 Milliarden US-Dollar zu kaufen. Europas Presse rät davon ab, den Deal überzubewerten.
USA validieren Wettbewerbsverzerrung
Dass Washington seine Haltung gegenüber Pekings Eingriffen in die Wirtschaft geändert hat, sollte die EU aufhorchen lassen, rät China-Experte Jean-François Dufour in Le Monde:
„Die US-Administration nimmt hin, dass die Anweisungen der chinesischen Regierung entscheidende Auswirkungen auf die Käufe von industriellen Erzeugnissen haben. Sie fordert also nicht mehr Reformen des chinesischen Systems, das den freien Wettbewerb verzerrt, sondern heißt dieses faktisch gut, sofern es amerikanischen Interessen dient. … Die Europäische Union muss daher eine Realität zur Kenntnis nehmen: Die USA haben den Anspruch aufgegeben, Chinas Wirtschaftssystem zu reformieren, und regieren stattdessen mit Wettbewerbsverzerrung auf Wettbewerbsverzerrung. Die Naivität des Freihandels darf angesichts dieser Entwicklung nicht andauern.“
Um China zu zähmen, braucht es mehr
Die Übereinkunft ist längst nicht so weitreichend wie von US-Präsident Trump dargestellt, mahnt Dagens Nyheter:
„Die Weltwirtschaft kann ein wenig verschnaufen, aber die Einigung zwischen den USA und China ist eher eine Feuerpause denn ein Friedensschluss. ... Der grundlegende Konflikt zwischen China und dem Westen bleibt bestehen. Die Diktatur hat nicht vor, die Unterdrückung ihrer Bürger einzustellen, und dürfte zudem kaum von ihrem Wirtschaftsmodell lassen - schließlich ist es eines der Instrumente für den Machterhalt der kommunistischen Partei. Um echten Druck auf China ausüben zu können, müssen die großen demokratischen Marktwirtschaften zusammenarbeiten. Handelskriege sind nicht, wie Trump behauptet, leicht zu gewinnen. Sie sind teuer.“
Der Verlierer heißt Europa
Das Ergebnis des Duells setzt vor allem einem Zuschauer zu, betont L'Echo:
„Solch ein Aufholprozess kann nur auf Kosten der anderen Lieferanten Chinas gehen, insbesondere Europas als dessen wichtigster Handelspartner. Derzeit wenden sich die Europäer wiederholt an den Schiedsrichter, die Welthandelsorganisation. Diese ist jedoch dem Tod nahe. Vorgestern haben die Wirtschaftsverbände der EU, Japans und der USA erstmals gemeinsam die Initiative ergriffen und eine Erklärung veröffentlicht, in der sie die 'dringende Notwendigkeit', die Institution zu beleben, ansprechen. Dies ist nötig, denn sonst wird Europa eines Tages in den Ring steigen müssen. Derzeit sucht die Gemeinschaft immer noch nach ihren Handschuhen.“
Handelsbeziehungen bleiben belastet
Der Deal kann nur ein erster Schritt sein, gibt Financial Times zu bedenken:
„Mit diesem Abkommen allein bleiben die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China weiterhin deutlich schlechter als sie es zu Trumps Amtsantritt waren. ... Es belässt die durchschnittliche Höhe der Zölle auf beiden Seiten bei rund 20 Prozent. Vor zwei Jahren lag der durchschnittliche US-Zollsatz für chinesische Importe bei drei Prozent. In die andere Richtung waren es acht Prozent. Der Deal lässt hoffen, dass sich die Handelsbeziehungen nicht weiter verschlechtern. Doch das sollte niemanden dazu verleiten, zu denken, dass sie gut sind. ... Wegen Zollerhöhungen und entsprechenden Gegenreaktionen verschlimmert sich die Rezession in der verarbeitenden Industrie in den USA. Chinas Wachstum hat sich verlangsamt. Und weitere vom Handel abhängige Volkswirtschaften sind in dieses Kreuzfeuer geraten.“
Missverständnis oder Miteinander?
Laut Delo verdient das Abkommen Respekt; die Frage sei nur, was es langfristig bringt:
„Trump hat einen Don Quichote-Sieg über die rote Windmühle verkündet, die sich weiterhin im gleichen Rhythmus wie zuvor dreht. Es muss anerkannt werden, dass der US-Präsident gute Fragen in Bezug auf die Beziehungen zu China aufgeworfen hat. Allerdings haben es die Chinesen - Hut ab - geschafft, diese Fragen als ausgeklügelte Lügen zu verkaufen und das Feuer des Weißen Hauses mit Milliarden von Dollar zu löschen, mit denen sie ein wenig von Trumps Ego kaufen können. Eine Frage bleibt jedoch offen: Ist das ein Abkommen über ein Missverständnis zwischen der demokratischen Welt und der Autokratie? Ist es ein Miteinander zweier völlig unterschiedlicher Entwicklungsmodellen? Oder kommt es trotz allem zum Krieg? “
Deal à la Trump kann nicht Europas Ziel sein
Auch wenn die Gefahr einer Eskalation erst einmal abgewendet ist, sollte das Abkommen kein Vorbild für Europa sein, kommentiert Der Tagesspiegel:
„[D]ie USA [haben] anderen westlichen Industrieländern, die ebenfalls unter unfairen chinesischen Handelspraktiken leiden, gezeigt: Sie sind nicht wehrlos, man kann China Grenzen setzen. ... Man muss China entgegentreten, man kann es auch, nur bitte mit mehr Augenmaß, wie man intelligent Druck ausübt und unerwünschte Folgen für die Weltwirtschaft minimiert. Das Ziel sollte nicht sein, mit China einen Deal à la Trump zu schließen: Ihr kauft bei uns Waren im Wert von x Milliarden Euro. Sondern China zu bewegen, die Regeln fairen Freihandels einzuhalten. Das nützt allen.“