Schulschließungen: Angst um die Kinder
Weltweit verbringen die Menschen nun viel Zeit in den eigenen vier Wänden. Doch das lässt nicht jede Familie enger zusammenrücken: Berichte aus China deuten auf eine Zunahme körperlicher und sexueller häuslicher Gewalt in der Corona-Krise hin, in Europa melden Hotlines bereits ein erhöhtes Anrufaufkommen. Aber auch jenseits der Gewalt bringt der Lockdown für einige Kinder mehr Nachteile als für andere.
Wenn der Rest Stabilität wegbricht
Auch in Schweden wurden jetzt Schulen und Universitäten geschlossen, Kitas sollen folgen. Dagens Nyheter erinnert daran, dass es Kinder gibt, die darunter extrem leiden werden:
„Neben den Kindern, die in gewalttätigen Familien leben, gibt es auch Kinder, deren Eltern unter psychischen Erkrankungen und eigenen Missbrauchserfahrungen leiden. Für diese Kinder sind Vorschule und Schule die Rettung. Dort bekommen sie ein kleines Stückchen Stabilität im Leben - und es gibt Erwachsene, die den Überblick behalten. Jetzt wird ihnen diese Sicherheit genommen. Die Pandemie wird weitreichende Einschränkungen für das Leben, wie wir es kennen, mit sich bringen. Es geht nicht anders, es geht ums reine Überleben. Aber jede Entscheidung bringt eine Reihe anderer negativer Konsequenzen mit sich, die wir ebenfalls angehen müssen.“
Endgültig abgehängt
Dass nun die Schulen geschlossen sind, verstärkt die Gefahr, dass Kinder aus sozial schwachen Familien den Anschluss verlieren, gibt auch Falter-Kolumnistin Melisa Erkurt zu bedenken:
„Die Eigenmotivation für Schule ist bei Pubertierenden ja generell nicht so hoch, wenn man auch noch keine Eltern hat, die dahinter sind, und stundenlang warten muss, bis der Bruder den PC freigibt, sind die Chancen gleich null, dass Schule in Zeiten von Corona funktionieren wird. Es wird genau dort funktionieren, wo Schule generell klappt: bei den bürgerlichen Familien. Schüler und Schülerinnen, die leistungsmäßig sowieso schon hinterherhinken, werden diese Wochen oder womöglich Monate daheim meilenweit zurückwerfen. ... [Österreichs] Bildungsminister Faßmann muss einen klaren Plan präsentieren, ein einheitliches Vorgehen, das auch Kinder, die nicht aus bildungsnahen Haushalten kommen, erreicht.“
Ungleiche Voraussetzungen beim Fernunterricht
Der nun notwendig gewordene Unterricht zu Hause gefährdet die Gleichberechtigung, konstatiert Lapin Kansa:
„Der Umstieg auf Fernunterricht ist keine Kleinigkeit, auch wenn wir im digitalen Zeitalter leben, das insbesondere die Kinder und Jugendlichen verinnerlicht haben. Problematisch ist, dass weder Schüler noch Lehrer beim Umstieg auf den Fernunterricht dieselben Voraussetzungen haben. Manchen ist der Fernunterricht schon vertraut, während es für andere das erste Mal ist. Geräte und Internetverbindungen sind auch nicht überall gleich gut und überall verfügbar. Die Stärke der integrierten Gesamtschule ist, dass sie Gleichheit beim Lernen für alle garantiert. Nun ist das nicht gegeben.“