Flüchtlingskinder aus überfüllten Lagern evakuiert
Deutschland und Luxemburg haben am Wochenende die ersten minderjährigen Geflüchteten aus griechischen Lagern aufgenommen: 47 unbegleitete Kinder landeten in Hannover, 12 in Luxemburg, sieben weitere EU-Länder wollen nachziehen. Die EU-Kommission plant, dass europäische Staaten insgesamt 1600 Jugendliche aufnehmen. Die deutschsprachige Presse ist uneins, was vom nun erfolgten Schritt zu halten ist.
Nicht mehr als ein Anfang
Der Deutschlandfunk sieht Anzeichen dafür, dass die Rettungsaktion mehr ist als reine Symbolpolitik:
„Im Schatten der Weltkrise fand sich in Europa eine neue 'Koalition der Willigen' von Luxemburg über Finnland bis Bulgarien. Drumherum ist ein Netzwerk aus Behörden und Organisationen entstanden. Sie alle sind an der Auswahl und Verteilung der minderjährigen Schutzbedürftigen beteiligt: In Griechenland, auf EU-Ebene bis hin zum BAMF in Deutschland. Ermutigend ist auch, dass auf jene Alltagshelden weiter Verlass ist, die sich seit 2015 in der Flüchtlingshilfe engagieren. 150 Städte und Gemeinden zuletzt im Netzwerk Seebrücke. ... Womöglich ist ja auch die europäische Asylpolitik nicht gänzlich tot. Die EU-Länder müssen die Zusagen, die sie gemacht haben, einhalten! Und Tausende weitere Flüchtlinge aufnehmen. Die Rettungsaktionen dieser Tage können nur der Anfang sein.“
Solidarität für die Kamera
Dass sich der luxemburgische Außenminister wegen der Aufnahme von zwölf Kindern als heldenhafter Retter inszeniert, schmeckt dem Tageblatt überhaupt nicht:
„Jean Asselborn, das fleischgewordene schlechte Gewissen der europäischen Wertegemeinschaft, empfängt die Kinder am [Luxemburger Flughafen] Findel zum Fototermin. Kinder, die keine Zeit hatten, anzukommen, sich zu waschen, etwas zu essen, etwas Ruhe in der fremden Umgebung zu finden. Nein, sie müssen zuerst vor die Kamera, damit die Bilder in der Zeitung landen. ... Und zwölf Kinder von 5.200, das ist nicht, wie der Pressesprecher in seiner Mitteilung verkündete, 'die Vollendung einer Umsiedlungsaktion, die als Antwort auf den Solidaritätsaufruf der Griechischen Republik durchgeführt wurde'. Es ist ein Pissen in den Ozean - es fällt nicht weiter ins Gewicht.“
Besser als nichts
Der Standard sieht auch Österreich in der Pflicht, zumindest ein paar Menschen aufnehmen, meint Der Standard:
„47 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus griechischen Flüchtlingslagern sind am Wochenende in Deutschland gelandet. ... Es sind fast 40.000 Menschen, die in den Lagern auf den griechischen Inseln festsitzen, viele davon sind Kinder. 1600 von ihnen sollen in andere EU-Staaten gebracht werden, zehn haben sich bereiterklärt. Österreich nicht. ... Keine einzige Familie, kein einziges Kind aus einem der Lager aufzunehmen, das ist wirklich beschämend. Ja, wir haben unsere eigenen Sorgen und Nöte, aber das entbindet einen Staat oder eine Gesellschaft nicht von der Verpflichtung, anderen zu helfen, auch über Grenzen hinweg. ... Wenigstens eine Geste wäre gefragt, und dieser Geste würden die paar, die sie berührt, unendlich viel verdanken.“