Streit um Kolonialisten-Denkmäler
Bei den anti-rassistischen Demonstrationen in den USA und Europa richtet sich die Wut der Demonstranten auch gegen Denkmäler. In den USA wurden Kolumbus-Statuen umgeworfen, in Bristol die Statue eines Sklavenhändlers im Hafenbecken versenkt. Was bedeutet der Umgang mit Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft?
Briten sehen nur das Gute am Empire
Das Schulsystem ist schuld, dass viele Briten insgeheim noch immer an ihre Vorherrschaft glauben, bedauert thejournal.ie:
„Der durchschnittliche britische Schüler verlässt die Schule mit etwas Wissen über den Zweiten Weltkrieg und Heinrich VIII. - und sonst wenig. Beim Britischen Weltreich werden positive Aspekte betont und negative umschifft. Vielleicht ist es die Fähigkeit der englischen Psyche, die gute Seite an den Dingen zu sehen, die jede sinnvolle Reflexion erstickt: Sicher, Millionen Inder verhungerten unter britischer Herrschaft, aber gab man ihnen nicht auch die Eisenbahnen? Sicherlich ließ Cromwell die Iren abschlachten, aber er beendete auch die absolute Monarchie.“
Linke schleifen anti-rassistische Werte
Radikale Linke bringen die Black-Lives-Matter-Bewegung in Verruf, bedauert der Historiker Roman Lechnjuk in NV:
„Gewisse Aspekte der aktuellen Proteste beunruhigen. Da ist zunächst einmal der ideologisch begründete Vandalismus gegen Denkmäler historischer Persönlichkeiten. ... 'Motor' des Prozesses sind linksradikale Aktivisten ('Antifa'), die von einer idealen Gesellschaft mit sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit träumen. Oft sind diese Leute weit von den meisten Demonstranten und deren Ideen entfernt. Gleichwohl scheint das Gros der Demonstranten sie nicht zu verurteilen. Dies wirft einen Schatten auf die gesamte Black-Lives-Matter-Bewegung und könnte ihren ursprünglichen Vorstellungen von Gerechtigkeit den Boden entziehen.“
Die Wahrheit setzt sich letztlich durch
Die linke Tageszeitung Haravgi hat für Kritiker der Proteste kein Verständnis:
„Sie beschuldigen die Demonstranten des Vandalismus, weil viele rechte und konservative Zeitungen die Regierungen auffordern, dem Zorn der 'Menge' nicht nachzugeben. Die Geschichte ist unerbittlich, im Laufe der Zeit wird sie 'durstig' nach der Wahrheit. Es ist offensichtlich, dass sich die meisten Großmächte auf den gestohlenen Reichtum stützten, den sie den Staaten, die sie als Kolonialisten plünderten, gewaltsam weggenommen haben. Die Dekonstruktion der Statuen, die Gewalt, Kolonialismus, Rassismus und Faschismus symbolisieren, stellt die historische Wahrheit wieder her.“
Kunstwerke vergangener Zeiten bewahren
In Malta fordern Kritiker, die 1819 in Valetta errichtete Statue für die britische Königin Victoria abzureißen. Davor warnt Kolumnist Raphael Vassallo in Malta Today:
„Wie auch immer man die historische Bedeutung der Statue einschätzen mag, es handelt sich ganz klar um eine Skulptur, die zu einer Zeit geschaffen wurde, als rein künstlerischen Details um ihrer selbst willen große Bedeutung geschenkt wurde. Wäre das auch bei einem neuen Denkmal der Fall, das wir anstelle der Victoria-Statue errichten würden? ... Es mag schon sein, dass die Absicht war, [mit der Victoria-Statue] das britische Empire zu verherrlichen und die rebellischen Einheimischen Maltas zur Unterwerfung zu zwingen. Aber sehen Sie sich dieses Kunstwerk doch einmal an!“
Nicht eliminieren, sondern kontextualisieren
Die Empörung über Denkmäler aus anderen Zeiten kann in geordnete Bahnen gelenkt werden, meint El País:
„Die Vergangenheit, die ebenso kompliziert ist wie die Gegenwart, und für die es weder endgültige Verurteilung noch Freispruch gibt, steckt auch in diesen Statuen, Denkmälern, Gebäuden. ... Die Ideallösung besteht nicht im Löschen der Spuren der Vergangenheit, sondern in anderen Ansätzen, wie dem Ausstellen in Museen oder dem Aufstellen von Tafeln, die den Kontext vom wirklich Geschehenen erhellen. So lässt sich die große Empörung kanalisieren, die meist dann hochkommt, wenn Ungerechtigkeiten der Gegenwart zu sehr an Schrecken der Vergangenheit erinnern.“
Gelegenheit zu demokratischer Erneuerung
Das Entfernen der Denkmäler historisch umstrittener Personen verhilft unseren Demokratien zum nötigen Update, erklärt Ökonom Thierry Amougou in Le Soir:
„Die Vielfalt der Zeiten, Erinnerungen und Subjektivitäten, die den öffentlichen Raum ausmacht, wurde nun enthüllt. Damit könnte der öffentliche Raum ein Instrument zur demokratischen Vertiefung bieten. Dabei sollte die Demokratie neu definiert werden, als dynamische und kritische Beziehung zwischen Institutionen, die verschiedene Erfahrungen und verschiedene Subjektivitäten gleichermaßen wertschätzen. … Die Geschichte der Sieger, die sehr oft den öffentlichen Raum geprägt hat, wird mit der Frage konfrontiert, was in den kosmopolitischen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts ein gerechter und demokratischer öffentlicher Raum ist.“
Hochkomplexes historisches Erbe
Webcafé erkennt Unterschiede zwischen den Erinnerungskulturen in den USA und Europa:
„Im Gegensatz zu Bulgarien, wo Nationalität und historisches Gedächtnis eng mit der bulgarischen ethnischen Herkunft verbunden sind, haben in den Vereinigten Staaten Ethnizität und sogar Nationalität wenig mit dem historischen Erbe des Landes zu tun. Der Grund dafür ist, dass die amerikanische Nation eher ein kulturelles Phänomen ist, das auf gemeinsamen Werten beruht - und weniger das Ergebnis eines ethnopolitischen Prozesses, wie in Europa. Mit anderen Worten, während wir in unserer Geschichte Bulgaren klar von Osmanen unterscheiden können, haben in der Geschichte der Vereinigten Staaten alle Akteure - Kolonisatoren, Sklaven und Einheimische - gleichermaßen Anteil am historischen Erbe des Landes.“
Das hat nichts mit Geschichtslöschung zu tun
Expresso vermisst in der Debatte den richtigen Blickwinkel:
„Es gibt Denkmäler, die wirklich nicht stehen bleiben sollten. Das zu sagen, ist aber kein Plädoyer dafür, die Geschichte zu löschen. Wurden in den 1990er Jahren nicht Hunderte von Lenin-Statuen zerstört? Haben wir nicht gesehen, wie die Statue von Saddam in Bagdad gestürzt wurde? Hat hier jemand gesagt, dass die Geschichte gelöscht wurde? Würde ein anständiger Deutscher akzeptieren, dass auch nur eine einzige Hitler-Statue auf irgendeinem Platz stünde? ... Denkmäler niederzuschlagen bedeutet dasselbe, wie sie zu errichten: Man positioniert sich in Bezug auf die Geschichte. ... Der erste Fehler dieser Debatte ist, zu glauben, dass die Statuen Geschichte erzählen. Statuen legen fest, wie die Geschichte von den Mächtigen erzählt wurde, die sie zu einem bestimmten Zeitpunkt errichtet haben.“
Heldenkult tut Erinnerungskultur nie gut
Autor Iván Merker stellt auf Mérce die Darstellung historischer Figuren generell infrage:
„Diese heroisierenden Werke lassen für eine mehrdimensionale Betrachtung historischer Figuren keinen Raum. Allein das kann meiner Meinung nach problematisch sein – umso mehr, wenn dadurch der Rassismus der dargestellten Figur weggewischt wird. ... Rassismus und Antisemitismus sind genauso ein Teil des Kulturerbes des Westens wie die Aufklärung oder die Institutionen der liberalen Demokratie. Das ist unser Schicksal und wir müssen uns diesem stellen. Es ist Zeit, dass die Erinnerungspolitik dieser Tatsache Rechnung trägt.“
Keine Lappalie
Was die nun entfachte Diskussion voranbringen würde, erklärt Kolumnistin Emma Riverola in El Periódico de Catalunya:
„Denkmäler - oder Filme wie 'Vom Winde verweht' - bestehen nicht nur aus dem Material, aus dem sie gefertigt sind. Der Blick des Rezipienten verleiht ihnen die eine oder andere Bedeutung. Eine schwarze Frau, die von Sklaven abstammt, sieht den Film völlig anders als ich. ... Eine indigene Amerikanerin, die über die Rambla spaziert [wo in Barcelona das Kolumbus-Denkmal steht], wird einen alten Schmerz verspüren, und den ihrer Mutter, und den der Mutter ihrer Mutter. Ich glaube nicht, dass man die Kolumbus-Statue niederreißen sollte, aber die Debatte ist mehr als nur eine weltfremde Kapriole. Es würde reichen, den Schmerz wahrzunehmen, den manche beliebte Symbole auslösen. Vielleicht würden wir so auch den noch immer anhaltenden Rassismus spüren.“
Wertloser Schrott
Die Statuen können getrost eingeschmolzen werden, findet Kolumnist Gianni Riotta in La Stampa:
„Die Statuen der Helden der Konföderierten Südstaaten, die von antirassistischen Demonstranten angegriffen wurden, haben 450 Dollar gekostet. Sie wurden serienweise in Zink von der Firma Monumental Bronze Co. mit Sitz in Connecticut in den Nordstaaten gegossen. ... Diese Statuen wurden 80 Jahre nach dem Bürgerkrieg, 1861-1865, errichtet, nicht zur Erinnerung an die Heldentaten von General Lee, sondern um die Schwarzen zu terrorisieren, während ihnen verboten wurde zu wählen. Ein Detail, das die Amateure ignorieren, die sich nun als Experten aufspielen, ist zudem ihr künstlerischer Nullwert. Abgesehen von den Initialen auf der Gürtelschnalle, US für United States, und CS für die Konföderierten, sind die Statuen alle gleich.“
Es gibt keine Löschen-Taste für Geschichte
Das Abreißen von Denkmälern ändert gar nichts, ärgert sich Delo:
„Die puritanische Skandalisierung und Dämonisierung von allen und allem überschreitet langsam die Grenze des guten Geschmacks. Vor allem ist das völlig sinnlos. Ähnlich wie beim Computer bleibt die Geschichte für immer in all ihrer Komplexität aufgezeichnet, selbst wenn man die Löschen-Taste drückt. Irgendwo im Herzen der Festplatte, auf dem Server an einem unbekannten Ort, in der Cloud und vor allem in unserem Gedächtnis und unserem Unterbewusstsein, bleibt sie erhalten.“
Trump darf nicht profitieren
Dass sich die Proteste auch auf Denkmäler anderer historischer Figuren wie etwa des Entdeckers Christoph Kolumbus ausgeweitet haben, ist dumm und gefährlich, mahnt USA-Kenner Frans Verhagen in NRC Handelsblad:
„Viele Denkmäler wurden bewusst errichtet, um weiße Überlegenheit zu ehren. Zu jener Zeit wurde die Rassentrennung im Süden durchgesetzt. ... Eine Ausbreitung des Protestes [gegen andere Statuen] gibt dem Ober-Rassisten Trump jedoch die Möglichkeit, seine Anhängerschaft zu erweitern. Er kann auf die anti-amerikanische Einstellung der Demonstranten hinweisen, den Vandalismus und so das rassistische Element seiner Position verschleiern. ... Es ist klug, Columbus stehen zu lassen und Jefferson Davies schnell zu entfernen. “
Gewalttätige Ideologie
Das Abreißen der Denkmäler erinnert den Autor der Tageszeitung Új Szó, Pál Szombathy, an den Kommunismus:
„Churchill, der die Gefahr, die vom Wahnsinn Hitlers ausging, als erster erkannt hat, wird in dieser Denkweise als alter Rassist bezeichnet, da er aus heutiger Sicht inakzeptablen Blödsinn über angeblich unterlegene Völker gesagt hat. Ob dieser Eifer und die Ideologie nicht an den Aufstieg des Kommunismus erinnert? ... Die neue internationalistische Ideologie ist ungeduldig, vorlaut und gewalttätig. ... Sie betrachtet die historische Prosperität des Westens ausschließlich als Werk rassistischer, frauenfeindlicher weißer Männer. ... Für eine Gegenmeinung gibt es keinen Raum. ... Aus dieser Haltung heraus folgten in der Geschichte blutige Diktaturen.“
Es braucht mehr, nicht weniger Statuen
Die frühere Bürgerkriegsregion Nordirland macht vor, wie man mit dem Problem historischer Denkmäler umgehen sollte, erklärt The Irish Times:
„Es hat sich ein Konsens herausgebildet, dass der beste Ansatz für den Umgang mit umstrittenen Statuen eher darin besteht, neue aufzustellen als alte abzureißen. Der Stadtrat von Belfast hat sich darauf verständigt, den in Stein gemeißelten Granden des pro-britischen Unionismus, die rund um das Rathaus postiert sind, Repräsentanten der irischen Nationalisten und Republikaner hinzuzufügen. Ähnliche 'Prüfungen zur Sicherstellung von Gleichbehandlung' wurden an anderen Orten durchgeführt. Dieses Streben nach Balance mag politisch und künstlerisch banal erscheinen, doch es ist immer noch besser als das Aufstellen vieler nichtssagender Skulpturen, das die Zeit des Friedensprozesses charakterisierte.“
Wie im Wilden Westen
Dies ist kein legitimer Kampf für Gerechtigkeit mehr, moniert Aktuality.sk:
„Die Proteste sehen in vielerlei Hinsicht wie eine 'Kulturrevolution' aus. Die Ikonen Europas und Amerikas fallen. Weil sie Minderheiten wütend machen. Mehrere fortschrittliche Führer in Europa und den Vereinigten Staaten wetteifern um populistische Versprechen, Straßennamen zu ändern, 'politisch inkorrekte' Symbole zu entfernen und die Geschichte neu zu schreiben. Einige US-Gouverneure versprechen, die Polizeibehörden zu dezimieren oder aufzulösen. ... Dies ist Anarchie und eine Rückkehr in die Zeit des Wilden Westens, in der Männer mit Waffen, aber ohne Sheriff-Stern das letzte Wort hatten.“
Symbole als Blitzableiter
Ein gewisses Verständnis für den Sturz von Denkmälern äußert der Politikwissenschaftler Sergej Medwedew in einem von newsru.com übernommenen Facebook-Post:
„Ich unterstütze den Abriss von Denkmälern nicht und mir tut es weh, dies ansehen zu müssen. Aber ich verstehe, was dahintersteckt. Denkmäler sind doch nur mit Pathos und Symbolhaftigkeit beladenes Eisen und Stein. Wenn sie als Blitzableiter für ein bei irgendjemandem aufgestautes Gefühl der Ungerechtigkeit dienen können, dann liegt das auch in ihrer Mission: Hohe Gefühle zu erregen und niedrige Gefühle zu kanalisieren. Lieber stürzen Denkmäler, als dass Menschen sterben.“
Nicht die heutigen Maßstäbe anlegen
Die Anti-Rassismus-Bewegung könnte zu weit gehen, warnt die Historikerin Gill Evans in The Daily Telegraph:
„Wir können unrühmliche Teile unserer Vergangenheit nicht einfach auslöschen. Sie müssen eine Rolle in unserer Zukunft spielen. ... Wozu würde denn das alles sonst führen? Eine kürzlich durchgeführte Kampagne mit dem Ziel, 'das Porträt des Rassisten Winston Churchill von unseren Banknoten zu entfernen', zeigt, was auf uns zukommt, wenn wir nicht klar und deutlich machen, dass es wichtig ist, aus unserer Geschichte zu lernen, anstatt sie einfach zu löschen. Es ist zutiefst unfair, die Menschen der Vergangenheit mit den Maßstäben der Gegenwart zu messen. Niemand würde einen solchen Test bestehen - nicht einmal die heutigen Demonstranten, von denen ein Teil für künftige Generationen sicherlich genauso böse erscheinen wird wie für uns die Sklaverei.“
Nur Konfrontation mit Geschichte bringt uns voran
In La Libre Belgique vergleicht der Journalist Marco Gombacci den Sturz der Denkmäler mit der Zerstörung antiker Bauwerke durch IS-Kämpfer in Syrien und im Irak:
„Die Geschichtsrevision kann sich als gefährliches Unterfangen erweisen. … Um uns von den Barbaren des Islamischen Staats zu unterscheiden, deren vorrangiges Ziel darin bestand, sämtliche historischen Bauwerke zu zerstören, um eine neue Propagandaerzählung zu beginnen, müssen wir uns in Erinnerung rufen, wie wichtig es ist, die Geschichte und das, was sie abbildet, nicht auszulöschen, sondern sie zu bewahren und tiefgehend zu untersuchen. Das ist der einzige Weg, um uns unserer Vergangenheit ohne ideologische oder gar obskurantistische Debatten zu stellen.“
Keine Macht dem Mob
Dass die Polizei die wütende Menge gewähren ließ und viele gesellschaftliche Vertreter danach Verständnis signalisierten, empört The Times:
„Edward Colston tat als Sklavenhändler Schreckliches. Doch Vandalismus sowie rücksichtsloses Vorgehen sind unentschuldbar und kriminell. Sie sollten von der Polizei unterbunden und nicht gerechtfertigt werden. Die Zerstörung der Colston-Statue ist der neueste Auswuchs einer Kampagne, die darauf abzielt, die Denkmäler aller Personen niederzureißen, die sie als Vertreter des weißen Rassismus erachtet. Anstatt sich diesem Mobbing zu widersetzen, geben die meisten Vertreter von Universitäten und Kultureinrichtungen dieser Zensur der Kulturgeschichte ihren Segen. Das wiederum ist die logische Folge der jahrzehntelangen bewussten Zerstörung eines Bildungssystems, das kulturelle Werte über Generationen zu erhalten versucht.“
Sklavenhändler liegt jetzt am richtigen Ort
Der Tagesspiegel unterstützt die Aktion:
„Die meisten Briten wurden ... erst jetzt auf Colston aufmerksam. Der Sklavenhandel spielt schließlich - und das ändert sich jetzt erst langsam - kaum eine Rolle in der britischen Selbstwahrnehmung. Die Sklavenhändler von einst werden eher als gütige Lokalgrößen und Wohltäter wahrgenommen. ... Insofern könnte der Abriss der Colston-Statue einen längst überfälligen Wendepunkt in der britischen Erinnerungskultur darstellen. Denn eigentlich stand die Statue nicht für Erinnerung, sondern fürs Vergessen. Sie stand für das Verschweigen und die Relativierung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Jetzt liegt sie im Bristoler Hafen. Und das ist auch gut so.“
Statuen fallen schneller als Vorurteile
Der Anglistik-Professor Lieven Buysse zeigt in De Morgen Verständnis für den Sturz, warnt aber vor zu großen Erwartungen:
„Solche Aktionen sind ein Wake-up-Call für eine breite Bevölkerung, Symbole nicht einseitig zu betrachten. Aber wenn man diese Aktionen vor allen Dingen als Angriff auf die (überwiegend weiße) britische Identität erfährt, bestätigt man nur die Vorurteile, die man bekämpft. Symbole müssen in Frage gestellt werden, aber wir müssen damit rechnen, dass langfristig die Kraft der Überzeugung mehr bringt als brutale Gewalt. Und vor allem: Ein Kampf um Symbole ist für Politiker oft eine Ausrede, um das echte Problem, Rassismus und sozial-wirtschaftliche Benachteiligung, nicht ernst zu nehmen.“