EU verhängt neue Türkei-Sanktionen
Die EU hat bei ihrem Gipfel am Donnerstag neue Sanktionen gegen die Türkei beschlossen. Der Grund sind die nicht genehmigten türkischen Erdgaserkundungen vor Zypern. Daran beteiligte Personen und Unternehmen müssen mit Einreiseverboten und Vermögenssperren rechnen. Auf Sanktionen gegen ganze Wirtschaftszweige verzichtete die EU. Kommentatoren sehen die Türkei mit einem blauen Auge davongekommen.
Brüssel kann nicht ohne Ankara
Die EU tut gut daran, es sich nicht mit der Türkei zu verscherzen, findet die regierungstreue Daily Sabah:
„Unabhängig von seinem EU-Mitgliedsstatus gehört Ankara zu den Akteuren, die die Zukunft Europas gestalten werden. Ein kurzer Blick auf die Probleme der ungeregelten Migration und der Islamophobie allein zeigt, dass es unpraktikabel ist, die Türkei von Europa auszuschließen - ganz abgesehen von den bestehenden und potenziellen Krisen auf dem Balkan, in Osteuropa oder in Nordafrika. Bedenken Sie auch, dass Europa ohne den Beitrag der Türkei wohl auch die europäischen Muslime nicht in den Griff bekommen wird. Ideologisch aufgeladene Kampagnen können den Ankara-Faktor nicht aus dem Weg schaffen.“
Positiver Druck wäre wirksamer
To Vima sieht die EU derzeit nicht in der Lage, effektive Sanktionen gegen die Türkei zu ergreifen, und fordert einen Kurswechsel:
„Wenn die europäischen Regierungen nicht stets vor den Wahlerfolgen der extremen Rechten Angst hätten und eine rationalere Einwanderungspolitik verfolgen würden, könnte die Türkei sie nicht mehr mit der Flüchtlingsfrage erpressen. Und dann wäre es für die europäischen Regierungen viel einfacher, die Möglichkeit realer Sanktionen in Betracht zu ziehen. Und wenn die europäischen Regierungen eher eine echte als eine Scheindebatte über eine europäische Perspektive [für die Türkei] führen würden - wenn schon kein künftiger Beitritt, dann verbesserte Beziehungen -, dann könnten sie auch den notwendigen 'positiven' Druck auf die Türkei ausüben, damit diese ihre Haltung ändert.“
Warum Zypern den Ball flach hält
Nach den schlechten Erfahrungen der letzten Sanktionsforderungen tritt Nikosia diesmal leiser auf, beobachtet Cyprus Mail:
„Die Regierung scheint ihre Begeisterung für Sanktionen verloren zu haben. Außenminister Nikos Christodoulidis, ihr größter Verfechter vor einigen Monaten, räumte kürzlich ein, dass sie kein Selbstzweck seien. Liegt das daran, dass die Regierung sich das letzte Mal die Finger verbrannt hat, als sie die Sanktionsrhetorik verschärfte und nichts lieferte? ... Eine andere Erklärung ist, dass sie möglicherweise erkannt hat, dass Zypern von einigen weiteren Namen auf der Sanktionsliste keinen praktischen Gewinn hat. Im Gegenteil, dies könnte die Wiederaufnahme der Zypern-Gespräche erschweren. ... Zumindest dieses Mal hat Präsident Anastasiadis es vermieden, Erwartungen zu wecken und Versprechungen zu machen, die er nicht halten kann.“
Offensiv verhandeln statt poltern
Ex-Diplomat Oğuz Demiralp empfiehlt der Türkei auf T24 eine neue Strategie:
„Wir konnten unser Problem bisher irgendwie nicht erklären. Wir können sofort die Gegenseite beschuldigen, dass sie uns ohnehin nicht verstehen wolle, aber wir sollten zumindest einmal vor der eigenen Türe kehren, bevor wir die anderen angreifen. Die Politik der Muskelschau mag in der Innenpolitik gewinnbringend sein, aber in internationalen Beziehungen schlägt sie fehl. Stattdessen ist eine diplomatische Offensive erforderlich. Erklären. Vorschläge unterbreiten. Versuchen, Freunde zu gewinnen. ... Zum Beispiel kann mich niemand von der griechischen These überzeugen, dass die zehn Quadratkilometer große Insel Meis [Kastellorizo] eine ausschließliche Wirtschaftszone von 40.000 Quadratkilometern hat und dass dies internationales Recht sei.“
Keinen Schritt zurück!
Athen und Nikosia müssen ihre Ansprüche diesmal knallhart verteidigen, betont Phileleftheros:
„Dazu haben sie das Recht und die Pflicht. Denn sie haben noch nie Einwände gegen die Verbesserung der Beziehungen der Türkei zur EU erhoben, sondern dies im Gegenteil blind unterstützt. Jetzt dürfen sie aber nicht ohne Einspruch beispielsweise dem Wunsch der deutschen Präsidentschaft zustimmen, die Aufwertung der Zollunion und die Erleichterung des Handels zwischen der EU und der Türkei (was auch in den Entscheidungen vom Oktober die Frage war) zu fördern, ohne darauf zu bestehen, dass dies nur möglich ist, wenn die Türkei den bestehenden Zollunion-Vertrag mit allen Mitgliedstaaten und insbesondere mit der seit 2005 anhängigen Republik Zypern umsetzt.“
Klare Worte sind nötig
Die EU-Regierungschefs müssen sich der Türkei gegenüber eindeutig positionieren, fordert die Süddeutsche Zeitung:
„Das heißt nicht, dass die Maximalpositionen der Griechen und Zyprioten im Streit um die Grenzen im Mittelmeer von der EU gebilligt werden müssten. Aber die Lösung muss diplomatisch verhandelt oder vor Gericht geklärt werden. Sie durch Kanonenboot-Politik entscheiden zu wollen, ist inakzeptabel. Wenn die EU von den Türken ernst genommen werden will, muss sie Ernst machen. Ja, Europa braucht die Türkei. Aber die Türkei braucht auch Europa. Bald hat in den USA ein neuer Präsident das Sagen, vieles ist strittig zwischen Washington und Ankara. Da könnte Erdoğan ein paar Freunde in Europa brauchen.“