Was bedeutet Laschets CDU-Vorsitz für Europa?
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet übernimmt die Führung der CDU. Auf dem digitalen Parteitag am Samstag setzte er sich in einer Stichwahl gegen Friedrich Merz durch, der als deutlich konservativer gilt. Kommentatoren fragen sich, was die Wahl für Europa bedeutet und wie die Kernklientel der CDU sie bewertet.
Am besten wird er auch gleich Kanzler
Armin Laschet wird hoffentlich auch als Kanzlerkandidat nominiert, wünscht sich Financial Times:
„Die CDU, Deutschland und in der Tat auch Europa sind ohne Merz als politischen Führer besser dran. Seine wirtschaftlichen und sozialen Ansichten sind rückschrittlich. Im Großen und Ganzen ist er zwar proeuropäisch. Doch ein von Merz geführter Wahlkampf, der auf strenge finanz- und geldpolitische Prinzipien setzt, um die Wähler der euroskeptischen nationalistischen AfD zurückzugewinnen, hätte nichts Gutes bedeutet. Der frankophile Armin Laschet hingegen würde Angela Merkels vorsichtig proeuropäischen Kurs fortsetzen und möglicherweise das angespannte deutsch-französische Verhältnis wiederbeleben.“
Die ruhige Hand am Steuer
Bei Jyllands-Posten findet die Wahl volle Zustimmung:
„Selbst wenn die CDU weiterhin Deutschlands größte Partei ist, ist sie nur ein schwacher Abglanz ihrer früheren Stärke. Verschleiert wird das durch den Niedergang der anderen klassischen Volkspartei, der SPD. Die Grünen hingegen legen zu. Mit Laschet als Vorsitzendem ist eine Koalition mit den Grünen durchaus wahrscheinlich. Das wäre ein Novum in der deutschen Politik. Für Dänemark ist es entscheidend, dass der große Nachbar Deutschland sich eindeutig zur verpflichtenden internationalen Zusammenarbeit bekennt. Eine ruhige Hand am Steuerrad in Berlin ist die erste Voraussetzung dafür, dass Europa den vielen Herausforderungen begegnen kann, die auch Dänemarks sind. Es gibt also guten Grund, Armin Laschet willkommen zu heißen.“
Pragmatisch und berechenbar
Dass in Deutschland politische und wirtschaftliche Stabilität selbstverständlich ist, sollte auch Ungarn zu schätzen wissen, meint Magyar Nemzet:
„Abgesehen von dem großen Fehler, den Deutschland 2015 in der Migrationskrise gemacht hat, trifft Deutschland keine voreiligen Entscheidungen. Deutschland ist Meister der Kompromisssuche und der pragmatischen Beziehungen. Wenn man den Analysen der deutschen Presse über Laschet Glauben schenkt, wird jetzt eine Ära Merkel ohne Merkel folgen, die weiterhin von kühlem Pragmatismus, Berechenbarkeit und Unaufgeregtheit geprägt ist. Aus ungarischer Sicht könnte es viel schlimmer sein. Bisher führten ja die kleineren Konflikte in der Beziehung zwischen Ungarn und Deutschland nie zu einer Eskalation, da diese niemand wollte, nicht einmal die häufig kritisierte Angela Merkel.“
Nicht nur Merkel kopieren
Armin Laschet muss mit einem eigenen Profil aus dem Schatten der Kanzlerin heraustreten, meint Denik N:
„Laschets Wahl bedeutet keinen Neustart, sondern eine Fortsetzung dessen, was Merkel begonnen hat: die CDU als Partei der Mitte. ... Kein Konfrontationskurs, sondern ein Kurs, der Themen konkurrierender Parteien in das eigene Programm integriert. ... Laschets Wahl hat gezeigt, dass es nicht ausreichend Konservative in der CDU gibt, die den Merkelismus abstreifen wollen. ... Mit einer bloßen Nachahmung des Stils der Kanzlerin wird Laschet aber sicher scheitern. Er muss jetzt zeigen, was ihn einzigartig macht.“
Die Kernklientel nicht vergrätzen
Die Neue Zürcher Zeitung sieht eine weiterhin gespaltene Partei:
„Schon jetzt macht sich ein enttäuschtes, stellenweise giftiges Grummeln im bisherigen Merz-Lager breit. ... Wohin aber werden sich die 47 Prozent Merzianer wenden? ... Die Partei ist abermals in zwei fast gleich grosse Lager gespalten wie schon 2019 - und diese faktische Pattsituation trug dazu bei, dass Kramp-Karrenbauers Amtszeit von Anfang an unter keinem guten Stern stand. ... Kann Laschet die programmatischen Lücken einer zeitgeistig gewendeten CDU schliessen? Hat er ein Angebot für die Konservativen ... im Köcher? Er wäre klug beraten, die konservative Kernklientel, anders als Angela Merkel, nicht dauerhaft zu vergrätzen.“