Wie fällt Merkels Europa-Bilanz aus?
Kommentatoren aus Griechenland, Portugal und Tschechien nehmen die Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet zum Anlass für einen Ausblick auf Deutschland und Europa nach Angela Merkel. Ihr Fazit der 16-jährigen Amtszeit der Kanzlerin könnte kaum unterschiedlicher sein.
Wir werden sie noch vermissen
Mit Armin Laschet als CDU-Chef könnte das Verhältnis Deutschlands zu seinen östlichen Nachbarn künftig weniger eng sein, fürchtet Deník:
„Angela Merkel war immer ein bisschen 'unsere Kanzlerin'. ... Sie hatte immer ein gewisses Verständnis dafür, wer wir sind und was und warum hier etwas passiert, wie es passiert. Merkel war nun mal eine Ostdeutsche und für einen Großteil ihres Lebens teilte sie mit uns das Schicksal der Bürger des sozialistischen Blocks, das Westeuropäern schwer zu erklären ist. Laschet hat seine Wurzeln in Aachen. Die Stadt, in der sich die prächtige Krönungskathedrale Karls des Großen befindet, ist wahrscheinlich die am weitesten von Tschechien entfernte Stadt Deutschlands. Laschets Sicht auf unser Land, unser Ostmitteleuropa, wird die eines Westeuropäers, eines Westdeutschen sein.“
Auch sie hatte ihre Skandale und Schwächen
So rosig, wie die vielen Merkel-Würdigungen es erscheinen lassen, sieht ihre Bilanz für Naftemporiki nicht aus:
„Trotz des internationalen Lobs für ihre europäischen 'Erfolge' gab es die Skandale wie das 'Dieselgate' oder der Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters Wirecard. Ganz zu schweigen von der Bewältigung der Griechenlandkrise. Und was soziale Ungleichheiten [in Deutschland] betrifft: Diese weiteten sich aus, wobei ein Prozent der Erwerbstätigen fast 50 Prozent [des gesamten Nationaleinkommens] verdienen und mehr als 20 Prozent der Beschäftigten weniger als zwei Drittel des Durchschnittseinkommens. 15,8 Prozent der Bevölkerung (etwa 13 Millionen Menschen) leben an oder unter der Armutsgrenze, verglichen mit 14,4 Prozent im Jahr 2008. “
Eine bessere EU ohne Merkel
Die Kanzlerin hat viel zu sehr an Deutschland und zu wenig an Europa als Gemeinschaft gedacht, kritisiert Diário de Notícias:
„Merkels Einmischung in andere europäische Länder und ihre Haushalte, insbesondere im Süden, war völlig inakzeptabel. Sie war eine falsche Freundin für Portugal, im deutlichen Gegensatz zur selbstlosen Hilfe von Willy Brandt und Helmut Schmidt in den Anfängen unserer Demokratie. ... Ohne Merkel könnte die EU einheitlicher, demokratischer und solidarischer werden und das Ideal ihres Gründers Jean Monnet erfüllen. Der alte Kontinent, der vom Führungswechsel in den USA profitieren könnte, sollte immer die Alternative zur Hegemonie der Supermächte sein. Auch Deutschland muss das Recht anderer Völker auf ihre Souveränität respektieren. Dies erwarten wir von Merkels Nachfolger, wer auch immer es wird.“