Kompromiss in Canberra: Punktsieg für Facebook?
Nach mehrtägigen Gesprächen haben die australische Regierung und Facebook ihren Streit über das geplante Mediengesetz vorerst beigelegt. Dieses wird abgeändert, so dass der Tech-Riese künftige Zahlungen für journalistische Inhalte direkt mit den australischen Medienhäusern klären kann. Gelingt dies nicht, setzt die Regierung einen Vermittler ein. Facebook will seine Blockade von Inhalten und Seiten nun wieder aufheben.
Das war nur der Probelauf
Nicht nur Facebook hat sich ein Kräftemessen mit Canberra geliefert, sondern auch Peking: Es verhängte Strafzölle gegen Australien, weil es Huawei vom Aufbau des 5G-Netzes ausschloss. Le Point zeigt sich besorgt:
„Diese doppelte Erpressung gegen einen souveränen Staat veranschaulicht die neue geopolitische Lage des 21. Jahrhunderts: Eine Welt, in der die Kommunistische Partei Chinas und die US-Internetriesen versuchen, die Regeln des internationalen Spiels zu ihren Gunsten neu zu schreiben. … Dies erfordert, dass die Europäer näher zusammenrücken und eigenständig handeln – was ihnen oft schwerfällt. Dass sie es nicht für notwendig gehalten haben, Australien in der jüngsten Zwangslage die Hand zu reichen, ist kein ermutigendes Zeichen. Für China wie für Facebook war der Fall Australien wahrscheinlich nur ein Probelauf.“
Streit auch zwischen Tech-Giganten
Contributors sieht Facebook schon vor dem nächsten Problem:
„Es geht aktuell nur um eine Episode in einem großen globalen Streit, der eine enorme Bedeutung nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene hat, sondern auch, was die Meinungsfreiheit betrifft, die Zukunft des Journalismus, die Demokratie als Gesellschaftsmodell und die geopolitischen Entwicklungen. Die Gemengelage ist kompliziert, das zeigt sich auch in Streitigkeiten innerhalb von Big Tech. ... Apple-CEO Tim Cook hat angekündigt, dass mit dem Iphone 13 Anwendungen ausgeschlossen werden könnten, die die persönlichen Daten von Nutzern als wesentliches Geschäftsmodell haben. Das würde heißen, dass Facebook, Instagram, WhatsApp und ähnliche Apps außen vor wären. ... Die Frage in diesem Kampf ist nun, ob Facebook das Iphone mehr braucht oder umgekehrt.“
Zementierung des Status quo
Der Kompromiss macht die Medienhäuser noch abhängiger von Facebooks Almosen, meint die Neue Zürcher Zeitung:
„Das Verhalten der Tech-Firmen im Vorfeld dieses Gesetzes zeigt, dass sie Monopolisten sind. Welches Unternehmen kann schon ein ganzes Land in Aufruhr versetzen? ... Trotzdem liegt falsch, wer das australische Gesetz als Vorbild für Europa sieht oder gar als Lösung für das Problem der Finanzierung von Qualitätsjournalismus feiert. ... Mit dem Gesetz baut die australische Regierung letztlich auf Zuwendungen von Plattformen an Verlage. Das zementiert deren Geschäftsbeziehung und stärkt die Abhängigkeit der Medienhäuser von den Tech-Riesen. Medienhäuser aber sollten versuchen, sich von den Plattformen mehr und mehr zu emanzipieren und Kunden auf eigenen Apps anzusprechen.“
Zeit für eine Freundschaftsanfrage
Das Einlenken in Australien entlässt Facebook nicht aus seiner Verantwortung, findet The Times:
„Weltweit stehen Social-Media-Unternehmen auf verschiedene Weise vor einer neuen Ära der Regulierung. Eine faire Vergütung für Nachrichten-Inhalte zu garantieren, sollte ein wesentlicher Teil der künftigen Unternehmens-Philosophie sein. Google, Facebooks Hauptkonkurrent, hat kürzlich Verträge mit einer Vielzahl von Nachrichten-Anbietern, unter ihnen auch News Corporation, Eigentümer von The Times, abgeschlossen. Facebook sollte alles daran setzen, schnell zu folgen. Eine liberale Demokratie erfordert eine blühende Vielzahl lokaler, nationaler und globaler Medieninhalte. Deshalb ist es an der Zeit, dass Facebook zum Freund traditioneller Medien wird, nicht zum Feind.“
Früher oder später Opfer ihrer Gier
Google und Facebook haben in Australien einen Pyrrhussieg davongetragen, meint Jutarnji list:
„Sie haben eine Abmilderung des Gesetzes erkämpft, das sie viel gekostet hätte, doch damit haben sie nur die Zielscheibe vergrößert, die die EU und die USA schon lange im Blick haben. ... Facebook und Google werden früher oder später zu Opfern ihrer eigenen Gier. Entweder werden sie die demokratische Gesellschaft dermaßen erodieren, dass sie verboten oder nationalisiert werden, oder die Kartellbehörden der USA und EU werden sie buchstäblich in ihre Einzelteile zerlegen. Langfristig hat keine dieser Firmen Grund, positiv in die Zukunft zu blicken - doch nur ein Szenario ist auch für die Normalbürger günstig.“