Nach Corona Steuern hoch: Weist London den Weg?
Schatzkanzler Rishi Sunak hat erklärt, wie Großbritannien den Ausweg aus der Corona-Krise und den Schuldenabbau bewerkstelligen will. Kurzfristig soll es weitere Hilfsmaßnahmen in Höhe von 65 Milliarden Pfund (gut 75 Milliarden Euro) geben. Ab April 2023 sollen Unternehmensgewinne mit 25 statt 19 Prozent besteuert werden. Kommentatoren schenken den Plänen viel Beachtung, zumal sie für viele eine Kehrtwende markieren.
Eine Aufgabe für Jahrzehnte
Wie Großbritannien den Corona-Schuldenberg abbauen will, findet die NZZ vorbildlich:
„Grossbritannien wird als erstes grosses Industrieland die Unternehmenssteuer anheben … . Viele Regierungen werden bald vor der Frage stehen, welche Belastungen sie den Bürgern wie schnell zumuten. Die Corona-Programme und die Steuerausfälle durch die Lockdowns haben die Staatsschulden explodieren lassen. … Aber wie Gegensteuer geben, ohne kurzfristig die Wirtschaftserholung abzuwürgen? Sunak handelt zugleich vorsichtig und bestimmt. … Die Rückzahlung der Corona-Schulden werde eine 'Arbeit für viele Regierungen, über viele Dekaden' sein, so Sunak. Falls sie jemals gelingt, möchte man anfügen.“
Paradigmenwechsel bei den Tories
Die Konservativen verabschieden sich von Prinzipien, die seit der Thatcher-Ära galten, analysiert Financial Times:
„Durch die Verlängerung der relativ großzügigen Covid-19-Hilfsmaßnahmen bis September - lange nach der geplanten Wiedereröffnung der Wirtschaft - vermied der Schatzkanzler einen allzu abrupten Kurswechsel. Es scheint das augustinische Motto zu gelten: 'Herr, gib mir Keuschheit und Enthaltsamkeit, aber jetzt noch nicht.' Denn die Regierung gibt jetzt viel aus und besteuert später. Damit wollen die Konservativen behutsam wieder in Richtung ausgeglichene Staatsfinanzen steuern. Weil ein Großteil der Steuerbelastung auf Großunternehmen entfällt, wird die Vision eines Niedrigsteuerlandes nach dem Brexit zu Grabe getragen. Das signalisiert auch einen Wandel der konservativen Orthodoxie, wie sie seit der Thatcher-Ära herrschte.“
Nordirlands Unionisten in der Zwickmühle
Londons Kehrtwende stellt pro-britische Politiker in Nordirland vor eine schwierige Entscheidung, analysiert RTE News:
„Seit mehreren Jahren drängt die nordirische Regionalregierung auf eine Ausnahmeregelung, die es ihr erlauben würde, den Körperschaftssteuersatz näher an jenen in der Republik Irland heranzuführen, der bei 12,5 Prozent liegt. Für diese Strategie gab es parteiübergreifend Unterstützung. ... Die unionistischen Parteien werden sich nun entscheiden müssen: Wollen sie die anvisierten 25-Prozent-Steuersätze des britischen Systems? Oder sagen sie, wir müssen uns im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit bei der Körperschaftssteuer an die Republik Irland anpassen?“
Hochgefährliche Scheuklappenpolitik
Der IWF warnt vor sozialen Unruhen nach der Pandemie. Doch praktisch scheint dieses Risiko weder ihn selbst noch die Regierungen zu kümmern, kritisiert Mediapart:
„Es ist kein Geheimnis: Dem Schuldenabbau Vorrang einräumen bedeutet entweder, die Sozialleistungen zu reduzieren, oder die Angebotspolitik zu Gunsten des Kapitals und zu Lasten der Beschäftigung auszubauen, oder beides. Der IWF scheint ebenso wie die Regierungen die letztgenannte Option gewählt zu haben. Die Lage ist hochexplosiv. In seinen Forschungspapieren warnt der IWF vor dem sozialen Risiko, in der Praxis fördert er eine Politik, die dieses Risiko vergrößert. Dies veranschaulicht ein entscheidendes Charakteristikum unserer Zeit: Der Neoliberalismus steckt in der Krise, bleibt aber die dominierende Referenz der Elite.“