Hardliner-Kabinett in Kabul: Befürchtungen werden wahr
Entgegen ihrer Versprechen haben die Taliban die Übergangsregierung in Afghanistan ausschließlich mit Personen aus den eigenen Reihen besetzt. Sicherheitsrelevante Ressorts gingen an extrem dschihadorientierte Taliban, der Innenminister ist ein gesuchter Terrorist. Die große Besorgnis der Weltöffentlichkeit spiegelt sich in den Kommentarspalten.
Auf Konfrontationskurs mit der eigenen Bevölkerung
Die Hardliner haben sich einmal mehr durchgesetzt, analysiert die Neue Zürcher Zeitung:
„In allen wichtigen staatlichen Positionen sitzen künftig bärtige Männer mit Turban. ... Das Signal nach aussen ist eindeutig: Die Sieger des Krieges wollen eigenmächtig herrschen, die Besiegten sollen nichts mitzureden haben. Entgegen ersten Versprechen wurden keine anderen politischen Kräfte eingebunden. ... In der neuen Regierung wird auch keine einzige Frau mehr sitzen. ... Mit ihrem neuen Mullah-Regime senden die Taliban ein verheerendes Signal aus. Sie tun sich aber auch selbst keinen Gefallen mit einer Regierung, die weite Teile der Bevölkerung ausschliesst und extremen Elementen enorme Macht verleiht. Ohne Legitimität im Volk wird es für sie längerfristig schwierig zu regieren.“
Wieder enge Bande mit Al-Qaida
Thejournal.ie lenkt den Fokus darauf, dass der Posten des Innenministers mit Siradschuddin Haqqani besetzt wurde, Gründer einer Terrorgruppe, die für etliche Anschläge verantwortlich sein soll:
„Beim Haqqani-Netzwerk handelt es sich um eine extremistische islamistische Organisation, die mit Al-Qaida in Afghanistan verbunden ist. Darüber hinaus unterhält die Gruppe Bande mit Al-Qaida-Netzwerken in der gesamten Sahelzone in Afrika und unterstützt diese. ... Die zentrale Stellung und Bedeutung des Haqqani-Netzwerks - und seiner Al-Qaida-Mitglieder - im Zentrum der Taliban-Führung in Kabul sind für Verteidigungs- und Geheimdienstkreise weltweit Anlass zu großer Sorge.“
Keine Stabilität in Sicht
Diese Kabinettsliste verheißt für die Zukunft nichts Gutes, befürchtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Die Dominanz der Paschtunen wird den anderen Volksgruppen nicht gefallen, was dem Widerstand Zulauf bescheren könnte. Und eine Regierung, die sagt, sie suche noch qualifiziertes Personal, ist keine gute Voraussetzung, um Staat und Wirtschaft nach dem jähen Umsturz am Laufen zu halten. Afghanistan wird auf absehbare Zeit humanitäre Hilfe benötigen. Die sollte man dem Land nicht verweigern, damit nicht noch mehr seiner bemitleidenswerten Einwohner die Flucht ergreifen.“
Die Gästeliste steht schon
Damit, wie die globalen Player der Übergangsregierung gegenüberstehen, beschäftigt sich Habertürk:
„Es dürfte für die Regierung nicht leicht werden, eine breite internationale Anerkennung zu finden. Länder wie die USA, Großbritannien oder Kanada erklären, dass sie 'nichts überstürzen und die Lage beobachten' werden. Unterdessen heißt es, China, Russland, Iran, Pakistan, Katar und die Türkei würden zur Einführungszeremonie der neuen Regierung eingeladen. Sollte das stimmen, kann man es als Zeichen sehen, dass sie damit sowohl den Widerstand und die Vorurteile des Westens brechen wollen, als auch zuerst mit diesen Ländern kooperieren.“