Wer rettet Europas Bürger vor der Rekordinflation?
In Europa und weltweit erreicht die Inflation gegenwärtig die höchsten Werte seit Jahrzehnten. In der Eurozone liegt sie derzeit bei 4,9 Prozent, in Russland bei 8,4 und in der Türkei bei 21. Den Verbrauchern machen dabei vor allem die hohen Energiekosten und teuren Lebensmittel zu schaffen. Vonseiten der Politik können die Bürger in vielen Ländern aber kaum Hilfe erwarten, stellen Kommentatoren fest.
Die Eliten juckt das nicht
Die führenden Kreise in Russland haben schon ganz andere Krisen hinter sich, erklärt Nowaja Gaseta:
„In den 1990ern haben Direktoren ex-sowjetischer Werke die Preislisten jeden Tag korrigiert - und nichts Schlimmes ist passiert. Keine 'Wirtschaftskrise' kann die heutigen Entscheidungsträger in der Wirtschaft erschrecken: Während der 'Krisen-90er', den 'feisten Nullerjahren' und den 'kriegerischen 2010ern' haben diese Leute finanziell keine Federn gelassen. Sie haben sich damals bereichert, irre Karrieren gemacht und keine Krise hat ihren Wohlstand geschmälert. Sie scheffeln auch jetzt üppig Geld. Deshalb kümmert es sie auch nicht, wenn im Supermarkt alles doppelt so viel kostet: 'Kein Weißkohl? Dann sollen die Leute halt Avocado essen.'“
Stille Nacht, teure Nacht
In Polen hat die Inflation indirekt auch Einfluss auf die Pandemiebekämpfung, ist Polityka überzeugt:
„Aufgrund der galoppierenden Inflation steht uns das teuerste Weihnachtsfest seit Jahren bevor. Am Weihnachtstisch sollten wir uns also ein gesundes, normales und auch billigeres neues Jahr wünschen. Aber nichts deutet darauf hin, dass Letzteres der Fall sein wird. ... Die Inflation trifft die Geringverdiener am stärksten. Und das sind die Wähler der Partei Recht und Gerechtigkeit [PiS], von denen die meisten im östlichen Teil des Landes leben, wo gleichzeitig die Impfkampagne auf großen Widerstand stößt. Um die dortige Wählerschaft nicht noch mehr zu verärgern, verzichtete die Regierungspartei auf die Einführung von Einschränkungen für Ungeimpfte.“
Erdoğan könnte Krise wieder instrumentalisieren
Ein juristischer Berater Erdoğans hat getwittert, angesichts des Wertverlustes der türkischen Lira müsse man sich auf einen erneuten Ausnahmezustand gefasst machen. Yetkin Report warnt:
„Der Mythos, dass Erdoğan zu keiner Wahl antritt, die er verlieren würde, wurde bei der Wiederholung der Wahlen 2019 in Istanbul zerstört. Daher wird diskutiert, ob er nach Wegen suchen wird, die Wahlen zu umgehen. Unter diesen Umständen sorgte der Tweet von Özgenç, einem Mitglied von Erdoğans Stab, für Aufruhr. Die Verantwortung dafür liegt nicht bei denen, die beunruhigende Szenarien über die Türkei entwerfen, sondern bei denen, die dafür sorgen, dass solche Szenarien überhaupt entstehen können und die dabei sind, die demokratische Ordnung in der Türkei bald auch auf dem Papier verschwinden zu lassen.“
Zentralbank in der Zwickmühle
Die Inflation ist nicht das Ergebnis der expansiven Geldpolitik der EZB, betont Expresso:
„Das hat mit anderen Faktoren zu tun, wie Energiepreisen, Logistikketten, Arbeitskräftemangel oder auch damit, dass die Datengrundlage im Vergleich zu den Monaten der Pandemie steht. Die EZB könnte versucht sein, Maßnahmen anzukündigen, um die Erwartungen zu bremsen und sicherzustellen, dass eine Inflation von 'unter, aber nahe zwei Prozent' eine glaubwürdige Verpflichtung darstellt. Es ist eine schwierige Entscheidung. ... Die EZB muss sich entscheiden, ob sie zu früh auf die Bremse tritt, was Folgen für die Erholung der Wirtschaft hat und keine Garantie für einen Erfolg an der Inflationsfront bietet, oder ob sie nichts tut und riskiert, dass die Inflation außer Kontrolle gerät.“