Wen treffen die Sanktionen gegen Russland?
Die Strafmaßnahmen gegen Russland schneiden die Menschen im Land nicht nur vom Zugang zu westlichen Produkten ab, sondern teilweise auch zu Bildung und kulturellem Austausch. Viele kritisch denkende Russen haben Probleme, ihre Ausreise zu organisieren. Ob das im Sinne der beschlossenen Sanktionen ist, kommentiert die Presse.
Kreml bestrafen, nicht Russland
Der Spiegel fordert bei den Sanktionen mehr Trennschärfe:
„Ein ganzes Land, so wirkt es manchmal, wird für die Verbrechen seines Präsidenten und seiner Eliten in Haftung genommen. Das ist nicht nur moralisch problematisch, sondern auch strategisch: Es schwächt gerade jene prodemokratischen Kräfte in Russland, auf die es in den kommenden Monaten und Jahren besonders ankommen wird. ... Es muss darum gehen, Putin und sein Regime zu bestrafen, nicht das ganze Land. Hilfreich wäre es deshalb, endlich Rohstoffgeschäfte mit dem Kreml zu unterbinden, was noch immer nicht geschehen ist. Durch die gestiegenen Öl- und Gaspreise verdient Putin paradoxerweise nach wie vor an seinem Krieg. Weniger hilfreich ist es, wenn Visa und Mastercard die Bürgerinnen und Bürger in Russland abstrafen, indem sie ihre Dienste einstellen.“
Ein Lichtblick sollte bleiben
Estnische Universitäten sollten weiterhin Studenten aus Russland und Belarus aufnehmen, findet Eesti Päevaleht:
„Viele Esten erinnern sich noch daran, wie wichtig die Kontakte zur freien Welt unter der Sowjetokkupation waren. Sie gaben Hoffnung und haben der Sowjetisierung entgegengewirkt. Estnische Unis sollten fallspezifisch vorgehen. Es gibt russische Jugendliche, die aus ihrer Heimat fliehen können sollten, die zunehmend an Nordkorea erinnert. Und es gibt Opportunisten, die einfach im Ausland dem Militärdienst ausweichen wollen und wohl auch solche, die von russischen Geheimdiensten zum Spionieren geschickt werden. Estland sollte versuchen für Russen und Belarusen - soweit es die Sicherheit erlaubt - eine wünschenswerte freie Welt zu bleiben.“
Näher an Nordkorea als an der Freiheit
El País deutet das Verschwinden von McDonald's & Co als ersten Schritt in ein unfreies, dunkles Russland:
„Wenn in diesen Tagen Unternehmen wie McDonald's, Starbucks, Coca-Cola oder Pepsi in die Fußstapfen von vielen anderen Flaggschiffen des Kapitalismus treten, die gehen, löschen wir nicht ein Symbol einer wilden und gescheiterten Öffnung aus, sondern schlagen Alarm für eine Zeit, die für die gewöhnlichen Babuschkas wieder einmal dunkel sein wird. ... Russland steht am Rande des Bankrotts, und anders als 1990, als die Sowjetrussen in jedem Winkel des Landes für Unabhängigkeit und Demokratie demonstrierten, sind sie heute unterdrückt, eingesperrt, uninformiert und betäubt. Näher an Nordkorea als an der Freiheit.“
Putin bleibt nur die Schmoll-Ecke
Jenseits des militärischen Aspekts sieht Nowaja Gaseta Russland am Boden zerstört:
„Putin-Russland hat an der wirtschaftlichen, finanziellen, technologischen und Informationsfront bereits eine Niederlage eingesteckt. ... Weniger greifbar, aber bedeutender ist, dass Russland und sein Anführer einen harten und wohl endlosen moralischen Knockout erlitten haben: völlige Isolation von der freien Welt, 'Schurkenstaat' und dergleichen - Null Sympathien und Null Vertrauen ... Die Staatsmacht wird das Volk weiter anheizen, einen abgrundtiefen Groll auf den verfluchten Westen schüren und Komplexe stärken. Zum Hauptreizfaktor werden die Erfolge und das Aufblühen des unbezwungenen Nachbarn Ukraine.“