Energiearmut verhindern, aber wie?
Der Krieg in der Ukraine lässt die Energiepreise weltweit deutlich steigen. Auch deswegen strebt Europa eine möglichst schnelle Unabhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen an. Kurzfristig versuchen Regierungen zudem Strategien zu entwickeln, um die Preissteigerungen abzufedern und der Verarmung der Bevölkerung entgegenzuwirken. Europas Presse debattiert über die unterschiedlichen Ansätze.
Gezielte Unterstützung statt Tankrabatt
Die Süddeutsche Zeitung hält gar nichts von der vom deutschen Bundesfinanzminister Lindner vorgeschlagenen Deckelung der Benzinpreise:
„[M]al abgesehen davon, dass das milliardenschwere Löcher in die Staatskasse reißen würde - wohin führt das? Wird der Staat künftig immer einspringen, wenn Spritpreise die Zwei-Euro-Marke knacken? Und was bedeutet das für andere Güter, die nun teurer werden? Strom, Wärme, Weizen, Semmeln: Es könnte sich in den nächsten Monaten allerhand Gelegenheit für den Staat bieten, explodierende Preise solcherart zu deckeln. ... Es mag politisch opportun sein, die Bürger an der Zapfsäule zu entlasten ... . Klüger aber wäre es, die Milliarden für diejenigen einzusetzen, die Hilfe am dringendsten brauchen.“
Liberalismus bremsen
Público fordert ein stärkeres Eingreifen des Staates, um den unkontrollierten Treibstoff-Markt auszubremsen:
„Wir brauchen Kraftstoffe wie die Luft zum Atmen. Nichts erinnert uns mehr als eine Krise wie diese daran, dass es noch keine Alternativen zu fossilen Brennstoffen gibt. Es ist einfacher, optimistisch zu sein und auf die großen Fortschritte bei grünen, alternativen oder erneuerbaren Energien zu setzen, wenn die Kraftstoffpreise stabil sind.... Möglicherweise stehen wir am Beginn eines breiten Inflationsschubs, einer Verschlimmerung der Situation derjenigen, die ausschließlich von ihrem Arbeitseinkommen leben, vor einem drastischen Rückgang ihrer Kaufkraft. Die Lage ist ernst. Wir können das Joch des ungebremsten Liberalismus nicht länger hinnehmen.“
Kniefall vor anderen Diktatoren vermeiden
Der britische Premierminister Boris Johnson versucht, Saudi-Arabien davon zu überzeugen, die Ölproduktion zu steigern. The Guardian sieht das kritisch:
„Wer soll als nächstes besänftigt werden, die 'Oligarchen' der Vereinigten Arabischen Emirate oder Nicolás Maduro, Herrscher des ölreichen Venezuelas? ... Der Krieg in der Ukraine wird enden und die Preise werden fallen, wie so oft zuvor. Es gibt keinen Grund, den Ölproduzenten die Chance einzuräumen, ihren Ruf in westlichen Hauptstädten aufzupolieren. ... Saudi-Arabien hat ein schreckliches Regime. Wenn Großbritannien Sanktionen als die richtige Antwort auf Putins Krieg betrachtet, sollte es die Kosten dafür tragen. Sich einem Diktator entgegenzustellen, darf nicht bedeuten, einem anderen entgegenzukommen.“
Arme Menschen brauchen mehr
Die niederländische Regierung hat ein Entlastungspaket von 2,8 Milliarden Euro beschlossen, das etwa 800 Euro Energiebeihilfen für Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen vorsieht. De Volkskrant erklärt, warum das nicht ausreicht:
„Der Regierung ist es noch immer nicht gelungen, ein Entlastungspaket zusammenzustellen für die Menschen, die es wirklich nötig haben. Der politische Wille, jeden ein wenig zu entschädigen, führt zu einer totalen Zersplitterung des Budgets und sorgt dafür, dass die Politik für die ärmsten Haushalte nicht ausreicht. Mit einmalig 800 Euro schaffen sie es nicht, durch das Jahr zu kommen. Politik heißt, in der Not Entscheidungen zu treffen.“