Hundert Tage Krieg und kein Ende in Sicht?
Seit dem 24. Februar 2022 führt Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kyjiw konnte bisher zwar verhindern, dass das Land komplett erobert wird, hat nun aber, inklusive der Gebiete seit 2014, die Kontrolle über rund ein Fünftel des Staatsgebiets verloren - trotz Waffen und Unterstützung aus dem Westen. Wenn der Krieg so weitergeht, sieht die Zukunft düster aus, fürchten Kommentatoren.
Putin versteht nur Waffengewalt
De Telegraaf klagt, dass Kyjiw nicht mit den nötigen Waffen ausgerüstet wird:
„Aus Angst vor Eskalation bekommt Selenskyj nicht die von ihm gewünschten Raketen mit großer Reichweite, obwohl er versprach, keine Ziele in Russland zu beschießen. Präsident Biden sagte inzwischen, dass er die Ukraine nicht unter Druck setzen wird, territoriale Konzessionen zu machen. Dennoch droht genau dieses Szenario, wenn die Ukraine nicht mit den Waffen ausgerüstet wird, die das Land braucht. Putin hört nicht auf und wird erst am Verhandlungstisch erscheinen, wenn die ukrainische Armee in die Lage versetzt wird, die russischen Truppen zu besiegen.“
Russland hat einen langen Atem
Göteborgs-Posten warnt davor, Russland zu unterschätzen:
„Russland blickt auf eine lange Geschichte des Durchhaltens zurück - schlechten Ausgangspositionen und militärischer Inkompetenz zum Trotz. ... Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass die Ukraine die Russen [im Donbas] in die Flucht schlagen kann, aber wahrscheinlicher ist langer Stillstand. … Die russische Wirtschaft und Armee völlig auszuschalten, ist keine realistische Alternative. Die Unterstützung für Putin ist in Russland weiterhin massiv. … Es braucht also entweder eine diplomatische Lösung, die sowohl für Russland als auch für die Ukraine akzeptabel ist - momentan eher unwahrscheinlich. Oder aber alle Beteiligten, einschließlich der westlichen Alliierten der Ukraine, müssen sich auf einen langen Krieg vorbereiten.“
Fake News als Kriegsmittel
La Vanguardia fürchtet, Moskaus Version der Dinge könnte sich durchsetzen:
„Die Staats- und Regierungschefs der EU wirken hilflos angesichts der konträren Effekte, die ihre harten Sanktionen gegen Russland zeitigen. So glauben viele Länder [dem russischen Narrativ], dass die Sanktionen die drohende Nahrungsmittelkrise verursachen, während sie tatsächlich dadurch entsteht, dass kein Getreide aus dem Kriegsgebiet exportiert werden kann. ... Der Westen muss daher aufpassen, dass seine Sanktionspolitik gegen Russland nicht zum Bumerang wird. ... Brüssel hat Recht, wenn es seine eigene Strategie ausarbeitet, denn in der EU oder den USA ist man davon überzeugt, auf der guten Seite der Geschichte zu stehen. Diese Ansicht wird aber nicht weltweit geteilt.“
Eine schwärende Wunde bleibt
Die Ukraine erwartet nichts Gutes, glaubt die Kronen Zeitung:
„Nach dem Krieg wird es eine Rumpf-Ukraine geben, und das Maximale, was der Westen [Putin] abhandeln könnte, ist, Odessa als ukrainischer Korridor zum Meer freizulassen. … Russland muss nicht am Schlachtfeld besiegt werden, es ruiniert sich selbst. Es reicht, wenn Waffenlieferungen an die Ukraine den russischen Vormarsch bremsen und so teuer wie möglich machen, bis Putin bemerkt, dass sein Eroberungskrieg ein Nullsummenspiel ist. Dann wird der Krieg, wie in Bosnien, am letzten Stand der Fronten einfrieren und eine schwärende Wunde Europas bleiben, denn die Ukrainer werden den Kampf als Partisanenkrieg fortsetzen. Sie haben Erfahrung darin.“