Nur 0,25 Prozentpunkte: EZB hebt Leitzins erneut an
Die EZB hat den Leitzins zum siebten Mal in Folge erhöht, um die Inflation im Euroraum weiter einzudämmen. Die war im vergangenen Monat wieder leicht angestiegen, von 6,9 auf 7 Prozent. Die EZB folgt mit ihrer Entscheidung wiederum der US-Zentralbank Fed, die ebenfalls um 0,25 Prozent erhöht hatte. Nicht alle Kommentatoren sind mit der "Mini-Erhöhung" glücklich.
Lagarde macht sich klein
Der EZB-Rat agiert zu hasenfüßig, kritisiert die Süddeutsche Zeitung:
„Und das, obwohl die Inflation im Euro-Raum weiterhin hoch ist, zuletzt sogar leicht stieg. Gleichzeitig erscheint die schwelende Bankenkrise aktuell (noch) weniger bedrohlich als vor Kurzem. Es wäre jetzt also ein guter Moment zum Handeln. Stattdessen betont EZB-Präsidentin Christine Lagarde: 'Wir pausieren nicht' - als wäre das angesichts von sieben Prozent Inflation eine sinnvolle Option. Auch mal innezuhalten, ist eine Eigenschaft, die Menschen groß machen kann - oder klein. Christine Lagarde ist gerade auf dem Weg, sich kleinzumachen.“
Vorsicht ist richtig
Savon Sanomat kann die Zurückhaltung der EZB nachvollziehen:
„Ihr wichtigstes Ziel ist es, die Preisstabilität im Euroraum mittelfristig zu gewährleisten, wobei die Inflation bei 2 Prozent liegen soll. Angesichts der Inflationszahlen wäre eine straffere Zinspolitik angebracht gewesen, aber aufgrund der nach wie vor schwachen Konjunkturaussichten sah sich die Zentralbank offenbar veranlasst, die Zinskeule zurückhaltend einzusetzen. Im Hinblick auf die Wirksamkeit der Geldpolitik könnte man die Vorsicht der EZB sogar bedauern, da sie den Zeitraum des zu schnellen Preisanstiegs verlängern könnte. Doch schaut man sich die Belastbarkeit von Haushalten mit Hypothekenschulden an, könnte Vorsicht angebracht sein.“
Zwischen Inflation und Rezession
Corriere della Sera mahnt, dass die Leitzinserhöhung zwei wenig beruhigende Hinweise enthält:
„Der Erste: Die Inflation ist nach wie vor sehr beunruhigend. ... Der zweite Hinweis bezieht sich auf den Umfang der Anhebung. Die Erhöhung der Geldkosten um 0,25 und nicht um die von einigen vorausgesagten 0,50 Prozentpunkte lässt erkennen, wie besorgt man selbst in Frankfurt, dem Sitz der Zentralbank, über die Risiken einer möglichen Rezession ist. ... Eine Anhebung der Zinssätze bedeutet, dass Haushalte und Unternehmen mehr für Kredite zahlen müssen, die sie für Investitionen oder Konsum benötigen: eine offensichtliche Bremse für die Wirtschaft.“
Zwei Prozent ohne massiven Umbau illusorisch
Finanzielle Stabilität wird anders geschaffen, urteilt der Wirtschaftswissenschaftler Jonathan Marie in Libération:
„Man sollte lieber die Abhängigkeit von Importen verringern, deren Preise oder Verfügbarkeiten schnell schwanken und die somit eine Inflation auslösen können. Damit sind auch ökologische Herausforderungen verbunden. Der Übergang und die Verringerung der externen Abhängigkeit erfordern eine massive Umstrukturierung der Produktion, wofür öffentliche Investitionen in den Bereichen Verkehr, Infrastruktur, Gebäuderenovierung, Energieerzeugung, Umgestaltung der Landwirtschaft, etc. benötigt werden. Die Haushaltspolitik ist von entscheidender Bedeutung. Aber diese Umstrukturierungen des Angebots können sich auf die Preise auswirken. Deshalb ist es sinnlos, die Wirtschaftspolitik auf ein Inflationsziel von zwei Prozent auszurichten, für das es keine Grundlage gibt.“