EZB-Zinserhöhung: Richtig oder ein Schritt zu viel?
Die EZB hat den Leitzins erneut um 0,25 Prozentpunkte auf nun 4,25 Prozent angehoben. Das Ziel der neunten Erhöhung innerhalb eines Jahres soll die Reduzierung der Inflation auf 2 Prozent sein. Derzeit liegt sie im Euroraum bei 5,5 Prozent. Kommentatoren äußern Verständnis für den Schritt, aber auch Sorge vor einer Rezession.
Jetzt ist es aber genug
Vor weiteren Zinserhöhungen und deren Folgen warnt The Irish Times:
„Aus Sicht der EZB besteht die Befürchtung, zu schnell zu weit vorgegangen zu sein. Das könnte das Wirtschaftswachstum unnötig bremsen und dazu beitragen, die Eurozone in eine Rezession zu treiben. ... Für die EZB spricht jetzt sicherlich viel dafür, die volle Wirkung der bisher verkündeten Zinserhöhungen abzuwarten. Den Eigenheimkäufern wurde bereits eine erhebliche Belastung auferlegt, und in vielen Volkswirtschaften des Euroraums ist das Wachstum schwach. Es ist Zeit, die Kreditnehmer zu schonen.“
Schlecht für den Geldbeutel, gut für die Zukunft
Die EZB-Chefin trifft die richtigen Entscheidungen, findet ABC:
„Die Botschaft von Christine Lagarde lautete, dass die Zinserhöhung zwar Wirkung zeige, die Krise aber nicht als gelöst gelten könne. ... Die Inflation, insbesondere die Kerninflation, ist nach wie vor hoch, und in Ländern wie Deutschland lässt sie sich nur unzureichend kontrollieren, sodass ein Anstieg des Geldpreises auf fünf Prozent oder sogar noch höher nicht ausgeschlossen ist. Das ist keine gute Nachricht für den Geldbeutel der Menschen, aber es bleibt das einzig praktikable Rezept, um zu verhindern, dass die Inflation weiter außer Kontrolle gerät.“
Wir hinken hinterher
Le Temps beklagt einen Mangel an Weitsichtigkeit:
„Der Ton hat sich geändert. Während wir in den kommenden Wochen und Monaten die möglichen Schäden durch die Abbremsung beobachten werden, die die Zentralbanken ihren Volkswirtschaften zugefügt haben, kommen Zweifel auf. Haben sie zu viel gemacht, obwohl das Wachstum gefährlich einbrach? Die Frage ist nicht neu, aber erst jetzt trauen wir uns, sie zu stellen. Denn wie fast immer in Sachen Wirtschaft und Finanzen hinken wir der Realität hinterher.“
Gute Medizin schmeckt eben bitter
Wirtschaftlich gesehen ist die EZB-Politik der steigenden Zinsen richtig, urteilt La Stampa:
„Eine bittere Medizin, gewiss, aber eine, deren Erfolge sich nun abzeichnen, während die Nebenwirkungen alles andere als schrecklich sind. ... [Bei den Zinserhöhungen im Frühjahr] war es weniger die Wirtschaft, die sich gegen Frankfurt zu Wort meldete. Es waren vielmehr die Politiker, die befürchteten, dass ihnen aufgrund der steigenden Zinsen auf die Staatsverschuldung zu wenig Geld zum Ausgeben zur Verfügung stehen würde; sie fürchteten das Ende des 'billigen Geldes', das in den Jahren der Pandemie die richtige Wahl war.“