Weimarer Dreieck: Rückt die EU zusammen?
Nach einem gemeinsamen Treffen in Berlin haben der französische Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Olaf Scholz und Polens Premier Donald Tusk Einigkeit demonstriert und die Beschaffung weiterer Waffen für die Ukraine angekündigt. Europas Presse schaut hoffnungsvoll auf dieses Dreiländer-Format, das seit einem Außenministertreffen 1991 in der thüringischen Stadt auch Weimarer Dreieck genannt wird.
Ganz konkrete Fortschritte
Der rumänische Dienst von Radio France International konstatiert konstruktive Zugeständnisse seitens Paris und Berlin:
„Bemerkenswert ist, dass die drei Anführer zu dem Schluss gekommen sind, dass sie für die Ukraine militärische Ausrüstung auf der ganzen Welt finden müssen, und sich damit über die frühere Position von Präsident Macron hinwegsetzen, dass die Waffen aus Europa kommen sollten. Eine weitere Änderung ist: Die drei haben entschieden, die Rüstungsproduktion auszuweiten und Gewinne aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten zur Finanzierung von Ausrüstungen zu verwenden – eine Abkehr von einer früheren Position Berlins.“
Gründungsmoment eines neuen Europas
Tygodnik Powszechny erkennt eine historische Wende:
„Der gemeinsame Besuch des [polnischen] Präsidenten und des Premiers in den USA und das Treffen des Weimarer Dreiecks sind Elemente eines viel größeren Ganzen. Wir befinden uns an einem Wendepunkt. ... Europa schlägt eine strategische Richtung ein. Wenn auch nicht ganz (Orbán wird wohl noch von sich reden machen), wenn auch nicht ohne internen Zwist (man denke an Deutschland). Vielleicht werden die Historiker eines Tages schreiben, dass der Frühling 2024 nicht nur ein weiterer Wendepunkt in diesem Krieg war, sondern auch der Gründungsmoment Europas als selbstbewusste politische Kraft, die bereit ist, ihre Ideen auch mit Waffen zu verteidigen.“
Postputinsches Russland zurückholen
Auf das europäische Trio könnten schon bald große Aufgaben warten, bedenkt Le Figaro:
„Sollte Trump im Januar 2025 ins Weiße Haus zurückkehren und sich dann nicht mehr für europäische Angelegenheiten interessieren, wird der Achse Paris-Berlin-Warschau eine noch größere Bedeutung zukommen. Bedeutet das, dass sich das Weimarer Dreieck als grundsätzlich antirussisch versteht? Ganz gewiss nicht. Emmanuel Macron hat betont, dass das russische Volk nicht unser Feind ist. Die europäische Ambition besteht sicherlich nicht darin, es in die Arme Chinas zu treiben, was ein strategischer Kardinalfehler wäre. Es geht vielmehr darum, langfristig, sobald Putin einmal weg ist, dieses bedeutende Volk in dem zu verankern, was die europäische Familie ausmacht, nämlich Rechtsstaatlichkeit.“
Treffen verkörpert die Einigkeit
Ein wichtiges Zeichen erkennt Le Soir:
„Nach dem Gipfel in Berlin bleibt noch viel zu tun, um diesem 'Putin über alles' eine vereinte europäische Front entgegenzusetzen, die in der Lage ist, ihn in die Niederlage zu führen oder standhaft zu bleiben, sollte der russische Diktator doch als Sieger aus seinem Krieg gegen die Ukraine hervorgehen. Doch nach den jüngsten Alleingängen von Präsident Macron und den Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland gab das Händeschütteln der drei Staatsoberhäupter Deutschlands, Frankreichs und Polens am Freitag der europäischen Einheit wieder eine Gestalt, die in dem aktuellen Kräftemessen unerlässlich ist.“