Slowakei: Wird Oppositionskandidat Korčok Präsident?
Der parteilose Ex-Außenminister Ivan Korčok hat mit 42,5 Prozent überraschend die erste Runde der slowakischen Präsidentschaftswahl gewonnen: Die meisten Umfragen hatte der Koalitionspartner des umstrittenen Premiers Robert Fico angeführt, Parlamentspräsident Peter Pellegrini, der nun auf 37 Prozent kam. Damit kommt es zur Stichwahl zwischen den beiden. Kommentatoren lesen vor allem positive Signale aus dem Zwischenergebnis.
Das Gras des Nachbarn ist wirklich grüner
Der Unterschied zwischen Ungarn und der Slowakei macht Népszava nachdenklich:
„Der populärste Politiker des Landes, Peter Pellegrini, ist von den Wählern eindeutig sanktioniert worden, weil er der Kandidat von Fico ist, der dem Orbán-Muster folgt. Und die vielen Tausenden von Menschen, die am Sonntagabend an der Unterstützungsdemo für Korčok teilgenommen haben, haben wieder einmal deutlich gemacht, dass sie die Dominanz der Außenpolitik von Fico-Pellegrini und die Beherrschung der öffentlichen-rechtlichen Medien durch die Regierung verhindern werden - oder zumindest verhindern wollen. Manchmal ist es keine Schande, von dem Nachbarn zu lernen. Eine Schande ist, dass die Ungarn noch nie gegen den außenpolitischen Amoklauf und die Anti-EU-Haltung ihrer Regierung protestiert haben.“
Schwierig, aber es könnte schlimmer sein
Die Spaltung der Slowakei ist sowohl eine gute als auch eine schlechte Nachricht, meint Új Szó:
„Ivan Korčok zeigte eine Mischung von Überraschung und Freude, aber man muss kein gesalbter Politologe sein, um zu erkennen, dass ihm ein harter Aufstieg bevorsteht. Es geht nicht nur darum, einen möglichen Wahlsieg zu erringen. Es geht auch um das, was danach kommt. ... Die Slowakei insgesamt zeigte sich am Samstag als tief gespaltenes Land. ... Aber schauen wir uns zunächst die positiven Seiten der Dinge an! Anders als in einigen der umliegenden Staaten können wir hier in der Slowakei immer noch sagen, dass einstweilen kein Kandidat und keine Partei unverhältnismäßig die politische Landschaft dominiert.“
Dieses Land ist mehr als Fico
Denník N atmet auf:
„Nach den Parlamentswahlen, bei denen Robert Fico gewann und mit Peter Pellegrini eine Regierung bildete, machten sich Depression und Hoffnungslosigkeit breit. ... Viele Menschen, die die Slowakei als frei, demokratisch und Teil des Westens betrachten, hatten das Gefühl, dass eine Niederlage das Ende bedeutete und dass Fico hier jahrelang regieren würde. ... Der Sieg von Korčok ist der Beweis dafür, dass es nicht so sein muss. ... Die wichtigste Botschaft der ersten Runde ist ganz einfach: Die Slowakei ist nicht Fico. Es gibt immer noch viele Menschen, die nicht wollen, dass er uns nach Russland schleppt, um die Medien zu kontrollieren, freie Menschen einzuschüchtern, die Justiz zu vergewaltigen und seine Spießgesellen zu amnestieren.“
Unfreiwillige Schützenhilfe vom Premier
Ficos Durchgreifen hat die Slowaken aufgeschreckt, erklärt Hospodářské noviny das Ergebnis:
„Es besteht kein Zweifel daran, dass es Korčok sehr geholfen hat, wie die Regierung unter der Führung von Premier Fico schnell und hart daran arbeitet, die Gesetze rund um die Staatsanwaltschaft und die Polizei zu ändern, wie sie skrupellos versucht, den öffentlichen Raum zu kontrollieren und NGOs und unabhängige Medien einzuschränken, und wie sie die Außenpolitik radikal nach Osten ausrichtete. Wie schlecht es steht, zeigen beispielsweise die zunehmenden Anfragen slowakischer Experten aus Bereichen wie Kultur oder Medien nach der Möglichkeit, in der Tschechischen Republik einen Arbeitsplatz zu finden.“
Es geht ums Ganze
Auch die Süddeutsche Zeitung interpretiert das Wahlergebnis als Stoppschild für Premier Fico:
„[Es] zeigt, dass wohl auch einige Anhänger der Regierung nicht wollen, dass Fico völlig freie Hand hat. Schließlich legt der es gerade darauf an, zum nächsten rechtsstaatlichen Sorgenfall der EU zu werden und setzt Subventionen aufs Spiel. Wie bei so vielen Wahlen in westlichen, demokratischen Ländern geht es auch in der Slowakei mit ihren 5,4 Millionen Einwohnern längst nicht mehr nur darum, ob ein Kandidat konservativ oder progressiv denkt, ein bisschen katholischer oder säkularer ist. Es geht um den Erhalt des demokratischen Systems.“
Korčok wäre ein dringend nötiges Gegengewicht
Obosrewatel hofft, dass sich der Sieger des ersten Wahlgangs auch in der Stichwahl durchsetzt:
„Warum sind diese Wahlen wichtig, auch für den Westen und die Ukraine? Es geht darum, ob Ficos Team es schafft, das dritte politische Schlüsselamt im Land, den Präsidentenposten, zu gewinnen. Nach den Parlamentswahlen im vergangenen Herbst kam es in der Slowakei zu einem politischen Umbruch. Trotz der eher symbolischen Bedeutung des Präsidentenamtes wäre es nun zumindest ein teilweiser Ausgleich, wenn der prowestliche Kandidat Korčok, der in Opposition zu Ficos Team steht, es bekäme.“