Olympia 2024: Paris in den Startlöchern
Am heutigen Freitag starten in Paris die Olympischen Sommerspiele 2024. Europas Kommentatoren werfen erwartungsvolle Blicke auf die Stadt und das Ereignis, das bisher vor allem von internationalen Konflikten und den harschen Sicherheitsvorkehrungen geprägt zu sein scheint.
Eine historische Verbundenheit
Warum Paris der ideale Austragungsort ist, schwärmt Sportwissenschaftlerin Rita Nunes in Diário de Notícias:
„Die Stadt Paris ist für immer mit der Geschichte der olympischen Bewegung verbunden. Und warum? Weil in Paris alles begann! Weil der Traum des Barons Pierre de Coubertin, die Olympischen Spiele ins Leben zu rufen, am 23. Juni 1894 an der Universität Sorbonne vorgestellt, diskutiert und angenommen wurde. ... Weil die diesjährigen Spiele in Paris zum ersten Mal die Gleichberechtigung der Geschlechter verwirklichen werden. ... Weil Paris die erste Stadt sein wird, die drei Olympische Spiele (1900, 1924 und 2024) ausrichtet.“
Die Ruhe vor dem Sturm wenigstens genießen
Eine kurze Atempause sieht L'Opinion:
„Mit der Ausrufung eines 'olympischen und politischen Waffenstillstands' machte [Macron] deutlich, dass die Unterbrechung unserer innerstaatlichen Kämpfe nur vorübergehend ist. Sobald die letzten Illusionen des Ruhms mit dem letzten Feuerwerk verflogen sind, sollten wir zum wahren Leben zurückkehren: mit einer nicht zu findenden Koalition, Populisten an der Schwelle zur Macht, der Verführung zur Demagogie und einem Volk, das mit seinen Eliten stets in Konflikt gerät. ... Mitte August wird es also schwierig sein, so zu tun, als hätte die sportliche Pause ausgereicht, um die sich abzeichnende politische Krise abzuwenden. Bis dahin sollten wir uns dieses Spektakel, das uns als unvergesslich versprochen wird, nicht entgehen lassen.“
Wie im Lockdown
Die Austragung der Eröffnungszeremonie im Stadtzentrum ist diskutabel, wirft Kolumnist Aldo Cazzullo in Corriere della Sera ein:
„Die Host-Vermieterin ist besorgt: 'Sagen Sie den Nachbarn nicht, dass Sie die Wohnung über Airbnb gebucht haben. ... Sonst werden die böse.' … Die Pariser sind in der Tat sehr wütend. Nicht nur auf Airbnb. … So menschenleer habe ich Paris noch nie gesehen. Nicht einmal in den Tagen des Bataclan, als die Menschen im Gegenteil auf die Straße gehen wollte, um sich zu umarmen, zu weinen, eine Blume zum Place de la République oder zur Leichenhalle zu bringen. Eher wie zu Zeiten des Lockdowns. …. Macrons Sturheit, die Zeremonie in die Stadt zu verlegen, anstatt sie in einem Stadion abzuhalten, wie es bisher immer gemacht wurde, führte zu einer fast vollständigen Ausgangssperre.“
Kommerz hoch zehn
Von der olympischen Idee ist nichts übrig, kritisiert Dnevnik:
„Die Teilnehmer sind moderne Sportgladiatoren und stehen im Dienste des IOC sowie im Dienst der Wirtschaft und Politik. Der olympische Grundgedanke gehört längst der Vergangenheit an und das IOC setzt zunehmend auf sein größtes Ziel - die vollständige Kommerzialisierung der Spiele. ... Nicht die Sportler, sondern Wirtschaft, Geld und Politik stehen im Fokus. Aus diesem Grund streicht das IOC bei jeder Runde einige Sportarten – angeblich wegen geringer Zuschauerzahlen, in Wirklichkeit aber wegen unzureichender Sponsorengelder – und führt einige neue Disziplinen ein, die vor allem die jüngere Bevölkerung ansprechen sollen. Für Paris wurden Baseball, Softball und Karate aus dem Programm gestrichen, Breakdance kam dazu!“
Hera und Zeus endlich auf Augenhöhe
El Periódico de Catalunya schaut auf den olympischen Sieg der Frauenbewegung:
„Bei den Olympischen Spielen im antiken Griechenland durften Frauen nicht teilnehmen, nicht einmal als Zuschauerinnen. Angesichts dieses Verbots gründete eine Handvoll Frauen die Heraia-Spiele, zu Ehren der Göttin Hera. ... Erst bei den Olympischen Spielen 1900 durften 22 Frauen teilnehmen, wenn auch inoffiziell. ... Die Spiele, die heute eröffnet werden, sind die ersten, an denen genauso viele Frauen wie Männer teilnehmen. Bis zum 11. August werden 5.250 Athleten beider Geschlechter antreten. Paris 24 setzt auf offene und integrative Spiele. ... Ohne das Engagement so vieler Frauen, die wie die Glieder einer Kette für die Gleichstellung kämpften, wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.“
Wie in einem Science-Fiction-Film
Die Wochenzeitung Documento beschreibt die Atmosphäre in Paris:
„Der Besucher, der in Paris ankommt, ohne zu wissen, was ihn erwartet, glaubt, er betrete die Kulisse eines futuristischen Fantasiefilms. Hubschrauber mit Scheinwerfern fliegen am Himmel der Stadt des Lichts, während das historische Zentrum wegen der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele aus Sicherheitsgründen fast vollständig gesperrt ist. ... Zugang zum Trocadero und den Seine-Ufern rund um den Eiffelturm haben außer akkreditierten Personen nur die Bewohner des Viertels. Aber auch diese müssen sich bei der Polizei ihres jeweiligen Arrondissements melden, mit einem Dokument nachweisen, dass sie in der Nähe wohnen, und einen QR-Code auf ihr Mobiltelefon bekommen, um die Blockade zu passieren.“
Eine Ansammlung von Konflikten
Neben der Teilnahme russischer Sportler sieht Jyllands-Posten eine Reihe anderer Probleme:
„Die falschen Schlüsse des Olympischen Komitees betreffen auch Afghanistan. ... Drei [der sechs antretenden Athleten] sind Frauen, die im Exil leben, weil die Taliban Frauen das Sporttreiben verboten haben. ... Der Israel-Hamas-Konflikt ist bereits Teil der Spiele. ... Hinzu kommen enorme Sicherheitsvorkehrungen, Betrugsverdacht, Streikandrohungen der Transportarbeiter und Dispute um die Nutzung öffentlicher Gelder. All dies zeichnet die Konturen Olympischer Spiele, bei denen sowohl die französische Innenpolitik als auch internationale Konflikte zu vorherrschenden Themen geworden sind.“
Beamte an ihren Grenzen
Dass die vielfach kritisierten französischen Polizisten über ihren eigenen Schatten springen können, bezweifelt The Times:
„Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin hat in einem Brief die 45.000 Polizeibeamten, die während der am stärksten bewachten Ereignisse der Olympischen Spiele im Einsatz sein werden, aufgefordert, 'wohlwollend, freundlich und professionell' zu sein. Jeder, der schon einmal mit der französischen Polizei zu tun hatte, weiß, dass diese Anweisung die Beamten an ihre Grenzen bringen dürfte. Die französischen Ordnungshüter, die eher dazu neigen, Begegnungen mit der Öffentlichkeit als eine Art Kampfsport zu erachten, werden dazu angehalten, Gummigeschosse, Tränengas und Wasserwerfer gegen ein freundliches Lächeln und Hilfsbereitschaft einzutauschen.“
Auf Augenhöhe mit den Großen?
Das ist die Gelegenheit für Frankreich, seine Soft Power zu stärken, betont die Kommunikationsexpertin Véronique Chabourine in La Tribune:
„Der Erfolg der Olympischen Spiele in Paris 2024 wird anhand verschiedener Indikatoren gemessen, darunter vor allem die wirtschaftlichen Auswirkungen, die ökologische Nachhaltigkeit, die Sicherheit und die Zufriedenheit der Teilnehmer und Zuschauer. … Wenn es Frankreich gelingt, diese Herausforderungen zu meistern, kann es mit Großbritannien und China, die in der globalen Soft-Power-Rangliste auf Platz zwei und drei stehen [nach den USA auf Platz eins], konkurrieren und sich bezüglich Organisation und Einfluss der Olympischen Spiele auf Augenhöhe mit ihnen positionieren.“
Ein echter Stresstest für die wachsende Stadt
Noch ist fraglich, ob Olympia für Paris ein Erfolg wird, so Irish Examiner:
„Paris steht diese Woche vor der Herausforderung, die Olympischen Spiele in Zeiten des Krieges, der politischen Polarisierung und sozialer Unruhen sicher und kostengünstig zu veranstalten. ... Doch die eigentliche Herausforderung beginnt erst, wenn die Athleten ihre Sachen gepackt haben und wieder nach Hause gefahren sind. ... Die Stadt muss ihre Goldmedaillen-Verwandlung dann zu etwas dauerhaft Großem vollenden: Einer Megalopolis, die eine bleibende Verbindung zwischen den Hipstern, Finanziers und Flaneuren des historischen, dicht besiedelten Paris mit der sich peripher ausbreitenden Wirtschaft der Region schafft, in der viele olympische Veranstaltungen tatsächlich stattfinden werden.“