UK: Woher kommt der rechtsextreme Hass?
In Großbritannien hat es am Wochenende weitere rechtsextreme Ausschreitungen gegeben. Auslöser war die mutmaßlich von einem 17-Jährigen begangene Tötung von drei Mädchen in Southport. Falschbehauptungen, der Täter sei ein muslimischer Asylbewerber, hatten die Krawalle angestachelt. Für Mittwoch erwartete die Polizei erneut Ausschreitungen, stattdessen demonstrierten in mehreren Städten Tausende gegen Rassismus und Gewalt.
Rassismus ist schlicht Rassismus
Die zahlreichen Proteste gegen rechts machen Hoffnung, so The Irish Times:
„An den meisten Orten waren die antirassistischen Demonstranten den Rassisten zahlenmäßig weit überlegen. In der Lower Ormeau Road in Belfast fingen über 100 Anwohner eine fremdenfeindliche Parade ab und verjagten die Rassisten. ... Eine Spendenseite für ansässige und von den Krawallen beschädigte Geschäfte, sammelte innerhalb von 24 Stunden mehr als 70.000 Pfund ein. Es wird Menschen geben, die – sobald sich die Wogen der schockierenden Gewalt vom vergangenen Wochenende glätten –, behaupten werden, dass die Klagen derer, die auf die Straße gingen, gehört werden müssen. Aber wir täten gut daran, aus der Geschichte zu lernen. Rassismus ist Rassismus, und jeder Versuch, ihn zu beschwichtigen, ermutigt die Spalter.“
Einen Bärendienst erwiesen
Berlingske bedauert, dass die gewalttätigen Ausschreitungen eine an sich nötige Debatte erschweren:
„Tatsächlich macht es die Gewalt, die England in der vergangenen Woche verwüstet hat, schwieriger, eine vernünftige und handlungsorientierte Diskussion über Einwanderung im Vereinigten Königreich zu führen. Denn wer Kritik an der Einwanderungspolitik des Landes äußert, kann mittlerweile allzu leicht mit den Gewaltausbrüchen in Verbindung gebracht werden, auch wenn er damit nichts zu tun hat. Mit anderen Worten: Die Gewalt hat der Kritik an der Einwanderung im Vereinigten Königreich bereits einen schlechteren Ruf verschafft, selbst der Kritik, die rein politischer Natur ist. Und es gibt etwas zu kritisieren.“
Die Diener sollen unsichtbar bleiben
Kolumnist Andrius Užkalnis kritisiert in Delfi Englands widersprüchliche Haltung gegenüber Einwanderern:
„Die Engländer leben auf Kosten von Einwanderern, wollen diese aber nicht sehen. Das Land hat vor sieben Jahrzehnten das größte Imperium der Welt aufgelöst, aber die Probleme mit den Menschen, die aus aller Welt kommen und dorthin verfrachtet wurden, nie gelöst, und jetzt sind die hässlichen Wunden aufgebrochen. Die trägen Bewohner des alten Englands wollten, dass Ausländer für sie arbeiten (darunter viele Litauer und andere Osteuropäer, die 2004 in großer Zahl einwanderten). Gleichzeitig wollten sie aber, dass diese Fremden unsichtbar bleiben.“
Ernste Gefahr für die Demokratie
Der Kurier macht sich Sorgen:
„Dass gewaltbereite Rechtsradikale zur realen Gefahr für eine Demokratie werden können, mussten die USA beim Sturm auf das Kapitol vor drei Jahren erfahren. Es ist eine Gefahr, die sich nicht mehr auf Fußball-Hooliganismus oder rechte Spinnereien reduzieren lässt. In Gesellschaften, in denen soziale Isolation nicht nur Migranten, sondern auch einheimische Jugendliche trifft, gibt es reichlich Nährboden für rassistische Hassparolen. Eine ernste Gefahr, nicht nur für die ach so solide Demokratie Großbritannien.“
Entschiedene Maßnahmen und deutliche Sprache
Volkskrant-Kolumnist Hassan Bahara lobt das angekündigte harte Durchgreifen der neuen britischen Regierung:
„Bei dem neuen britschen Premier Keir Starmer gibt es keine krampfhafte Suche nach 'zu Grunde liegender Unzufriedenheit' bei den rechtsextremen Randalierern, sondern entschiedene Maßnahmen und deutliche Sprache. ... Starmer rügte sogar den extrem rechten Fanboy Elon Musk wegen seiner Hetze auf X. ... Gut zu sehen, dass Großbritannien endlich einen Chef hat, der nicht sofort kapituliert vor dem selbsternannten 'wahren Volk'.“
Grausamkeit und Egoismus
Fake News in den Sozialen Netzwerken befeuern die Rechtsradikalen, analysiert Público:
„Ein weiteres Wochenende rechtsextremer Gewalt in Großbritannien, eine weitere Woche, in der das Feuer der Lügen die Straßen und die Netzwerke in Brand gesetzt hat, um den Dissens und die Botschaft der Grausamkeit und des Egoismus zu verbreiten, die das moralische Zentrum der rechtsextremen Kräfte bilden. ... Es ist kein Zufall, dass der britische Premierminister Keir Starmer die sozialen Netzwerke aufgefordert hat, Verantwortung zu übernehmen. ... Indem die Menschen sich von Nachrichten und der Suche nach der Wahrheit, die den Kern des Journalismus ausmacht, abkoppeln, überlassen sie Populisten das Feld, die mit ihren Lügen die Gewalt auf den Straßen Großbritanniens schüren.“
Auswüchse des Bösen
Die Randalierer haben prominente Unterstützer in der rechten Szene, erläutert The Sunday Times:
„Die rechtsextreme Bewegung hat online regelrecht metastasiert. Eine Falschmeldung auf einer Nachrichten-Website wurde von Andrew Tate, dem frauenfeindlichen Influencer, und Stephen Yaxley-Lennon, dem ehemaligen Anführer der [rechtsextremen und islamfeindlichen Gruppierung] English Defence League geteilt. ... Die Geschwindigkeit, mit der Falschinformationen in den sozialen Medien und auf Whatsapp verbreitet werden und sich Gruppen bilden, stellt die Polizeiarbeit vor immer größere Herausforderungen. Anlass zur Reflexion gibt auch die Tatsache, dass einige etablierte Politiker der Rechten den Groll gefördert haben, der jetzt in so blutiger Art und Weise zum Ausdruck gebracht wird.“
Wie sich der Hass ausbreitet
So ein Mob kann schnell wachsen, warnt das Webportal In:
„Zunächst einmal wird die extreme Rechte von all jenen Parteien unterstützt, die zwar angeblich noch dem verfassungstreuen Spektrum angehören, die aber deren Agenda und Rhetorik, deren Rassismus und deren einwanderungsfeindliche Politik übernehmen. ... Sie wird dann von den Regierungen unterstützt, die glauben, dass die Antwort auf den Aufstieg der extremen Rechten darin besteht, deren Politik in die Praxis umzusetzen, indem sie Hassreden normalisieren und ihnen damit mehr Legitimität verleihen. Und natürlich werden sie von all jenen Medien unterstützt, die Nationalismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit schnell reproduzieren, weil sie glauben, dass sich dies 'gut verkauft'.“
Farage und Co. sind mitschuldig
Rechtsextreme Politiker missbrauchen den Frust über die Misere im Land, klagt De Standaard:
„Seit dem Brexit nahm die illegale Migration über den Kanal zu, unter anderem, weil die Briten Migranten nicht länger nach Frankreich zurückschicken können. Auf der anderen Seite stoppte die legale Einwanderung aus Europa, was zu Engpässen im Bau, im Gesundheitssystem, in der Landwirtschaft und im Gastgewerbe führte. Die extreme Rechte missbraucht das Drama von Southport eifrig, sodass die Frustrierten ausrasten können. Dass einige britische Politiker von Reform UK, darunter Farage, diesen Hass auch noch schürten, indem sie Falschinformation über den Täter bestätigten, macht sie mitschuldig an der Gewaltwelle.“
Herausforderung für die neue Regierung
Nun muss Labour entschieden gegen Rechts vorgehen, so The Observer:
„Starmer hat genau den richtigen Ton getroffen, als er die Ereignisse der Woche als Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit bezeichnete und eine Initiative zur Koordinierung von Geheimdienstinformationen und Einsatzkräften der Polizei im ganzen Land ankündigte. Die Regierung muss außerdem sicherstellen, dass Social-Media-Unternehmen ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommen, die Verbreitung von Falschinformationen und Gewaltanstachelung zu verhindern. Und angesichts des deutlich zum Ausdruck kommenden islamfeindlichen Hasses, muss die Polizei die entsprechenden Ressourcen bekommen, um für Sicherheit in Moscheen zu sorgen.“
Der Polizei kann man nicht trauen
Um den Übergang einer faschistischen Bewegung in eine Massenpartei zu verhindern, ist es für Cumhuriyet notwendig,
„eine starke, aktive Bewegung gegen Islamophobie und Rassismus mit einem vielschichtigen Ansatz zu schaffen. Es ist eine vielversprechende Entwicklung, dass antifaschistische Kräfte gegen die Faschisten auf die Straße gegangen sind. … Sozialdemokratische Regierungen haben immer geglaubt, dass sie diese Form von Faschismus mit staatlichen Sicherheitskräften stoppen könnten. Angesichts des institutionalisierten Rassismus und Sexismus innerhalb der Polizei und der Leichtigkeit, mit der die faschistische Bewegung die Polizei infiltrieren kann, ist dies jedoch ein Trugschluss.“