Trump droht mit Zöllen: Wie soll Europa reagieren?

Bei einem Online-Auftritt auf dem Weltwirtschaftsforum hat US-Präsident Trump die Unternehmen der Welt dazu aufgefordert, in den USA zu produzieren. Dank der von ihm geplanten Steuersenkungen und günstiger Energie aus Öl und Gas werde es "keinen besseren Ort auf der Welt geben, um Arbeitsplätze zu schaffen". Wer nicht im Land produziere, werde für den Zugang auf den US-Markt Zölle zahlen müssen. Europas Presse diskutiert mögliche Antworten der EU.

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Index.hr (HR) /

EU muss sich emanzipieren

Index.hr fordert eine umfassende Neuausrichtung:

„Europa muss sich von schädlichen grünen Politiken distanzieren (jedenfalls davon, was heute als grüne Politik angesehen wird). ... Stattdessen muss es sich reindustrialisieren, und dies zuvorderst in Richtung einer Rückkehr (oder, wo sie bisher nicht genutzt wurde, einer Einführung) der Atomenergie und einer energetischen Unabhängigkeit (und Unabhängigkeit von Amerika und Russland). Es muss eine eigene Sicherheitsarchitektur geschaffen werden, die völlig oder teilweise unabhängig von den USA und der Nato ist - und vielleicht eine europäische Armee! ... Man muss nicht unbedingt 'MEGA' (Make Europe Great Again) sagen, aber man kann sagen: Es ist notwendig, Europa stark, sicher und widerstandsfähig zu machen. ... Dann können wir uns selbst danken und ein bisschen auch Donald Trump.“

Trends-Tendances (BE) /

Entscheidend ist das Vertrauen der Investoren

Die EU muss wirtschaftspolitisch erwachen, fordert Trends-Tendances:

„Die Märkte werden Europa kein Vertrauen schenken, solange es keine strukturellen Reformen vornimmt. Es muss seine steuerliche und regulatorische Wettbewerbsfähigkeit überprüfen, Innovation umfassend finanzieren und vor allem eine glaubwürdige energetische und militärische Autonomie aufbauen. Andernfalls werden die europäischen Indizes gegenüber der Wall Street weiterhin schlechter abschneiden, Fonds den US-Markt bevorzugen, und der Euro könnte erneut zu einer Anpassungsvariablen gegenüber dem Dollar werden. Die Frage ist nicht mehr, ob Trump das globale Gleichgewicht erschüttern wird - das hat er bereits getan - sondern: Werden Investoren noch an Europa glauben?“

NRC (NL) /

Die eigenen Trümpfe ausspielen

NRC warnt Europa vor zu großem Pessimismus:

„Europa hat einen unique selling point [Alleinstellungsmerkmal]: rechtliche und politische Sicherheit. Unternehmen können nur schwer planen, wenn die Politik wie in den USA alle vier Jahre völlig umgeschmissen und das Rechtssystem der verlängerte Arm präsidialer Willkür zu werden droht. Das heißt nicht, dass es in Europa nichts zu verbessern und reformieren gäbe. Im Gegenteil. Die Liste ist lang und die Zeit drängt. Aber übertriebener Pessimismus ist nicht angebracht. Dass die USA nun radikal anders agiert, heißt nicht, dass der alte Kontinent das auch tun muss.“

eldiario.es (ES) /

Dann eben mehr mit andern handeln

Europa versucht sich wirtschaftspolitisch von den USA zu lösen, beobachtet eldiario.es zustimmend:

„Brüssel scheint seinen super-atlantischen Diskurs zu ändern. Im Angesicht von Trumps Zerstörungswelle versucht Von der Leyen eine ausgewogenere und kooperative Handels- und Investitionsbeziehung mit Beijing neu zu erfinden. ... Damit liegt sie auf der Linie von Chinas Vizepremier Ding Xuexiang. Zu einem Mega-Investitionsabkommen zwischen der EU und China ist es allerdings noch weit. ... In Davos entdeckt Europa die große Welt neu: Sie besteht nicht nur aus den USA. Es wird sicherlich nach Möglichkeiten in Südostasien, Afrika, Mexiko, dem Mercosur und Chile Ausschau halten. Wenn Brüssel seine gigantische handelspolitische und diplomatische Maschinerie in Gang setzt, könnte es viel erreichen.“

The Economist (GB) /

Schnitt ins eigene Fleisch

Mit den angedrohten Handelsbarrieren würde Trump auch der eigenen Wirtschaft schaden, warnt The Economist:

„Die Zahl der Angestellten in der US-Fertigungswirtschaft ist seit Inkrafttreten von Trumps Zöllen in seiner ersten Amtszeit im Vergleich zu anderen Branchen gesunken. Unternehmen, die durch diese Zölle direkt geschützt wurden – vor allem im Stahl- und Aluminiumsektor –, konnten ihre Umsätze zwar steigern. Aber dieser Zuwachs ging auf Kosten Tausender nachgelagerter Unternehmen, die unter höheren Produktionskosten litten. Anders ausgedrückt: Amerika schützte die Teile seiner Wirtschaft, die auf dem Weltmarkt zu kämpfen hatten, indem es seine wettbewerbsfähigsten Branchen belastete.“