Wahlkampf in Deutschland: Wegweiser für Europa?
Mitten im Wahlkampf hat der Bundestag über Vorschläge der CDU/CSU-Oppositionsfraktion zur Verschärfung der Migrationspolitik abgestimmt. Ein erster Antrag fand eine heftig diskutierte Mehrheit zusammen mit der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuften AfD. Ein weiterer Antrag über konkrete Gesetzesänderungen scheiterte zwei Tage später. Europas Presse schaut besorgt nach Berlin.
Ein klarer Gewinner
Von den jüngsten Abstimmungen profitiert vor allem die AfD, stellt Ukrajinska Prawda fest:
„Die deutsche Gesellschaft wartet schon lange auf eine Änderung der Migrationspolitik. Der größte Gewinner der aktuellen Situation scheint daher die AfD zu sein, die die Wähler nun auch weiterhin davon überzeugen kann, dass niemand sonst es ernst meinen würde und in der Lage wäre, die notwendigen Veränderungen herbeizuführen. Außerdem ist etwas passiert, wovon die AfD lange geträumt hatte: Die Wähler haben gesehen, dass sich die politische Landschaft verändert und dass die AfD an Stärke gewinnt. Die Brandmauer steht zwar noch formal, aber sie hat gewackelt, und mit der Zeit, so glaubt die AfD, wird sie immer mehr Risse bekommen, bis sie endgültig zusammenbricht.“
Gefährlicher Rechtsruck
Eine Verschärfung der Migrationspolitik mit Einfluss von rechts wäre gefährlich für die EU, merkt The Irish Times an:
„Da Deutschland aufgrund seiner Nazi-Vergangenheit als Paradebeispiel fungiert, sind die Folgen für die gesamteuropäische Politik in jedem Fall tiefgreifend. ... In einer Reihe von europäischen Staaten werden gerade die Migrationskontrollen verschärft und Grenzschließungen eingeführt, während auf EU-Ebene die Regeln für Außen- und Binnengrenzen auf dem Prüfstein stehen. All dies stellt die Freizügigkeit als eine der wertvollsten Errungenschaften der europäischen Integration infrage.“
Ein lahmendes Berlin bremst alle aus
Právo fürchtet lähmende Polarisierung:
„Auch wenn die AfD nach den Wahlen keinen Anteil an der politischen Macht bekommen sollte, droht die nicht funktionierende Migrationspolitik die deutsche Gesellschaft in nicht gekannter Weise zu polarisieren und sie der Kraft zu einer neuen wirtschaftlichen Wende zu berauben. Dabei hat diese Wende grundsätzliche Bedeutung für die ganze EU, Tschechien eingeschlossen. ... Die Bewältigung der derzeitigen Aufgaben für Europa – Green Deal-Auswirkungen, Krieg in der Ukraine, möglicher Handelskrieg mit den USA – wird mit einem politisch lahmenden Deutschland sehr schwer fallen.“
Schicksalsentscheidung für die gesamte EU
El Periódico de España betont die Bedeutung der Wahl:
„In nur drei Wochen wird Deutschland über das Schicksal Europas entscheiden. ... Sollte die AfD gemeinsam mit der Rechten eine Regierung bilden, wäre dies wahrscheinlich der Beginn einer Reise in den Abgrund. ... Friedrich Merz, Vorsitzender der größten gemäßigt-rechten Partei Europas und Favorit bei den Wahlen, ist in die Einwanderungsfalle getappt und auf den Ultra-Diskurs hereingefallen. ... Jetzt herrscht Aufruhr, und der Schuss könnte nach hinten losgehen. ... Sollten die gemäßigten Kräfte den Ultranationalisten Raum geben, wird Europa bedeutungslos, und ohne Deutschland gibt es keine Union. Darum geht es in Berlin nach der Wahl am 23. Februar.“