Krisenländer müssen Versprechen einhalten
Die Kursschwankungen an den Börsen ist eine Mahnung an diejenigen, die gerne ihren Kampf gegen die Schulden vernachlässigen würden, meint die konservative Tageszeitung Le Figaro:
„Portugal, wo ein paar Demagogen die rigorose Finanzverwaltung der vergangenen Monate in Frage stellen, hat einen Fuß in die Gefahrenzone gesetzt. Griechenland, das seine Versprechen schnell vergisst, befindet sich deutlicher als zuvor im Visier. Spanien wird vom Teufel in Versuchung geführt und beginnt mit dem Feuer zu spielen. Frankreich ist trotz seines chronischen Defizits und seiner gigantischen Schulden zum Glück noch nicht im Auge des Hurrikans. … Doch die Botschaft der Märkte ist klar: Wie die anderen Länder hat Frankreich nicht den geringsten Handlungsspielraum. Es darf sein Versprechen nicht brechen und seinen Haushalt aus dem Ruder laufen lassen.“
Europas Finanzsystem hat ein Jahrzehnt verloren
Auch acht Jahre nach der Lehman-Pleite hat das europäische Finanzsystem nichts aus seinen Fehlern gelernt, klagt die linksliberale Tageszeitung Der Standard:
„Reformen wurden nicht angegangen, weil man sich bei Nullzinsen ja so herrlich verschulden kann, die Konjunktur darbt seit Jahren, und die aufgeheizten Märkte kommen immer stärker ins Trudeln. Interessant an der Entwicklung ist auch die Beständigkeit, mit der an der falschen Strategie festgehalten wird. Anstatt das Scheitern zu akzeptieren und eine Kehrtwende zu vollziehen, pumpen die EZB und andere Notenbanken immer mehr Geld in die Märkte. Das erinnert schon sehr an Sucht, die nur mit immer steigenden Drogendosen befriedigt werden kann. Fast acht Jahre nach Lehman lässt sich somit recht sicher eine verlorene Dekade konstatieren. Vieles weist darauf hin, dass die Durststrecke noch länger anhalten wird.“
Die Deutsche Bank kann Sargnagel Europas werden
Die Aktienkurse der Deutschen Bank sind in den vergangenen Wochen dramatisch gefallen. Wäre Kanzlerin Merkel gezwungen, das größte Kreditinstituts Deutschlands zu retten, wäre das ein Affront gegenüber Südeuropa, meint Wirtschaftsjournalist Matthew Lynn auf dem Blog Coffe House der Zeitschrift The Spectator:
„Es ist weniger als ein Jahr her, dass die griechischen Banken kein Geld mehr ausgaben. ... Das wäre ein nicht zu übersehender und schmerzhafter Widerspruch. Der sich einschleichende Verdacht aller, nämlich dass der Euro entworfen wurde, um für Deutschland zu funktionieren, würde dann bestätigt werden. … Kanzlerin Merkel würde in einer Zwickmühle stecken. Wenn sie die Bank rettet, sieht das furchtbar aus. Wenn sie den Bankrott zulässt, leidet die Wirtschaft. Sie wird sich dann wahrscheinlich wünschen, ein relativ einfaches Problem - wie das von einer Million syrischer Flüchtlinge - lösen zu dürfen. Denn wenn die Deutsche Bank in Schwierigkeiten steckt, könnte das der Auslöser für den Zusammenbruch des Euros sein.“
Neue Finanzkrise wird schlimmer als 2008
Die expansive Geldpolitik der Notenbanken ist einer der Gründe für die Rückkehr der Finanzkrise, meint der liberale Corriere del Ticino:
„Die Börsenverluste der letzten Wochen waren kein Zeichen einer normalen Kurskorrektur, sondern das Vorzeichen einer neuen Finanzkrise, die ihre Ursache in der zunehmend fehlenden Schuldentragfähigkeit hat, sowohl auf staatlicher als auch auf privater Ebene. Die Entwicklung ist zudem eine Bestätigung dafür, dass die Geldpolitik der wichtigsten Zentralbanken gescheitert ist. … Die Banken werden ihre Geldpolitik vermutlich fortsetzen. Doch wird dies den Flächenbrand nicht löschen, den die Ramschpapiere ausgelöst haben, in die die Finanzwelt die gigantischen Schulden gepackt hat, die de facto schon heute nicht mehr einzutreiben sind. … Das Feuer wird sich aufgrund der kränkelnden Wirtschaft ausbreiten und eine weitaus schlimmere Krise auslösen als die, die wir im Jahr 2008 erlebt haben.“
Die Euro-Krise ist zurück
Für die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera ist die Euro-Krise mit voller Wucht zurückgekehrt:
„Die Symptome der Krise sind wieder da. Sie haben die Eurozone, nach ein paar Jahren relativer Ruhe, offiziell wieder befallen, und diesmal dürfte es nicht so leicht sein, es zu besiegen. Die Märkte tanzen wieder um die Hypothese, dass die Eurozone sich in mehr oder minder ferner Zukunft spalten wird. Der Süden und die Peripheriestaaten auf der einen Seite, der Norden und der 'harte Kern' auf der anderen. ... Seit 2012 haben die Märkte stets die Macht gehabt, eben genau die Folgen heraufzubeschwören, die sie als Grund ihrer Furcht und ihrer Reaktionen angeben. 2012 gelang es der EZB, die Zauberkraft der Märkte zu brechen. Die Neuigkeit heute ist, dass Mario Draghi allein nicht mehr genügt. Nur den Politikern kann es jetzt gelingen, den Teufelskreis zu durchbrechen. Vermutlich glauben die Märkte genau deshalb weniger an eine positive Wende.“
Banken sind das Thermometer der Wirtschaft
Besorgt insbesondere wegen der seit Wochen andauernden Talfahrt der Bankaktien zeigt sich die Wirtschaftszeitung Kauppalehti:
„Dass der Kursrutsch vor allem Bankaktien in Europa betrifft, ist ebenso überraschend wie besorgniserregend. Die europäischen Unternehmen sind von der Finanzierung durch die Banken sehr viel abhängiger als US-amerikanische Unternehmen, sodass die Sorgen nicht nur die Lage der Banken sondern die gesamte europäische Wirtschaft betreffen. ... Der Absturz der Bank-Aktien ist zu einem großen Teil Folge einer Überreaktion des Marktes, er beinhaltet aber eine ernstzunehmende Warnung. Der Bankensektor ist das Thermometer der Wirtschaft - dessen Quecksilbersäule jetzt bedenklich gestiegen ist.“
Keine Zuversicht an den Märkten
Die Talfahrt der Börsen ist vor allem dem um sich greifenden Pessimismus geschuldet, stellt die Tageszeitung La Libre Belgique fest:
„Den aktuell vorherrschenden Gemütszustand kann man mit einem Wort zusammenfassen: Entmutigung. Diese ist so stark, dass die Aktiengewinne des letzten Jahres in etwas mehr als fünf Wochen verpufft sind. Dabei gab es in den letzten Tagen eigentlich keine Neuigkeit, die ein Grund wäre, die Abwärtsspirale zu verstärken. Aber wir wissen ja: Psychologie treibt die Aktienmärkte an und das kann zu exzessivem und irrationalem Kauf-und Verkaufsverhalten führen. … Die Befürchtungen wachsen, dass China und die USA das weltweite Wirtschaftswachstum belasten, und der Einbruch der Rohstoffkurse und die Zweifel an der Gesundheit mancher Großbanken nähren den Pessimismus.“
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