EU-Kommission reagiert auf Panama Papers
Nach den Panama-Enthüllungen will die EU-Kommission multinationale Firmen zu mehr Transparenz verpflichten. Entsprechende Pläne präsentierte am Dienstag Finanzkommissar Jonathan Hill. Einige Kommentatoren begrüßen den Vorstoß, fordern aber gleichzeitig weitere Schritte. Andere halten eine gerechte Welt ohne Steueroasen für illusorisch.
Öffentlichkeit ist ein guter Wächter
Die Wirtschaftszeitung Kauppalehti begrüßt den Vorschlag der EU-Kommission, wonach Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro ihre Einnahmen und Steuerzahlungen nach Ländern aufschlüsseln sollen:
„Ziel der Regelung ist es, dass Unternehmen ihre Steuern dort zahlen, wo die Einnahmen erzielt wurden. Das neue Gesetz knüpft an frühere Rechtsvorschriften an, geht aber durch die Offenlegung von Daten einen Schritt weiter. Die EU hofft, dass Transparenz die aggressive Steuerplanung eindämmt. Die Wirtschaft ist von der neuen Regelung der EU hingegen nicht begeistert. Die Unternehmen fürchten öffentliche Kritik und Fehlinterpretationen der Daten. Die Panama Papers haben aber gezeigt, dass die Öffentlichkeit oft ein besserer Wächter ist als die Behörden. Häufig rütteln Missstände erst wach, wenn sie öffentliches Aufsehen erregen.“
Bitte keine Scheinmaßnahmen
Die Vorschläge der EU gehen in die richtige Richtung, reichen aber nicht aus, mahnt die katholische Tageszeitung Avvenire:
„Allem Anschein zum Trotz sind die Panama Papers und der weltweite Skandal der VIPs, die ihre üppigen Verdienste in Steueroasen verstecken, eine gute Nachricht: Die Welt ist zu klein geworden, um derartige Verhaltensweisen zu verbergen und die internationalen Institutionen, die Staaten und die öffentliche Meinung sind nicht länger bereit, dieses Phänomen so hinzunehmen. … Ein konkreter Vorstoß ist die Pflicht, die sogenannte Country-by-Country-Reporting-Regel zu befolgen. Die EU hat jüngst entschieden, diese Richtung einzuschlagen. Allerdings mit einer Maßnahme, die unserer Meinung nach noch vollkommen unzureichend ist. Dass die EU wirklich eingreifen will, ist zu bezweifeln, sie schürt den Verdacht, sie lasse sich von den Lobbys beeinflussen. Schon allein die Schwelle von 750 Millionen Umsatz, ab der die Pflicht gelten soll, nimmt einen Großteil der Unternehmen aus.“
Eine Welt ohne Steueroasen ist eine Illusion
So himmlisch einem eine Welt ohne Steueroasen nach den Panama-Papers auch erscheinen mag, realistisch ist diese nicht, erklärt die liberale Tageszeitung Večer:
„Der Hauptgrund dafür ist, dass man durch das Austrocknen der Steueroasen die Finanzindustrie und die multinationalen Firmen enthaupten würde, die die globale Wirtschaft beherrschen. So würden auch alle unaufrichtigen und unfähigen Politiker gehen müssen, die von dieser Industrie auf die Posten gehoben wird, in den größten und einflussreichsten ebenso wie in den ärmsten Ländern. Das ist der moderne Kapitalismus, der für die meisten Menschen alles andere als schön ist. Trotzdem wird ihn diese Mehrheit nicht stürzen können. Diese Mehrheit ist zu uneins, zu entfremdet, zufrieden mit ihren eigenen kleinen Tricks, mit denen sie den Staat betrügt. Und außerdem sind die Regale gut mit billiger Ware gefüllt.“
Schäubles Pläne gehen nicht weit genug
Bundesfinanzminister Schäuble hat einen Zehn-Punkte-Plan für den Kampf gegen Steuerbetrug und Geldwäsche angekündigt, den er am kommenden Wochenende auf der IWF-Frühjahrstagung zur Diskussion stellen will. Nur ein international abgestimmtes Vorgehen hat Erfolgschancen, glaubt der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk:
„Warum etwa ist auch die Regierung in London immer gern dabei, wenn es um publikumswirksame Initiativen gegen Steuerverkürzung und anderes geht, und gleichzeitig geht die Zahl der Briefkastenfirmen in britischen Überseegebieten immer noch in die Hunderttausende? Wieso legen die USA anderen Staaten gerne die Daumenschrauben an, wenn diese im Verdacht stehen, US-Bürgern bei unlauteren Deals Unterschlupf zu bieten, aber umgekehrt tut sich nichts etwa bei den beliebten Briefkastenfirmen im US-Bundestaat Delaware? ... Steuerfahnder und Kripobeamte, die jeden Tag gegen Wirtschaftskriminelle ermitteln - ihnen allen gehen Schäubles Vorschläge nicht weit genug.“
Offshore-Praktiken zu Unrecht im Zwielicht
Die Möglichkeit, Briefkastenfirmen zu gründen, ist für den internationalen Handel enorm wichtig, verteidigt die konservative Tageszeitung The Daily Telegraph die umstrittenen Offshore-Praktiken:
„Ein großer Teil der finanziellen Praktiken im Offshore-Bereich ist gesetzeskonform und legitim. In vielen Fällen sind sie für die reibungslose Abwicklung globaler Geschäfte unerlässlich. ... Offshore-Zentren erleichtern die Verschiebung von Kapital und verkleinern die Hürden für Handel und Investitionen. ... Das Problem beim Thema Steuervermeidung sind nach den Worten von US-Präsident Barack Obama die 'so unzureichend gestalteten Gesetze'. Diese wurden für eine Zeit vor der Globalisierung konzipiert. Daher sollten die Gesetze repariert und jene bestraft werden, die sie brechen. Jagt aber bitte nicht Menschen, deren einziges Verbrechen darin besteht, reich zu sein!“
Das Geschäftsrecht muss reformiert werden
Um die Offshore-Praxis zu unterbinden, müsste man einfach nur das Geschäftsrecht reformieren, meint Edward Lucas in einem Kommentar der Nachrichtenagentur BNS:
„Ab dem kommenden Jahr sollte jede Geschäftsabmachung, die eine Überweisung von einer Million US-Dollar oder mehr beinhaltet, nur dann als juristisch verpflichtend gelten, wenn der Empfänger genannt wird. Wenn Sie ein Haus in London vermieten, ein Casino in Monaco verkaufen oder einen Öltanker in Noworossijsk erwerben möchten, müssten Sie sagen, wer Sie sind. Und angeben, wer die andere Geschäftspartei ist. Andernfalls würde Ihnen vor Gericht kein Recht gewährt. ... Derartige Beschränkungen würden niemandem Sorgen bereiten, der die Gesetze befolgt. Sie wären jedoch sehr unbequem für diejenigen, die ihre Geschäfte mit Hilfe von geschickten Anwaltskanzleien in exotischen Ländern erledigen.“
Internationale Gesetze statt Appelle
Die Veröffentlichung der Panama Papers zeigt, dass es nicht ausreicht, an die Moral der Menschen zu appellieren, konstatiert die christliche Tageszeitung Kristeligt Dagblad:
„Im November gelang es dem Steuerchef der OECD, Pascal Saint-Amans, die USA, die EU, Indien, China, Russland und Brasilien zu einem Versuch zu bewegen, ihre Steuerregeln und -verwaltungen zu harmonisieren. Es muss also auch möglich sein, Druck auf die kleinen Steueroasen auszuüben, damit sie nicht länger ein Hafen für versteckte Vermögen werden. Das ist ein schwieriger Prozess und die Gier der Menschen hat bisher zu sehr kreativen Lösungen geführt, wenn es darum geht, Steuern zu sparen. Eine Gesetzgebung ist hier der einzige Weg. Appelle an die Moral reichen nicht aus, denn das Gewissen der Menschen leidet offenbar zu sehr unter dem Sündenfall.“
Enthüllungen machen die Welt gerechter
Unabhängig davon, wer für die Veröffentlichung der Panama Papers verantwortlich ist, wird sie sich positiv auswirken, glaubt die linksliberale Wirtschaftszeitung Cinco Días:
„Held oder Bösewicht? Wir wissen noch nicht, wer die Information veröffentlicht hat. Aber wir können uns die Konsequenzen ausrechnen. ... Die Steuerlast muss auf die Wirtschaftskraft der Steuerzahler verteilt werden - und das auf gerechte und progressive Weise. Wenn nun nicht mehr die Devise gilt, dass immer dieselben die Zeche zahlen müssen, ist das gut. Ein Held oder ein Bösewicht, wer auch immer, hat einem neuen Steuerfrühling die Türen geöffnet.“
Enthüllungen werden nichts verändern
Nach Veröffentlichung der Panama Papers wird sich nichts ändern, davon ist die liberale Tageszeitung Večer überzeugt:
„In den Steueroasen koexistieren die 'Linken' und die 'Rechten', die Politik und das Kapital. ... Es ist eine Koalition, die stark ist und dafür sorgt, dass die Steueroasen erhalten bleiben, auch wenn die Politiker immer wieder gesagt haben, sie würden diese abschaffen, oder zumindest stark regulieren. Können wir uns angesichts dieser bunten Bruderschaft im Steuerhimmel der Illusion hingeben, dass sich nach den Panama Papers etwas ändern wird? ... Vielleicht nur in Island, wo die Menschen letzte Nacht vor dem Parlament demonstriert haben.“
Steueroasen sind Fundament des Finanzsystems
Warum die baldige Austrocknung von Steueroasen illusorisch ist, erklärt der Investmentexperte Christophe Servan im rechten Onlinemagazin Boulevard Voltaire:
„Das Unerhörteste an der ganzen Sache ist, dass die Gelder, die am Fiskus vorbeigeschleust werden, größtenteils in die Finanzierung von Staatsschulden investiert werden. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. ... Diejenigen, die hoffen, dass die Verbreitung der Panama Papers das Ende der Steuerhinterziehung ankündigt, machen sich Illusionen. Denn die beschuldigte panamaische Kanzlei Mossack Fonseca ist nur eine von einem Dutzend weiterer. Vor allem - und das ist der wichtigste Punkt - erreicht die Steuerhinterziehung derzeit ein derartiges Ausmaß, dass Bekämpfungsmaßnahmen das gesamte internationale Finanzsystem erschüttern könnten.“
Selbstanzeigen werden zunehmen
Die Veröffentlichung der Panama Papers hat ihren Zweck bereits erfüllt, glaubt dagegen das wirtschaftsliberale Wirtschaftsblatt:
„Die Datengröße der Panama-Papers ist beeindruckend. Gleichwohl weiß man schon jetzt, dass die Erhebungen zu etlichen aufsehenerregenden Fällen im Sand verlaufen werden. Die nationalen Behörden entschuldigen sich ja bereits, dass man einfach hinterherhinke. Die Enthüllungen haben aber ihre größte Wirkung schon entfaltet: Wie jedes Mal werden die Selbstanzeigen zunehmen. Und wer Geld unrechtmäßig verschiebt, tut es zumindest mit dem Wissen, dass der nächste Whistleblower wartet.“
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