EU und Türkei wollen wieder miteinander reden
Wochenlang hat es in den Beziehungen geknirscht, nun versuchen die EU und die Türkei eine vorsichtige Annäherung: In Bratislava kamen die EU-Außenminister und der türkische Europaminister Ömer Çelik zu Gesprächen zusammen. Ein neuer Anlass für die Presse, um zu diskutieren, ob die Türkei und die EU zusammenpassen.
Wie der Westen mit den Türken verhandeln muss
Was bei Verhandlungen mit türkischen Politikern und Diplomaten zählt, weiß der Politologe Ognjan Mintschew im Nachrichtenportal Club Z:
„Um die Türken zu verstehen, muss man sich aus meiner Erfahrung vor allem an zwei Dingen orientieren: An ihrem ausgeprägten Nationalismus und ihrem geradezu krankhaft zugespitzten Selbstwertgefühl, besonders in Gesprächen mit Vertretern des Westens, die kritisch gegenüber der Türkei eingestellt sind. … Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass die Türken nur solche Gesprächspartner ernst nehmen, die selbst viel Würde und ein hohes Selbstwertgefühl demonstrieren. Sogar Macht und Stärke sind weniger wichtig. … Gesenkten Hauptes geht man nicht zu den Türken. Was man auch von ihnen verlangt, bereit ist zu geben oder von ihnen erbittet: man muss es erhobenen Hauptes, mit viel Würde tun, und ohne Angst!“
Die Türkei gehört nicht zur EU
Die Türkei hat nichts in der EU verloren, erklärt Geograph Iosif Daniel auf dem Blogportal Contributors:
„Wie stabil kann ein Land sein, das seit drei Jahrzehnten einen Krieg gegen eine Minderheit führt (die durch Terrorismus unterstützt wird, das ist wahr)? In der Türkei leben rund 13 Millionen Kurden - 20 Prozent der Gesamtbevölkerung - vor allem im Südosten des Landes, auch in Istanbul (rund 4 Millionen). 1978 wurde die PKK gegründet, von 1984 an gab es bewaffnete Konflikte zwischen Ankara und den Militanten der Partei. Auch wenn 1999 der Chef der Kurdenbewegung, Abdullah Öcalan, zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, dirigiert er weiterhin die Aktionen der Kämpfer. Seit Juli 2015 hat sich der Konflikt besorgniserregend ausgeweitet, mehr als 6.000 Menschen starben. Und die Türkei, die an die Epoche von Sultan Mehmed II. anzuknüpfen versucht, will Teil der EU werden. … Wäre es nicht besser, die Grenzen Europas so zu belassen, wie sie seit langem bestehen? Größer bedeutet nicht besser.“
Isolation hat keinen Zweck
EU und Türkei sollten weiter eng zusammenarbeiten, plädiert die regierungstreue Sabah:
„Der Westen bedeutet immer eine Chance. ... Das zu ignorieren ist Unsinn und ihm den Rücken zu kehren, also eine Isolationspolitik zu betreiben, hat weder Sinn noch Zweck. Warum auch? ... Wenn der Westen kein Heuchler ist, nicht mit zweierlei Maß misst und sich tatsächlich auf eine Rechtsgrundlage bezieht, dann sollte er die Türkei sofort zum EU-Vollmitglied machen und die Visaregelung aufheben. Außerdem sollte er sich nach dem Putsch für sein großes Schweigen entschuldigen. ... Aber auch wir haben etwas zu tun. Natürlich müssen wir ihn über das Wesen der Gülen-Organisation aufklären. Und natürlich müssen wir uns trotz des Ausnahmezustands nach dem Putsch innerhalb der Grenzen von Demokratie und Gesetz bewegen.“
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