G20 wollen Weltwirtschaft in Schwung bringen
Ein Aktionsprogramm zur Ankurbelung der Weltwirtschaft: Das versprechen die Chefs der wichtigen Industrienationen in ihrer Abschlusserklärung des G20-Gipfels im chinesischen Hangzhou. Einige Kommentatoren hätten sich vom Gipfel mehr erhofft, für andere markiert er den Beginn vom Ende der Sparpolitik, die vor allem in der EU herrscht.
Bedarf für G20-Gespräche ist groß
Warum die Welt sich über G20-Gipfel freuen sollte, erklärt Jyllands-Posten:
„Weil sie das einzige globale Forum sind, in dem die wichtigsten Staats- und Regierungschefs sich im informellen Rahmen treffen können. ... Allerdings leben wir in einer Zeit, in der der Wille, politisches Kapital zu investieren, um gemeinsame globale Herausforderungen zu meistern, bedenkenswert bescheiden ist; vor allem wenn man den zunehmenden Populismus in Europa, den USA und anderen Teilen der Welt betrachtet, der vor jeglicher Verantwortung flieht. Dabei besteht gerade jetzt der Bedarf an einem wirtschaftlich ergebnisorientierten Dialog, der der Weltbevölkerung zeigt, dass Zusammenarbeit Wohlstand und Jobs schafft und die Ungleichheit vermindert. In dieser Hinsicht hat G20 bisher wenig geliefert.“
Das Ende des Sparzwangs ist eingeläutet
Nachdem die Teilnehmer des G20-Treffens sich für öffentliche Ausgaben zur Ankurbelung der Weltwirtschaft ausgesprochen haben, hofft Le Soir auf einen Paradigmenwechsel innerhalb der EU:
„Die Währungspolitik und ihre Zinssenkungen können nicht alles richten, so viel ist nun klar geworden. Es fehlen jene Momente politischen Muts, die es den Regierungschefs schließlich erlauben, die bislang von der Europäischen Zentralbank getragene Verantwortung zu übernehmen und für gewisse staatliche Ausgaben die Haushaltsregeln zu lockern. Die Kommission scheint zu einem Kurswechsel bereit zu sein. Auf europäischer Ebene fehlt jedoch ein letzter politischer Anstoß, um Deutschland ein 'Ja' abzuringen, das den endgültigen Ausschlag geben könnte, die Sparkuren zu beenden.“
Wer mehr Wachstum will, muss auch was tun
Wenig überzeugt von der Ernsthaftigkeit der Abschlusserklärung zeigt sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„In Hangzhou ging es einmal mehr um die Frage, wie man in den Industrie- und Schwellenländern mehr Wachstum schaffen kann. Die Geldpolitik erweist sich zunehmend als überfordert. Auch die Finanzpolitik ist an ihre Grenzen gestoßen, haben doch die Staatsschulden in vielen Ländern ein Ausmaß erreicht, das kaum zu bewältigen sein wird, wenn die Zinsen irgendwann steigen sollten. So bleiben als Wachstumsmotor tatsächlich nur wettbewerbsfördernde Reformen und neue Handelsvereinbarungen. Bekenntnisse sind hier leichter als Taten. China etwa hat seine Stahl-Überkapazitäten nicht, wie versprochen, abgebaut. Neue Freihandelsabkommen lassen auf sich warten. Wer mehr Wachstum will, muss hier mehr tun.“
Jetzt kann der Kampf gegen Ungleichheit beginnen
Hoffnung schöpft mit Blick auf die Abschlusserklärung des Gipfels die katholische Zeitung Avvenire:
„Der Ruf nach einem inklusiven Wachstum und die Erstellung einer schwarzen Liste der Steuerparadiese (wobei auch Strafmaßnahmen vorgesehen sind) sind zwei Signale des Abschlussdokuments, die hoffen lassen, dass 'Phase Zwei' der Globalisierung beginnt. In der ersten Phase hat die Integration der Produktions- und Arbeitsmärkte es Unternehmen und dem Großkapital erlaubt, einen schädlichen Dumpingwettbewerb zwischen Nationalstaaten zu betreiben. Es war und ist ein Wettstreit darum, wer in Sachen Besteuerung, Arbeitskosten und Arbeitsbedingungen 'das Beste' bieten und die großen, transnationalen Unternehmen überzeugen kann, sich im jeweiligen Land anzusiedeln. ... Es ist an der Zeit, diese erste Phase weltweit zu beenden, und wir sollten damit bei uns beginnen, in der EU, wo die Zeit reif ist für eine kooperative Strategie der Besteuerung der Unternehmen.“
Großmächte unkooperativ wie auf Wiener Kongress
Das G20-Treffen in Hangzhou erinnert die Zeitung Le Figaro an den Wiener Kongress 1814/15, auf dem nach dem Ende der Koalitionskriege Europa neu geordnet wurde:
„Wie gerne würden wir in einer Welt leben, in der Recht und Fairplay herrschen. In einer Welt, in der Peking eine gerechte Aufteilung des Südchinesischen Meeres akzeptiert und Moskau sich mit einer Nato-Erweiterung bis zum Don abfindet, in der die Flüchtlingslast auf alle Länder der Welt aufgeteilt wird, in der Washington auf das exorbitante Dollar-Privileg verzichtet, London von seinem Steuerdumping ablässt und Riad aufhört, die Expansion des Wahhabismus zu finanzieren. Doch von dieser idealen Welt war auf dem G20 in Hangzhou leider nichts zu sehen. Wir sind zum Konzert der Nationen des Wiener Kongresses zurückgekehrt. Zu diesem waren zwar rund 200 europäische Ministaaten eingeladen, entschieden wurde jedoch alles von den Großmächten. Es geht uns nicht mehr um das Recht, sondern nur noch um das Mächtegleichgewicht.“