Was wird aus dem "Dschungel von Calais"?
Das als "Dschungel von Calais" berüchtigt gewordene Flüchtlingslager in der nordfranzösischen Stadt am Ärmelkanal soll nach dem Willen von Präsident Hollande aufgelöst werden. Bei seinem ersten Besuch in Calais kündigte er an, die mehr als 10.000 Bewohner innerhalb Frankreichs umzusiedeln. Hoffentlich macht Hollande sein Versprechen wahr, seufzen Kommentatoren und kritisieren sein zögerliches Vorgehen.
Hoffentlich macht der Präsident ernst
Hollandes Plan ist gut, aber nur, wenn er auch wirklich umgesetzt wird, urteilt La Croix:
„Hoffen wir, dass der Präsident gute Gründe hatte, am Montag diese Ankündigung zu wagen. Sollte sie nämlich nicht umgesetzt werden, wäre dies ein weiterer Beitrag zur Diskreditierung des politischen Worts, von der allein die extremistischen Parteien profitieren. Vielleicht setzt er auf eine erfolgreiche Verhandlung mit Großbritannien, das sich bislang im Wesentlichen mit der Finanzierung von Absperrungen begnügt hat. Würden legale Auswanderungskanäle geöffnet, wäre es viel einfacher, die Schleuserorganisationen auszutrocknen und die Flüchtlinge in Aufnahmezentren zu bringen, wo man sie hinsichtlich des am besten einzuschlagenden Wegs beraten kann - der nicht unbedingt nach Großbritannien führt.“
Hollandes Zögern hilft Sarkozy
Am Fall Calais zeigt sich exemplarisch, warum Hollande einem möglichen konservativen Präsidentschaftskandidaten Sarkozy unterlegen wäre, unkt Público:
„Mit der tatkräftigen Unterstützung von Hollande und seiner politischen Ineffektivität im Umgang mit schwierigen Themen ist es durchaus möglich, dass Sarkozy 2017 erneut Präsident wird. Man betrachte das Beispiel von Calais: Sarkozy war bereits zweimal da und hat versprochen, das Lager zu schließen und die Grenzen für neue Flüchtlinge dicht zu machen (was Frankreichs Konservative und extreme Rechte natürlich gerne hören). ... Hollande hat erst jetzt Calais besucht - nicht das Flüchtlingslager, nur die Stadt. Er hat versprochen das Lager noch vor dem Winter zu räumen. Sarkozy wiederum will - im Fall seiner Wahl - das Problem bis zum Sommer 2017 lösen. Sarkozy juchzt, Hollande zögert, weil der amtierende Präsident weiß, dass es keine Möglichkeiten gibt, so viele Menschen umzusiedeln.“
Marine Le Pen hat die Nase vorn
Mit ihrem immer härteren Kurs gegenüber Flüchtlingen stärken Frankreichs Sozialisten die Rechtspopulisten, kritisiert The Guardian:
„Von dieser bedauerlichen Kursänderung profitiert die Chefin des Front National, Marine Le Pen. Umfragen deuten darauf hin, dass sie so gut wie sicher die Stichwahl der Präsidentschaftswahl 2017 erreichen wird. Die Linke hingegen ist derart tief gespalten, dass ihre Chance, die Stichwahl zu erreichen, derzeit bei null zu liegen scheint. Frankreichs Politikern links der Mitte brechen, so wie der gesamten europäischen Sozialdemokratie, immer größere Teile der Wählerbasis weg. Die Stimmen der Gemäßigten werden nun von einem Außenstehenden, Emmanuel Macron, angezogen. Der 38-jährige Ex-Banker trat vor einem Monat als Wirtschaftsminister zurück, um die politische Bewegung En Marche! ins Leben zu rufen.“