Ponta-Partei feiert Comeback in Rumänien
Die sozialdemokratische PSD hat die Parlamentswahl in Rumänien mit 46 Prozent der Stimmen gewonnen - und das nur ein Jahr, nachdem die Ponta-Regierung nach Massenprotesten zurücktreten musste. Nationalliberale PNL und Newcomer-Partei USR waren für Premier Dacian Cioloș eingetreten, der seit November 2015 eine Technokraten-Regierung leitete. Die Presse sowohl in Rumänien als auch im Ausland zeigt sich vom Ausgang der Wahl ernüchtert.
Am Ende gewinnen doch die Korrupten
Das Wahlergebnis zeigt auch, dass der Kampf gegen Korruption in Rumänien noch lange nicht gewonnen ist, erklärt Der Standard:
„Die PSD ... ist nun sogar mit einem Spitzenkandidaten angetreten, der wegen Wahlbetrugs vorbestraft ist - und hatte damit Erfolg. Gewiss gibt es im Land Enttäuschung darüber, dass die vielen Korruptionsermittlungen Missstände bei so gut wie allen Parteien offenlegen. Hinter dem Wahlergebnis steht aber auch ein Diskurs, der an Abgrenzung gegen Zurufe von außen appelliert und heimische Kritiker zu Nestbeschmutzern erklärt. Dass trotz Regelverletzungen politische Erfolge erzielt werden können, ist längst ein globales Phänomen. Dass aber in ehemals kommunistischen Staaten die Regelverletzung jahrzehntelang auch eine gesellschaftlich anerkannte Strategie des täglichen Durchwurstelns war, macht dessen Bewältigung nicht gerade leichter.“
Das Sündenregister der Sozialisten ist lang
Nur den Kopf schütteln kann Publizist Szilárd Demeter darüber, dass ausgerechnet die Partei die Wahlen gewonnen hat, die so viel Dreck am Stecken hat. Er schreibt auf dem Meinungsportal Mandiner:
„Zur Erinnerung: Die rumänischen Sozialisten sind sozusagen das Küken Ion Iliescus [Präsident Rumäniens von Dezember 1989 bis 1996 und von 2000 bis 2004]. Unter Iliescu wurde das Land nicht nur skrupellos ausgeplündert, sondern man hat auch ein landesweites Netzwerk regionaler 'roter Barone' errichtet und die Korruption zur gängigen Lebenspraxis erhoben. Mehr noch: Gemeine Plagiatoren wurden in den Rang des Regierungschefs gehoben. Da nimmt es kaum wunder, dass auch der jetzige PSD-Chef und designierte Premier Liviu Dragnea wegen Wahlbetrugs schon einmal verurteilt wurden.“
Hoffentlich wacht die EU über Rumänien
Nach ihrem überragenden Wahlsieg kann die PSD den Staat quasi komplett kontrollieren, analysiert Europa Liberă:
„Doch anders als 1990, wo ganz ähnlich eine [parlamentarische] Mehrheit alle Machthebel in der Hand hielt, ist Rumänien heute in der EU. Damit ist das Land verpflichtet, gewisse Standards zu respektieren - auch wenn die Verfehlungen der ungarischen Nachbarn gerade etwas anderes belegen. Doch bei uns gibt es einen Kooperations- und Prüfmechanismus für die Justiz (MCV), mit dem die Europäische Kommission sehen kann, ob die einheimische Justiz funktioniert. ... Der PSD stehen alle Staatsinstitutionen zur Verfügung - von der Justiz, über den Geheimdienst bis hin zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Frage ist, ob die Partei über sie nach Belieben schalten und walten und in altes Gebaren aus ihrer Anfangszeit verfallen wird. Oder ob sie die Reife haben wird, ein bestimmtes Gleichgewicht zu bewahren. Die Erfahrung zeigt, dass man bei dieser Partei nicht gerade optimistisch sein kann.“
Primitive nationalistische Karte gespielt
Für das Nachrichtenportal Hotnews hätte die Wahl nicht schlechter ausgehen können:
„Die Skrupellosigkeit der PSD war letztlich gewinnbringend. Sie dämonisierte alles, was fremd schien. Parteichef [Liviu] Dragnea und die PSD konnten fast all ihren Kontrahenten einen negativen Stempel aufdrücken. … Die PSD setzte auf die primitive Karte des Nationalismus und der internationale Kontext hat sie darin ermutigt. Vom Brexit bis zu Trump wütet ein Abschottungsdiskurs. Zunächst blieben wir noch von dieser populistischen und antieuropäischen Welle verschont, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis sie in anderer Form auch bei uns auftauchte. … Das Ergebnis dieser Wahl ist ein Worst-Case-Szenario. Jetzt kann es nur noch um Schadensbegrenzung gehen, um eine Absicherung essentieller Institutionen [wie der Antikorruptionsbehörde] und den Erhalt der pro-europäischen und pro-westlichen Ausrichtung Rumäniens.“
Nationalliberale waren keine Alternative
România Liberă meint, die nationalliberale PNL habe als Kontrahent der PSD bei dieser Parlamentswahl versagt:
„Wenn wir nach dem Schuldigen suchen, der der PSD das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte beschert hat, dann muss man ihn nicht in der ländlichen Bevölkerung suchen, unter den 'Plebs', die für die Mafiosi gestimmt haben. Und auch nicht unter den 'Hipstern', die nicht wählen gegangen sind. Der Hauptschuldige ist die PNL, die uns seit vier Jahren für dumm verkaufen will: Sie ist 2012 als USL eine große Koalition mit den Sozialdemokraten eingegangen, die gegen den Rechtsstaat vorgingen. Und jetzt wollte sie sich als Engel und Verteidiger der Gerechtigkeit präsentieren. Jahrelang hat die PNL die PSD-Regierung von [Victor] Ponta unterstützt und nun wollte sie sich hinter [Premier] Dacian Ciolos verstecken. … Jetzt sollten sich die Liberalen nicht so über 'dieses dumme Volk' ärgern. Man kann den Wählern keinen Brei anbieten, den man als Kaviar verkauft und dann sauer sein, dass nur wenige anbeißen.“
Unterm Strich zählt für Rumänen nur das Geld
Die Rumänen lauschen zwar gerne den nationalistischen Wahlkampfreden, achten im Moment der Wahl aber doch eher auf ihren Geldbeutel, meint Adevârul:
„Der nationalistische Diskurs scheint dem Volk immer besser zu gefallen. Und zwar in der vulgärsten und plumpsten Form: Wir werden vom Ausland regiert, aus Brüssel, von den USA, von [dem US-amerikanischen Investor mit ungarischen Wurzeln] Soros, den Ungarn, den Freimaurern oder der heimlichen Weltordnung. ... Doch die Umfragen zeigen: Die Partei, die die Fahne des unterdrückten Rumänischtums schwenkt, erhält nicht mehr als drei Prozent der Stimmen der patriotischen Wählerschaft. Eine erste Erklärung: Die Rumänen sind intelligent und lassen sich nicht mit leeren Worten kaufen. Eine andere Erklärung: Die Rumänen sind pragmatisch. Es freut sie, wenn man ihnen sagt, dass die Ausländer schuld an allem Unheil seien, aber am Ende gefällt uns die Partei, die uns die größte Rente und weniger Steuern verspricht. “
Wahlkampf war vollkommen überflüssig
Ein neues rumänisches Wahlgesetz reguliert die Werbung für die Parteien strenger. Das hat aber nichts zu einem besseren Wahlkampf beigetragen, ärgert sich die Journalistin Iona Ene Dogioiu in Ziare.
„Es ist die letzte Woche des Wahlkampfs, den ich für außergewöhnlich überflüssig halte. Denn er hat nichts Bedeutendes zu einer verantwortungsbewussten Wahlentscheidung beigetragen. Er hat die Bürger nicht einmal dazu animiert, zu den Urnen zu gehen. Ohne wichtige Informationen, ohne echte Debatte und völlig emotionslos. Zusammengefasst also die Definition einer überflüssigen Kampagne. Daran sind nicht nur die Parteien, sondern auch das neue äußerst schwache Wahlgesetz schuld. Ich weiß nicht, warum wir immer von einem Extrem ins andere fallen müssen. Früher gab es keine Laterne, keinen Baum ohne Wahlplakat. Diesmal endete die Wahlkampagne, als sie laut Gesetz eigentlich beginnen sollte. Der Wähler muss die neuen Optionen für die Wahl irgendwie anders mitbekommen.“