Wie lange lässt die EZB den Geldhahn noch offen?
EZB-Chef Mario Draghi hat am Donnerstag angekündigt, das Kaufprogramm für Staatsanleihen bis mindestens Ende 2017 fortzusetzen. Ab April sollen monatlich jedoch nur noch 60 statt 80 Milliarden Euro in den Markt fließen. Draghi dreht den Geldhahn langsam zu, was vor allem Italien aufrütteln sollte, mahnen einige Kommentatoren. Andere glauben nicht an ein baldiges Ende des Kaufprogramms, da dies Europas Stabilität gefährden würde.
Das Ende des billigen Geldes naht
Das ist der Anfang vom Ende der lockeren Geldpolitik, warnt Corriere della Sera mit besorgtem Blick auf Italien:
„Mit sanften Worten schlägt die Europäische Zentralbank diesmal einen harschen Ton an. Es ist das erste Mal, seitdem ihr der Franzosen Jean-Claude Trichet vorstand, und es leitet eine Wende ein, deren Auswirkung sogar die noch ahnungslose politische Klasse in Rom zu spüren bekommen wird. Es ist keine Neuigkeit, dass das Schicksal Italiens von der Entschlossenheit des Eurotowers abhängt, an der Niedrigzinspolitik festzuhalten. Seit gestern aber ist dieser Wille nicht mehr unerschütterlich, egal ob Italien auf diesen Richtungswechsel, der sich abzeichnet, vorbereitet ist oder nicht. ... Der EZB-Entscheid enthält eine weitere Botschaft, die die politische Klasse in Rom begreifen könnte, wäre sie nicht so sehr mit sich selbst beschäftigt. ... Die Unterstützung aus Frankfurt zur Finanzierung der Schulden Roms wird vermutlich wegfallen, kurz nachdem Italien zu Neuwahlen schreiten wird.“
EZB reagiert auf Krise in Italien
Die Ankündigung, das Anleihenkaufprogramm zu verlängern, kommt zum jetzigen Zeitpunkt nicht von ungefähr, bemerken die Salzburger Nachrichten:
„Das Dilemma der Währungshüter sieht man ... auch daran, dass sie sich, ohne das zu wollen, der Politik ausgeliefert haben. Wie sehr, das zeigt sich in diesen Dezembertagen deutlich. Offiziell würden Mario Draghi & Co. ihren geldpolitischen Kurs nie und nimmer mit politischen Turbulenzen in einem Euroland begründen. Aber die Regierungskrise in Italien und die missliche Lage der Banken in Europas drittgrößter Volkswirtschaft bestimmen ihr Handeln. Das zeigt die Entscheidung, die Anleihenkäufe ab April fortzusetzen, wenn auch in reduziertem Umfang.“
Draghi kämpft auch gegen Populisten
Mit der expansiven Geldpolitik will Draghi nicht nur das europäische Bankensystem ölen und den wirtschaftlichen Aufschwung erleichtern, glaubt La Vanguardia:
„Mario Draghi will vermeiden, dass eine schwächelnde Wirtschaft Geert Wilders, Marine Le Pen oder Beppe Grillo Flügel verleiht. Die Krise ist zwar nicht der einzige Grund für deren Aufschwung, aber ohne sie hätten sie sicher nicht so einen großen Stimmenanteil und so viel Selbstsicherheit gewonnen: Sie könnten die EU auch vernichten, anstatt sie zu erneuern. Draghi, der Schutzengel des Euro, will das ferne Ziel der Inflationsrate von zwei Prozent erreichen. Deshalb bleibt der Zinssatz erstmal bei null Prozent. Jetzt können wir nur hoffen, dass die Wahlen 2017 die EU nicht zugrunde richten.“
Regierungen sollten Super Mario danken
Dank Mario Draghi liegt die ungelöste Staatsschuldenkrise weiterhin auf Eis, betont Vitor Costa in Público:
„Super Mario, wie Draghi genannt wird, hat mehr als jeder andere Verantwortliche in der Eurozone dazu beigetragen, dass das Projekt der einheitlichen Währung fortgesetzt werden kann. Portugal konnte zum Beispiel dank der EZB-Politik an die Märkte zurückkehren und sich für den Moment dort finanzieren. ... Die Entscheidung von Donnerstag ist ein weiterer Schritt, damit Europa - und vor allem die Eurozone - Zeit gewinnen. Die Staatsschuldenkrise liegt weiterhin auf Eis. Mehr nicht. Die Lösung dieser Krise liegt nicht in der Macht von Mario Draghi - oder zumindest ist er nicht alleine dafür verantwortlich. Und bis die europäischen Staats- und Regierungschefs eine Lösung finden, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns bei Super Mario zu bedanken. Dafür, dass er dieses Problem weiter in der Warteschleife hält.“