Hat Putin den US-Wahlkampf manipuliert?
Putin persönlich soll Hackerangriffe zur Manipulation des US-Wahlkampfs angeordnet haben. So lautet die Kernaussage eines Berichts der US-Geheimdienste. Putins Einmischung in den US-Wahlkampf hat vor allem mit Rachegelüsten zu tun, meinen Kommentatoren und prophezeien, dass die Präsidentschaft Trumps sehr holprig beginnt.
Putins Einmischung ist nichts als Rache
Putin sieht die Einmischung in den US-Wahlkampf als Rache für die US-amerikanische Unterstützung der Massenproteste in Moskau 2011 und Kiew 2013, interpretiert der Politologe José Ignacio Torreblanca in El País:
„Putins Überzeugung, dass die USA [seit 2011] eine Politik der Destabilisierung und Isolation Russlands betreiben, bestätigte sich bei den Protesten auf dem Maidan in Kiew im Dezember 2013, die in der Absetzung des Präsidenten Wiktor Janukowytsch gipfelten und in dem Einflussverlust in dem für Russland strategisch wichtigen Land. Putin beschrieb dies stets als von Washington gesteuerten Staatsstreich. Die russische Einmischung in den US-Wahlkampf und die Art, wie die russischen Geheimdienste Trump und seine Gefolgsleute unterstützten (oder anheuerten?), sind die logische Bestrafung von Obama und Hillary Clinton, die laut Putin hinter dieser Strategie standen. Der ehemalige KGB-Offizier Wladimir Putin verzeiht und vergisst nicht.“
Trump-Ära beginnt sehr ungemütlich
Die Lage vor der Amtseinführung von Donald Trump ist für die USA alles andere als rosig, konstatiert Le Figaro:
„In diesem schwindelerregenden und verhängnisvollen Durcheinander zeichnen sich zwei oder drei Gewissheiten ab. Trump wird sich gegenüber seinen Spionen als schmollender Generalissimus aufführen, was bedauerlich ist. Die vom künftigen Präsidenten gewünschte Annäherung an Russland wird komplizierter als gedacht und birgt für ihn das Risiko, ständig als Lakai Putins behandelt zu werden. Amerika wird auch aus dieser Angelegenheit nicht gestärkt hervorgehen. Wir sind noch sehr weit von einem Impeachment-Verfahren entfernt, jenem Amtsenthebungsverfahren, das bereits gegen drei US-Präsidenten eingeleitet wurde. Die Ära Trump beginnt jedoch mit einem Unwetter. Und mit der Schlammflut drängt sich eine Frage auf: Wie viele solcher unfassbaren Donnerschläge kann das solide US-amerikanische System noch aushalten?“
Trumps Auftreten ermutigt aggressives Russland
Besorgt darüber, dass Russlands dreiste Einmischung in die US-Innenpolitik ohne Konsequenzen bleiben wird, zeigt sich die Wochenzeitung Revista 22:
„Die Analyse der Geheimdienste wollte nicht das Wahlergebnis infrage stellen. Darum ging es nie. Das Hauptproblem ist der Präzedenzfall, der mit der russischen Einmischung geschaffen wurde. Es handelt sich um einen Anschlag auf die amerikanische Demokratie. … Nun müsste es deshalb darum gehen, wie man Russland sanktioniert, und nicht darum, ihm Anerkennung auszusprechen und es zu umarmen. ... Um eine wirklich abschreckende Wirkung zu erreichen, müsste es Sanktionen geben, bis die 'glaubwürdige Abschreckung als Ganzes wieder hergestellt ist' (John McCain). Doch was das betrifft, sendet Trump bislang ganz andere Signale. Vor allem seine Verachtung gegenüber Bündnissen, internationalen Institutionen und Normen, gegenüber der gesamten Nachkriegsarchitektur, gibt dem räuberischen Verhalten Moskaus nur weiter Auftrieb.“
Moskaus Propaganda selbstbewusst entgegentreten
Russland droht nach Informationen der US-Geheimdienste mit gezielten Angriffen auch Wahlen in Europa zu beeinflussen. Das ist wie im Kalten Krieg, nur dass der Westen an eine derartige Konfrontation nicht mehr gewöhnt ist, analysiert NRC Handelsblad:
„Nach dem Kalten Krieg wurde eifrig die Friedensdividende kassiert. Doch mit den Panzern wurde auch das Misstrauen abgeschafft und das war voreilig. ... Die russische Propaganda zielt vor allem darauf, den politischen Unfrieden und Mangel an Selbstvertrauen im Westen anzustacheln. ... Das ist kein Grund zur Panik. Aber wir müssen wachsam sein und unseren gesunden Menschenverstand einsetzen, wenn in Zeitungen und auf Twitter wilde Geschichten auftauchen, die jeder Grundlage entbehren. Auch für die Desinformationskampagnen gilt: Die Stärke des Angreifers wird mitbestimmt durch die Schwäche seiner Beute.“
Vertrauen in US-Geheimdienste sinkt
Keinen Glauben schenkt Diena den Berichten der US-Geheimdienste, die aus zwei Gründen problematisch sind:
„Solch spektakuläre Aussagen mit weitreichenden politischen Folgen, an deren Wahrheitsgehalt wegen Mangel an Beweisen ernsthafte Zweifel bestehen, sind so regelmäßig geworden, dass das Vertrauen in die US-Geheimdienste nicht nur in den USA sinkt, sondern auch im Rest der Welt. ... Der Westen erlebt momentan eine tiefe Wertekrise. Dass viele Leute an politisierte Aussagen glauben, die ohne überzeugende Beweise veröffentlicht werden, ist nicht die starke Seite der westlichen Gesellschaft. Gleichzeitig kann eine solche Situation dazu führen, dass die Öffentlichkeit in Zukunft wichtigen Warnungen nicht glauben wird, auch wenn sie begründet und wahr sind.“
Trump ist Putins Präsident
Die russischen Hackerangriffe haben das US-amerikanische demokratische System in seinen Grundfesten erschüttert, klagt Kolumnist Charles M. Blow in der New York Times:
„Mister Trump, Ihr Wahlsieg ist unsauber. Ihre Legitimität wird zu Recht in Zweifel gezogen. Das US-amerikanische Volk gab seine Stimme im Nebel von Fake News und unter dem Einfluss von gestohlenem Eigentum ab, das als Propagandawaffe instrumentalisiert wurde. Einige mögen zögern, zu behaupten, dass die amerikanische Präsidentschaft gestohlen wurde. Doch es ist unwiderlegbar, dass die Integrität unseres demokratischen Prozesses verletzt wurde, als das aus unserer Sicht heilige Prinzip der nicht korrumpierbaren Selbstbestimmung angegriffen wurde. Donald Trump ist Wladimir Putins Präsident - offensichtlich ist er dessen Präferenz und womöglich auch dessen Endprodukt.“
CIA und FBI bewegen sich auf dünnem Eis
Im Bericht der drei US-Geheimdienste heißt es, dass CIA und FBI sich sicher sind, dass Putin persönlich die Kampagne zur Beeinflussung der US-amerikanischen Wahl in Auftrag gegeben hat. Die NSA sei sich dagegen nur mäßig sicher. Das findet Moskowskij Komsomolez entlarvend:
„Ausgerechnet der dritte Dienst, die National Security Agency (NSA), ist nur mittelmäßig überzeugt. Die CIA und das FBI stützen sich auf Geheimdienstquellen, die kaum als Beweise herhalten können. ... Die einzigen faktischen Beweise (abgefangene Mails, gehackte Datenbanken) für Cyberaktivität aus dem Kreml hätte die NSA liefern können, die sich mit der technischen Analyse von Daten befasst. Doch ausgerechnet dieser Dienst ist sich weit weniger sicher als die beiden anderen, dass die Schuld beim Kreml liegt. Nein, in der NSA sind keine russischen Agenten gelandet. Vielmehr sind die möglichen Beweise, die die NSA bereitstellen könnte, im Gegensatz zum Gequatsche der anderen Dienste, sehr leicht überprüfbar.“
Kreml hat das nächste Ziel schon im Blick
Als nächstes wird Moskau den Bundestagswahlkampf manipulieren, sagt Dilema Veche voraus:
„Der Kreml hat allen Grund, in die Offensive zu gehen. Seit der Krim-Annexion 2014 war Angela Merkel die entschiedenste Stimme, die sich für Sanktionen gegen Russland ausgesprochen hat. Sie ist am entschlossensten für eine vereinte EU aufgetreten, als Bastion liberaler Werte, als eine Art politischer und ökonomischer Wall gegen Russland. Die New York Times schreibt, es scheint, als wolle Russland Merkel in diesem Jahr das bescheren, was es 2016 Hillary beschert hat. Die Zeitung hat keinen Zweifel, dass die Hacker-Armeen bereits den Auftrag dazu haben. … Die Folgen solcher Kampagnen aus Propaganda, Falschinformationen, Ängsten und einem Hassdiskurs hat man ja eindeutig sehen können. Die Behörden haben allen Grund, das als wahre Aggressionen einzustufen und entsprechend zu reagieren.“
Schwäche der USA besorgniserregend
Die Lage in den USA ist auch für Europa höchst beunruhigend, findet Le Monde:
„Die konfliktbeladene Amtsübergabe ist bedauerlich. Aber die Destabilisierung der amerikanischen Geheimdienste ist es noch mehr, denn das geht über innenpolitische Spannungen hinaus. Sie schwächt die USA gegenüber Russland zu einem Zeitpunkt, wo Präsident Putin seinen Willen nach einem starken Auftreten auf der internationalen Bühne immer mehr Nachdruck verleiht, und wo die westlichen Demokratien, tief in mehrere Krisen verstrickt, sich zurückziehen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass China und andere das künftige amerikanische Regierungsoberhaupt mit größtem Interesse gestikulieren und zetern sehen. Aus europäischer Perspektive betrachtet ist das Spektakel nicht nur bedrückend, es ist höchst besorgniserregend.“
Die digitale Welt ist unsicher
Der Bericht der US-Geheimdienste zeigt, dass der Cyberkrieg längst Realität ist, stellt De Tijd fest:
„Erneut ist das ein Beweis dafür, dass die digitale Welt eine total unsichere Welt geworden ist. Buchstäblich alles kann ausgegraben und geraubt, gefälscht oder missbraucht werden. Sicherheit existiert nicht in der Cyberwelt - das ist offensichtlich. Natürlich nutzen die Großmächte die Cyberwelt, um ihren Einfluss zu vergrößern - das wird Putin sicher auch tun. Aber wir sollten nicht vergessen, dass es fast nur amerikanische Unternehmen sind, die die Cyberwelt gestalten. Die US-Geheimdienste haben also einen natürlichen Vorsprung vor dem Rest der Welt. Das Problem ist nur, dass jeder die Löcher im System ausnutzen kann. Und genau das geschieht nun in den USA.“
Das eigentliche Problem heißt Trump
Das größte Problem in der Debatte um den US-Geheimdienstbericht ist nicht Wladimir Putin, sondern Donald Trump, urteilt die Neue Zürcher Zeitung:
„Es braucht keinen Geheimdienstbericht, um zu erkennen, dass Russland einen eigentlichen Informationskrieg gegen westliche Demokratien führt. Auch private Sicherheitsfirmen haben Indizien für eine russische Spur hinter den Hackerangriffen auf die Partei Hillary Clintons zusammengetragen. Die Präferenz des Kremls für den Republikaner Trump war nie ein Geheimnis, ebenso wenig wie dessen Bewunderung für den starken Mann in Moskau. Das Beunruhigendste an dieser Geschichte ist nicht, dass Russland die amerikanische Politik manipulieren will. Alarmierend ist vielmehr, dass bald ein Mann im Weissen Haus sitzt, der vor dieser Tatsache beharrlich die Augen verschliesst und die von Russland ausgehende Gefahr nicht erkennen will.“
Vorwurf der USA ist Unsinn
Den Bericht der US-Geheimdienste über russische Hackerangriffe im US-Wahlkampf hält das Nachrichtenportal news.bg für Propaganda:
„Zu bestimmen, aus welchem Land ein Hackerangriff kommt, ist so gut wie unmöglich, weil die Hacker über Tausende IP-Adressen verfügen. Sie könnten beispielsweise über Japan und China angreifen und dabei absichtlich kyrillische Buchstaben in den Code einstreuen. So etwas dient zur Ablenkung und kann nicht als Beweismittel dafür verwendet werden, dass der Angriff aus Russland kam. Die Hacker könnten in Russland, Japan oder auch in Afrika sitzen. Zu behaupten, dass Putin persönlich hinter dem Hackerangriff steckt, ist demnach völliger Unsinn. Das Vorgehen der Geheimdienste wird mit Sicherheit früher oder später als Teil der amerikanischen Propaganda im Informationskrieg auffliegen.“