Angst vor islamistischem Terror
Der Anschlag in Manchester hat in Europas Presse erneut eine Debatte darüber ausgelöst, wie man auf islamistisch motivierten Terror reagieren sollte. Können Militäraktionen den Terrorismus stoppen?
Terror kann nicht militärisch besiegt werden
Die Entscheidung der Nato, sich der US-geführten internationalen Koalition gegen die IS-Terrormiliz anzuschließen, ist der falsche Weg, kritisiert Delo:
„Erstens, weil es nach all den Erfahrungen mit George W. Bushs Kriegen suggeriert, dass der Terrorismus militärisch besiegt werden kann und man dazu das stärkste Militärbündnis der Welt braucht. … Zweitens schickt die Nato eine völlig falsche symbolische Botschaft, auf die die Propagandisten des IS nur gewartet haben. Nämlich, dass sich der Westen mit seinem stärksten Militärbündnis jetzt für einen 'Kreuzzug gegen den Islam' entschieden hat. Der IS kann mit einer genügend hohen Zahl von Selbstmordattentätern 'im Namen Allahs' rechnen. Und drittens, dass sich die Nato, mit den USA und Trump an der Spitze, der dem 'demokratischen' Saudischen Königreich kurz zuvor Waffen im Wert von 110 Milliarden Dollar verkauft hat, im inner-islamischen Glaubenskonflikt auf eine Seite gestellt hat.“
Die Geister, die der Westen rief
Der Anschlag in Manchester zeigt einmal mehr, wie westliche Außenpolitik Terror hervorbringt, erläutert der britische Essayist Tariq Ali in Le Monde:
„Was hat [den Attentäter] Salman Abedi motiviert? Die westliche Außenpolitik ist heute immer unter den Elementen, die dazu beitragen, die politische Psychologie eines Terroristen zu bilden. Abedis Eltern sind Flüchtlinge aus Libyen. 2011 hat die Nato Libyen sechs Monate lang bombardiert. ... Bestimmte offizielle Statistiken schätzen, dass diese Intervention mehrere Tausend Todesopfer gefordert hat, und noch mehr Menschen obdachlos wurden. Heute ist Libyen letztlich nicht viel mehr als ein Trümmerfeld, aufgeteilt in drei Zonen, die jeweils von einer Gruppe Dschihadisten regiert wird. Vielleicht hat das nichts zu tun mit Abedis Entscheidungen, doch ich glaube das nicht. Die Kriege, die der Westen angezettelt hat, haben überall auf der Welt dschihadistische Bewegungen entstehen lassen.“
IS verliert zentrale Führungsrolle
Das Attentat von Manchester zeigt nach Ansicht von Upsala Nya Tidning, dass die IS-Miliz die zentrale Führerschaft verliert:
„Der IS hat schnell die Verantwortung für die Tat in Manchester übernommen. Aber auch das kann als Zeichen der Schwäche gedeutet werden. Die Informationen über das Attentat stimmen nicht überein mit den Erkenntnissen der Polizei. Es gibt allerdings immer noch die Sympathisanten der Sekte, die bereit sind, ohne zentrale Führung zuzuschlagen. ... Dass der IS nicht länger eine zentrale Leitungsfunktion hat, zeigt sich auch an anderer Stelle. Viertel für Viertel waren sie gezwungen, das irakische Mosul aufzugeben, die größte der Städte, die sie 2014 unter ihre Kontrolle bringen konnten, als das 'Kalifat' errichtet wurde. ... Die Grundidee war es, eine derartige Polarisierung zu schaffen, dass der apokalyptische Endkampf ausbricht. Doch in Manchester haben die Menschen stattdessen Einigkeit gezeigt - ungeachtet des Hintergrunds und der Religion.“
Macrons Internationalismus fördert Terror
Durch seine stark international ausgerichtete Politik schafft Frankreichs neuer Präsident Macron ungewollt weiteren Nährboden für Terror, warnt Ökonom Jacques Sapir auf seinem Blog RussEurope:
„Der radikale Islamismus führt Krieg gegen die politische Kultur Frankreichs, aber auch gegen die Großbritanniens, Deutschlands, Italiens. ... Das Tragische an der ganzen Sache ist, dass Emmanuel Macron, an dessen tatsächlichem Entsetzen und wirklicher Erschütterung über das Attentat von Manchester kein Zweifel besteht, de facto die Logik fördert, die den Anschlag verursacht hat. Indem er ständig die Globalisierung gutheißt, indem er sich zum Apostel des Supranationalen und des europäischen Föderalismus macht, greift er ebenfalls die den Franzosen gemeinsame politische Kultur an. Wenn das Volk jedoch nicht mehr als politische Gemeinschaft existieren kann, wären der Rückzug in ethnische oder religiöse Gemeinschaften und ein Bürgerkrieg mögliche logische Konsequenzen.“
Muslime müssen Extremisten bloßstellen
Die Mehrheit der anständigen und gesetzestreuen Muslime muss in Großbritannien und der Welt stärker gegen die radikalen Strömungen ihrer Religion vorgehen, fordert Kolumnist Piers Morgan in Daily Mail:
„Die muslimische Gemeinschaft tut viel zu wenig, um radikalisierte Extremisten, die sich in ihrer Mitte verstecken, zu finden und bloßzustellen. Sie tut auch viel zu wenig, um die zunehmende Verbreitung extremer, vom Wahhabismus inspirierter Lehren, die der IS propagiert, in Moscheen und muslimischen Heimen zu verhindern. ... Was auch immer die Gründe dafür sind - Angst vor Vergeltung, Apathie oder in manchen Fällen stillschweigende Unterstützung für die Ziele -, weiß ich nicht. Doch es muss sich ändern. Nicht zuletzt deshalb, weil anständige, gesetzestreue Muslime weltweit selbst die größten Opfer der Gewalt des IS sind.“
In des "Monsters" Seele blicken
Wenn die Attentäter in den Medien häufig als "Monster" beschrieben werden, sollte sich die Gesellschaft dringend mit den Bedingungen befassen, die aus jungen Menschen Ungeheuer machen, mahnt Corriere della Sera:
„Um den 'Bruch' der 'Generation Bataclan' zu verstehen, muss man bedenken, dass die jungen 'Monster' in den gleichen Städten, im gleichen kulturellen Milieu, in der gleichen Medienlandschaft geboren werden und aufwachsen wie ihre Opfer. Nur so versteht man die Entscheidung, sich aus dem Stadtviertel, aus der Familie, aus der Gruppe auszuschließen, um sich 'anwerben zu lassen', um Leben zu vernichten und den Tod zu idealisieren. … Die größte Gefahr aber, die uns droht, wenn wir den Bruch außer Acht lassen, besteht darin, dass die 'Monster' 'Monstrosität' erzeugen, nämlich die Verbreitung religiösen Hasses, obsessives Verlangen nach Sicherheit, Lähmung unseres alltäglichen Lebens und schließlich die Überbewertung des Phänomens selbst, auch verglichen mit gewalttätigen Phänomenen der Vergangenheit.“
Politisch korrekte Elite verkennt die Realität
Auch nach dem Attentat von Manchester werden uns die Politiker wieder beruhigen und sich politisch korrekt vor unangenehmen Wahrheiten drücken, klagt Alexander Tomský in Mladá fronta dnes:
„Und wenn nun der Islam das Problem wäre? Nicht nur der Islamismus? Sicher kann man nicht den Islam und die Religionsfreiheit verbieten. Aber man kann Leute aus dem Land werfen, die Gewalt, Rassismus und Intoleranz predigen und die die Scharia gesetzlich verankern wollen. Hier liegt der Kern des Problems. Der heutige politisch-religiöse Humanismus der Europäer (nicht zu verwechseln mit Menschlichkeit, Toleranz und Ethik) macht es unmöglich, dass Europa Einwanderer nach ihrer Religion auswählt. Die politische Elite in Europa glaubt weiter an eine offene Gesellschaft, an offene Grenzen, als würde sie die alten Völker des Kontinents auswechseln wollen. Diese Politik wird nicht gut enden.“
Schüren von Ängsten ist zynisch und billig
Autor Adam Szostkiewicz vertritt in Polityka die Meinung, dass Terroranschläge von psychisch gestörten Menschen verübt werden. Dabei erinnert er an den norwegischen Attentäter Anders Breivik sowie den Polen Brunon Kwiecień, der 2012 einen Anschlag auf das polnische Parlament geplant hatte:
„In Norwegen hat der Soziopath Breivik das Massaker an Jugendlichen auf der Insel Utøya verrichtet, ein Mann, der vom Hass auf die multikulturelle Gesellschaft getrieben war. … Es war ein ethnischer Pole, der behütet in einem katholischen Haushalt aufwuchs, der einen Angriff auf unser Parlament und die Führung unseres Staates vorbereitet hat, weil ihm Polen, so wie es war, nicht gefiel. ... Eine Politik, die auf die Angst vor Flüchtlingen und die Abneigung gegen kulturelle Andersartigkeit setzt, ist zynisch und billig. Nicht aus den Flüchtlingen rekrutieren sich die Terroristen, sondern aus einer kleinen Gruppe von Soziopathen.“
Gesicht des Terrors hat sich verändert
Einen Blick auf die Geschichte des Terrors in Europa wirft der Blogger Agent Ungur auf dem Meinungsportal Mandiner und vergleicht die Motive separatistischer und islamistischer Attentäter:
„Was die Zahl der Anschläge angeht, werden nationale Befreiungsbewegungen wie die IRA und die Eta in Europa noch lange uneinholbar bleiben. Das gilt jedoch nicht für die Zahl der Todesopfer. Manchester ist leider das beste Beispiel dafür. 1996 verübte die IRA einen Bombenanschlag von gigantischer Zerstörungskraft im Zentrum Manchesters. ... Wie viele Tote es damals gab? Null. Große Sachschäden und viele Verletzte, ja, aber keine Toten. Warum? Weil die IRA den Anschlag 90 Minuten vorher ankündigte. Demgegenüber wollte der jetzige Attentäter unschuldige Jugendliche ermorden. ... Haben nationale Befreiungsbewegungen ihr Ziel erreicht, legen sie die Waffen nieder. Nicht die Islamisten. Sie morden so lange, bis auch der letzte Ungläubige Allahs Weg beschritten hat.“