Ärger um Sparkurs: Frankreichs Armeechef geht
Im Streit um Macrons Sparpläne für die Armee ist Frankreichs Generalstabschef Pierre de Villiers zurückgetreten. Er sieht die Sicherheit des Landes in Gefahr und hatte die geplanten Einsparungen in Höhe von 850 Millionen Euro scharf kritisiert - woraufhin Macron in einer Ansprache vor ranghohen Militärs "Pflichtbewusstsein und Zurückhaltung" forderte. Für die Presse ein höchst aufschlussreicher Machtkampf.
Macron führt kindischen Machtkampf
Macron hätte besser nachdenken sollen, bevor er den Streit vom Zaun brach, kritisiert Delo:
„Der 'Krieg' des Präsidenten mit dem zum Rücktritt gedrängten General hat das Militär und die Industrie natürlich beunruhigt. Die Opposition meldet sich zu Wort, empört über die Arroganz des Macronismus, der bereits 'seine ersten Meisterwerke zur Schau stellt'. Es handele sich dabei um eine 'historische' Krise. Auch weil die Sicherheitslage in Frankreich und in der Welt weiterhin extrem angespannt ist. Auch die Demokratie ist wohl in der Krise, so wie die Meinungsfreiheit. ... 'Den Besten' (wie viele jetzt de Villiers loben) zum Schweigen zu bringen, zeugt von kindischer Autorität.“
Franzosen haben sich hereinlegen lassen
Macrons Haushaltspolitik unterscheidet sich nicht von der Hollandes, klagt Serge Federbusch, Vorsitzender der rechtsliberalen Parti des Libertés, in Contrepoints:
„Beim ersten Hinterhalt, der schlecht ausgerüstete französische Soldaten das Leben kostet, wird er Rechenschaft ablegen müssen. Ebenso wenn die islamistischen Attentate wieder losgehen und festgestellt wird, dass die Geheimdienste sowie die Polizei aufgrund von Einsparungen versagt haben. Mit jedem neuen Tag wirkt die Herrschaft Macrons immer mehr wie ein Kondensat der Irrungen seines Vorgängers. Große Ankündigungen, Steuerbelastungen vor allem für die Mittelschicht, ungeschickte Haushaltskürzungen und am Ende Enttäuschung für alle. Nur die Verpackung hat sich geändert - soll heißen, dass sich die Franzosen haben hereinlegen lassen.“
Für Sparkurs gibt es gute Gründe
Die angekündigten Kürzungen im Verteidigungshaushalt stellen für die französische Armee auch eine Chance dar, erläutert La Tribune de Genève:
„Frankreichs Haushaltsdefizit ab diesem Jahr unter die Dreiprozentgrenze zu senken, hat für [Macron] Priorität. Das Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aufzuwenden, wird somit aufgeschoben. Mit der Einhaltung des Stabilitätspakts, der die Haushaltspolitik der EU-Staaten einander annähern soll, will der Präsident auf seine europäischen Partner zugehen - vor allem auf Deutschland, das seit Jahren darauf wartet. Den französischen Soldaten könnte dies paradoxerweise zugutekommen, da der Pariser Sparkurs die anderen europäischen Länder dazu veranlassen sollte, ihre Beteiligung am Antiterrorkampf, insbesondere im Sahel, aufzustocken, der bislang weitestgehend von Paris allein geschultert wird.“
Ein neues Machtverständnis
Für Corriere della Sera ist der Konflikt zwischen Macron und der Heeresführung höchst aufschlussreich:
„Der Zusammenstoß ist eklatant, nicht nur aufgrund der Bedeutung seiner Protagonisten, sondern weil er das Machtverständnis von Emmanuel Macron offenbart und dessen Absicht, die Grundzüge der präsidentiellen Republik wieder aufzubauen. … Die französische Verfassung gesteht dem Präsidenten wie in keiner anderen Demokratie Richtlinien- und Nominierungskompetenzen zu und überlässt den übrigen Amtsträgern, inklusive dem Premier, rein exekutive Kompetenzen. Diese Struktur wird in Macrons Amtszeit von einer außerordentlich breiten Parlamentsmehrheit legitimiert. Der junge Präsident hat dies in Regeln und Verhaltensweisen übersetzt, die keine Ausnahmen zulassen.“
Demokratie in Gefahr
Macron treibt das Land in eine politische Krise, kritisiert der General a. D. Vincent Desportes in Le Monde:
„Der erste Fehler des Präsidenten ist die öffentliche Demütigung eines bedeutenden Staatsdieners, der für die Verteidigung der Franzosen kämpft - nämlich vor dessen Truppen. Der zweite besteht in der Entziehung von 850 Millionen Euro, die sämtliche Experten von rechts wie von links als schweren Fehler erachten. Der dritte Missgriff ist - abgesehen von der Haltung - der offenkundige Mangel an Respekt für die Streitkräfte. Das Schlimmste ist jedoch der Vorwurf an einen Beamten sehr hohen Ranges, den Abgeordneten des Landes - hinter verschlossenen Türen - seine Experteneinschätzung dargelegt zu haben. Wenn das Parlament nur noch die von der Staatsspitze ausgeheckte Doktrin hören darf, dann ist die Demokratie in Gefahr: Frankreich steckt in einer schweren institutionellen Krise.“
Die Schlacht ist eröffnet
Für die Süddeutsche Zeitung markiert der Rücktritt nur den Beginn weiterer Auseinandersetzungen um den Sparkurs Macrons:
„In der Sache handelt es sich bei einem Einschnitt von 850 Millionen Euro in einem Budget von 33 Milliarden um eine schwere Operation. ... Darin liegt das eigentliche Problem für Emmanuel Macron: Mit der notwendigen Haushaltssanierung kann er sich nirgendwo Freunde machen. Nun wird der Widerstand überall losbrechen - in den Gemeinden, den Regionen, den Sozialverbänden, den Gewerkschaften. Die Zeit der merkurialen Rhetorik ist vorbei, jetzt muss Macron durch die dünne Luft der Hochebene, die er erklommen hat. Der General war da noch ein leichter Gegner.“