Was hilft gegen Hass im Netz?
In Deutschland ist seit Jahresbeginn das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft, das soziale Medien verpflichtet, "offensichtlich rechtswidrige Inhalte" zu sperren. Frankreichs Präsident Macron kündigte ein Gesetz an, das Medienplattformen zu mehr Transparenz über Hintermänner und Sponsoren von Inhalten zwingen soll.
Facebook muss wie jede Zeitung behandelt werden
Endlich gelten die gleichen Regeln für traditionelle Medien und soziale Netzwerke, freut sich Le Figaro:
„Die Ungleichheit der Verpflichtungen, die traditionellen Medien und den Giganten des Internets auferlegt werden, schreit zum Himmel. ... Laut des berühmten [französischen Presse-] Gesetzes von 1881 sind Presseorgane strafrechtlich für die Artikel verantwortlich, die sie publizieren. ... Jeder der Gerichtsbarkeit unterworfene Mensch, der sich durch einen in einer Zeitung oder einem Wochenmagazin erschienenen Artikel in seinen Rechten verletzt fühlt, kann so den Direktor der Publikation (als Autor) oder den Journalisten (als seinen Komplizen) gerichtlich verfolgen lassen. ... Es ist richtig, soziale Netzwerke und digitale Plattformen den Prinzipien des Pressegesetzes von 1881 zu unterwerfen.“
Zensur ist das falsche Mittel
Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist vollkommen unausgegoren, schimpft der rumänische Dienst der Deutschen Welle:
„Verängstigt vom Brexit, von der Wahl Trumps und dem schwindelerregenden Aufstieg des Populismus in Europa hat sich die Berliner Elite zur Verabschiedung von Maßnahmen entschlossen, die eher der politischen Selbstverteidigung dienen als der Bekämpfung von Hass. Hass, gegen den in der Tat vorgegangen werden muss. Aber nicht durch Zensur, sondern durch Bildung, Information, Analyse und Gesetze. Die Parteien der Großen Koalition scheinen über ihre eigene Inkompetenz erschrocken, populistischer Propaganda etwas entgegen zu setzen.“
Demokratie erlaubt auch platte Meinungen
Die gesetzlichen Eingriffe gegen Hass im Netz, die in Deutschland eingeführt und in Frankreich angedacht sind, werden nach hinten losgehen, prophezeit Jyllands Posten:
„Die Antwort auf gefährliche oder falsche Meinungsäußerungen kann nicht sein, etwas einzuführen, das an Zensur erinnert. Es deutet nichts darauf hin, dass hasserfüllte Aussagen zu mehr Gewalt oder sozialer Unruhe führen, sondern im Gegenteil eher als Ventil wirken. Im Wesen der Demokratie liegt begründet, dass sie Platz hat selbst für die dümmsten, plattesten und politisch nicht korrekten Meinungen. Denn eine freie und offene Debatte, in der Argument auf Gegenargument trifft, ist Voraussetzung für eine gesunde Demokratie.“
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht
Dass das deutsche Gesetz sozialen Netzwerken faktisch die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Meinungsäußerung überlässt, kritisiert NRC Handelsblad:
„Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist ein perfektes Beispiel dafür, wie schwierig es sein kann, gute Absichten in effektive Gesetzgebung zu gießen. Noch komplizierter wird es, weil das Gesetz die großen US-Technologieunternehmen wie Facebook und Twitter betrifft. Sie entziehen sich, vermummt als anonyme Riesen, jeder Verantwortung für den Inhalt. Diese privaten Parteien sind ungeeignet, um die Rolle eines Zensors zu erfüllen, und so ist das Mittel schlimmer als das Übel. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Führer Martin Schulz sollten das Gesetz in ihre Koalitionsgespräche aufnehmen und schnell reparieren.“
Soziale Medien haben versagt
Die Süddeutsche Zeitung benennt die Hauptverantwortlichen für die Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes:
„Es sind die sozialen Netzwerke selbst. Facebook, Twitter und Co. sind schon seit zehn Jahren durch das Telemediengesetz verpflichtet, strafbare Inhalte von ihren Plattformen zu nehmen. Doch sie sind ihrer Pflicht - trotz eines enormen Anstiegs der strafbaren Inhalte und trotz langen Drängens des Justizministers - auf beinahe dreiste Weise nicht nachgekommen. Das NetzDG schafft jetzt ja keine neuen Straftatbestände, es soll nur bei der Durchsetzung des geltenden Rechts helfen (daher auch sein Name).“
Nicht nur eine Sache der Medien
Der Kampf gegen Falschnachrichten betrifft weit mehr als nur die Medienmacher, wirft Frankreich-Korrespondent Richard Werly in Le Temps ein:
„Macron hat den Journalisten [bei seiner Neujahrsansprache] auf Augenhöhe eine treffende Frage gestellt: Wie kann man die Demokratie vor Bedrohungen aus dem Netz schützen? Die Frage betrifft jedoch nicht nur Journalisten, sondern auch Lehrer, Aktivisten, Beamte und selbstverständlich Politiker. Sie müsste zudem die Staaten veranlassen, der Industrie und den Online-Plattformen mehr Verantwortung zuzuteilen. Das Gesetz ist nur ein Instrument. ... Unabdingbar sind hingegen Mobilisierung, Bewusstmachung, und Unterstützung beim Erwägen neuer Formen von Kontrolle, Strafen und Beschwerden - damit wir der Fake-News-Epidemie nicht hilflos ausgeliefert sind.“
Regierung hat Journalisten nichts vorzuschreiben
Klare Regeln für das Verhältnis von Medien und Politik sind richtig, findet Le Point. Das Wochenmagazin warnt aber davor, dass diese von der Regierung festgelegt werden:
„Journalisten sind unterschiedlichsten Vorwürfen ausgesetzt: Einige sehen sie als Lakaien der Regierenden, andere als Verschwörer gegen das herrschende Regime. ... Aber ist es Aufgabe des Staats, die beruflichen Bedingungen von Journalisten zu bestimmen? Wäre Journalismus noch Journalismus, wenn er sich allein an offizielle Äußerungen hielte? ... Ein ethischer Kodex ist wünschenswert und sogar notwendig, er darf aber nicht von den Regierenden festgelegt werden.“