Ein Jahr Trump - und nichts mehr, wie es war?
Retter der USA und großer Reformer für die einen, Brandstifter und unberechenbarer Provokateur für die anderen: Donald Trumps Präsidentschaft spaltet nicht nur die USA. Am 20. Januar ist er ein Jahr im Amt - Zeit für die Presse, eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Wirtschaftsboom als Rückenwind
El Mundo findet, dass die USA unter Trump insgesamt gut dastehen:
„Seine Wahnvorstellungen haben ihn an die Macht gebracht. Sein erstes Jahr war so jämmerlich, wie erwartet (Obamacare abgebaut, Grenzen geschlossen, Immigranten ohne Papiere abgeschoben, 2.000 Tweets voller Fake News verbreitet). Aber die simple Realität ist, dass der Dow Jones sich auf Rekordhöhe befindet, Apple dank des neuen Steuersystems 250 Milliarden rückgeführt und darüber hinaus 20.000 neue Arbeitsplätze angekündigt hat, und der Dollar sich in Bestform befindet. ... Außerdem ist Trumps körperlicher Gesundheitszustand blendend. Der geistige Zustand ist angesichts dieser Tataschen zweitrangig. Wenn Trump noch ein oder zwei Verschwörungstheorien aus dem Hut zaubert, wird er mühelos wiedergewählt.“
Vom Wahlkampfgetöse blieb nicht viel
Trump hat viel Lärm gemacht, analysiert NRC Handelsblad, doch vor allem in der Außenpolitik hat er nicht viel verändert:
„Vorläufig bestehen alte und neue Politik nebeneinander. Das aber ist nicht das, was Trump versprochen hatte. In seinem Wahlkampf hatte er noch von einem Handelskrieg mit China geträumt, einer grandiosen Annäherung an Moskau, dem Rückzug aus zahlreichen internationalen Verträgen und der Wiedereinführung von Folterpraktiken. Verglichen mit seinem Wahlkampfgetöse ist er noch nicht weit gekommen. ... Großmächte verlieren ihre Position in der Welt meistens, weil sie im Ausland zu viel wollen oder zu Hause den Laden nicht im Griff haben. Trump fügte eine dritte Methode des Machtverlustes hinzu. Der freiwillige Thronverzicht. Trump will nicht mehr Stützpfeiler des internationalen Systems sein.“
Zerstörer der liberalen Demokratie
Donald Trump geht als Totengräber der liberalen Demokratie in die Geschichte ein, glaubt Le Monde:
„Der 45. US-Präsident hat die Lüge zum Regierungsstil erhoben. ... Er befleckt die liberale Demokratie und enthemmt dadurch diejenigen, die diese auf der internationalen Bühne attackieren. In diesem Sinne kommt Trump eine historische Bedeutung zu. Er sitzt zu einer Zeit im Weißen Haus, in der die demokratisch-liberale Regierungsform zunehmend an Boden verliert - und kann diese Entwicklung noch verstärken. ... Das liberale Modell müsste erneuert werden, es zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass es anpassungsfähig ist. Trump jedoch trägt lieber zu seiner Zerstörung bei.“
Blinde Gewinnsucht und schäbige Medien
Schuld am Verfall der USA ist zunächst nicht Donald Trump, betont Autor Nick De Clippel in De Standaard:
„Das Problem ist nicht Trump, sondern dass es genug Wähler gab, um diesen Rodeo-Clown in den Sattel zu heben. Wenn Trump vom Pferd fällt, sind sie immer noch da. ... Die Frage ist doch, wie die USA so verludern konnten, wie sie jede moralische Autorität verspielen und auf allen Ebenen (außer der Börse) ins Hintertreffen geraten konnten. ... Im Grunde stand es schon in den Sternen geschrieben, dass ein Land mit Shopping-Mall-Schulen, mit Fox News als Analyseprogramm und mit Monstern wie The Gong Show und The Jerry Springer Show als 'human interest' früher oder später jemanden wie Trump als Präsident bekommen musste. Dafür verantwortlich sind die von blinder Gewinnsucht getriebene Gesellschaft und die daraus entstehende Verluderung von Bildung und Medien.“